Die Gemeinde Andermatt belegt den ersten Rang im diesjährigen Minergie-Rating in der Kategorie «mittlere Gemeinden».

Andermatt räumt beim Minergie-Rating 2022 ab

17.11.2022
11 | 2022

Die Gemeinden Andermatt (UR), Isone (TI) und Weinfelden (TG) gewinnen das nationale Minergie-Rating 2022. Im Interview erzählt Erich Renner, Gemeinderat von Andermatt, von Perlenketten, Fernwärme und Photovoltaik in der Fassade.

Seit 2018 wird auf nationaler Ebene das Minergie-Rating durchgeführt: Eingeteilt nach Bevölkerungsgrösse können die Schweizer Gemeinden in fünf Kriterien Punkte sammeln und sich so gegenseitig messen. In der Kategorie «grosse Gemeinden» gewinnt dieses Jahr Weinfelden, bei den «kleinen Gemeinden» siegt die Tessiner Gemeinde Isone, und in der Kategorie «mittlere Gemeinden» hat es Andermatt zuoberst aufs Podest geschafft.

Die Gewinnergemeinden freuen sich: «Dieses Ergebnis ist ein Gemeinschaftswerk: Weitsichtige Bauherren, innovative Planer und kompetente Handwerksbetriebe tragen massgeblich dazu bei, dass Weinfelden nun wieder zuoberst auf dem Podest steht», sagt etwa Martin Brenner, Stadtrat von Weinfelden und Leiter des Ressorts Hochbau. «Und persönlich hoffe ich sehr, dass diese nachhaltige Entwicklung als Leuchtturm weit über die Weinfelder Grenzen hinaus wirkt.» Aus der Gemeinde Isone heisst es: «Als kleine Berggemeinde sind wir sehr stolz auf diese Auszeichnung. Wir wollen diesen Weg mit neuem Schwung und Enthusiasmus fortsetzen und uns dabei auf Energieeinsparungen und die Umstellung auf erneuerbare Energien konzentrieren, wann und wo immer dies bei neuen Projekten und/oder Renovierungen möglich ist.»

Andermatt hat bereits 2020 den dritten Rang erreicht und ist nun auf den ersten Rang aufgestiegen. Wir haben mit dem für das Thema Energie zuständigen Gemeinderat von Andermatt, Erich Renner, gesprochen.

Erich Renner, wie hat es die Gemeinde Andermatt aufs Podest geschafft?

Erich Renner: Der Haupttreiber dafür ist das Baugeschehen rund um das Tourismusresort Andermatt des Investors Samih Sawiris. Dort ist die Anforderung an die energetische Bauausführung nach dem Minergie-Standard im Quartiergestaltungsplan festgelegt.

Was bedeutet diese Auszeichnung für die Gemeinde? Und für Sie persönlich als Gemeinderat?

Der Podestplatz bedeutet, dass Andermatt sehr gut unterwegs ist bezüglich Anzahl nach Minergie zertifizierter Gebäude und zertifizierter Energiebezugsfläche. Das ist sehr schön für uns – auch weil wir ja bereits zum vierten Mal, mit jeweils steigender Punktezahl, das Label Energiestadt erreicht haben. Der Sieg im Minergie-Rating bestätigt uns, dass wir auch bei den Bauten auf einem guten Weg sind und macht dies sichtbar gegen aussen.

Wie geht dieser Weg weiter?

Wir möchten ein Nachhaltigkeits-Valley werden. Wir haben die Ressourcen Wasser, Wind, Sonne und ein sensationelles Fernwärmenetz. Die Holzschnitzel aus dem Tessin kommen in Airolo auf den Lastwagen, fahren 16 Kilometer durch den Gotthardtunnel und in Göschenen direkt in den Brennofen. Dort wird das Warmwasser erzeugt, dieses kommt durch alte Militärstollen nach Andermatt und wird verteilt. Das Resort wurde sofort angeschlossen, weil Erdsonden aufgrund der Beschaffenheit des Untergrunds nicht möglich sind. Auch ist praktisch das ganze Dorf mit dem Fernwärmenetz erschlossen, und immer mehr Gebäude beziehen nun für die Heizung Fernwärme.

Grosse Hoffnung setze ich spezifisch in die Photovoltaik (PV) in Fassaden und dass es dadurch einen Schub in Richtung private und dezentrale Energieerzeugung gibt. Zu viel kann ich noch nicht erzählen, aber es ist im Rahmen des Tourismusresorts ein neues Hotel geplant mit Fassaden aus PV-Zellen. Es handelt sich um einen Prototyp, aber wenn das funktioniert, gibt es anderen Bauherrschaften die Möglichkeit, in diese Richtung weiterzugehen.

Und wie helfen Labels?

Labels wie Energiestadt, aber auch Minergie helfen uns dabei, dass Bauherrschaften dank den Vorgaben der Labels zukunftsfähig bauen. Als Gemeinde könnten wir zudem dort, wo in den kantonalen Vorschriften erwähnt ist, dass der Minergie-Standard freiwillig ist, «empfohlen» hinschreiben und so anregen, diesen Schritt zu gehen. Oder sogar Minergie-A empfehlen, wenn sich die Fassaden-PV bewährt …

Welche weiteren Massnahmen plant die Gemeinde Andermatt, um dem Klimawandel entgegenzuwirken?

Kompakt bleiben als Dorf, was bedeutet, dass alles in Fussdistanz erreichbar ist; erneuerbar heizen; die Windkraft ausbauen; den Verkehr beruhigen und begrünte Begegnungszonen schaffen. Daneben gibt es auch noch ein langfristiges, auf das ganze Tal ausgelegtes Aufforstungsprogramm «Wald und Klima». Das Ziel im Resort ist, dass die Gäste kommen und das Auto stehen lassen können, bis sie wieder nach Hause fahren. Das schwebt mir auch für unser ganzes Dorf vor: Das Auto braucht man nur noch, wenn man ins Unterland muss – oder man benutzt gleich den öV. Und im Dorf selbst stehen attraktive Langsamverkehrsmöglichkeiten zur Verfügung, zum Beispiel ein Ruftaxi. Dafür entstehen in den verkehrsberuhigten Gässchen Begegnungsorte, die sich wie eine Perlenkette durch den alten Dorfteil ziehen – Grünnischen mit Bänken, Läden und Restaurants.

Wieso ein Minergie-Gebäude?

Die Bauherrschaft bekommt mit Minergie ein Klimagebäude, das für heute und die Zukunft gerüstet ist. Das bedeutet:

• gesunde Raumluft

• komfortable Temperaturen (kühl im Sommer und warm im Winter)

• fossilfreier Betrieb, sprich CO2-frei

• höchste Energieeffizienz (dadurch kleinere Heizleistung)

• Eigenstromproduktion

• Monitoring des Energieverbrauchs

Die 30 besten Gemeinden 2022

Geraldine Chew
Projektleiterin Verein Minergie