
Agilität in Gemeinden: wie zukunftsorientierte Verwaltung gelingt
Weniger Bürokratie, mehr Agilität: Das findet Anklang in immer mehr Bereichen und Branchen. Auch im öffentlichen Sektor verschiebt sich die Arbeitsweise in eine wandlungsfreudige Richtung, wie etwa das Beispiel der Gemeinde Buchrain (LU) zeigt. Diese Entwicklungen steigern die Zufriedenheit der Angestellten und die Servicequalität. Freude an der Arbeit ist essenziell für gute Arbeit. Zudem steigen die Effizienz und die Innovationskraft bei gleichzeitig hoher Qualität.
Wie leben Gemeindeverwaltungen Agilität konkret? Welche Haltungen, Strukturen und Methoden treiben einen Wandel voran? Diese Fragen standen im Zentrum einer Masterarbeit an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Im Rahmen der Studie sprach der Autor mit 15 Personen aus innovativen Gemeinde- und Stadtverwaltungen über ihre Arbeitsweise. Es zeichnete sich eine gemeinsame Entwicklungstendenz ab, die teilweise seit 30 Jahren Praxis ist und andernorts gerade beginnt. Zusammengefasst zeigt sich: Agilere Verwaltungen erreichen positive Entwicklungen nicht durch neue Tools oder Methoden, sondern durch wenige, aber tiefgreifende Verschiebungen in Haltung, Struktur und Zusammenarbeit.
Vom Amt zum Dienstleistungszentrum
Anstelle von Kontrolle wird auf Eigenmotivation vertraut. Für eine gemeinsame Stossrichtung setzen die Verwaltungen dabei auf eine geteilte Haltung und eine partizipativ erarbeitete Strategie. Ein inspirierendes Beispiel sind die Werte der Gemeinde Buchrain (LU). In dieser Verwaltung löste sich der Personalmangel durch den gelungenen Strategie- und Kulturprozess. Auch andere Gemeinden betonen das Dienstleistungsverständnis der Verwaltungsaufgabe und die menschenzentrierte Haltung. Diese gilt den Menschen innerhalb und ausserhalb der Verwaltung und geht einher mit einem altruistischen Menschenbild.
So weichen starre Hierarchien zunehmend eigenständigen Teams und einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Die Mitarbeitenden erhalten mehr Entscheidungshoheit und Verantwortung. Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse werden vermehrt in Gruppen abgehandelt, da mehr Informationen und Sichtweisen die steigende Komplexität besser einfangen können. Werkzeuge für Gruppenentscheide bietet beispielsweise das Buch «Zusammenarbeit im Flow».
Ziele definieren, Checklisten erstellen
Bei Projekten oder Herausforderungen, deren Lösung nicht eindeutig ist, werden nicht länger Prozesse und Vorgehen in detaillierten Projektplänen festgehalten. Stattdessen definieren die Verantwortlichen Ziele und ihre Rahmenbedingungen wie Zeithorizont, Budget, einzubeziehende Personen und dergleichen. Was erreicht werden soll, steht so im Zentrum. Wie das geschehen soll, wird mehrheitlich der individuellen Präferenz überlassen.
Die Führung verschiebt sich also vom Operativen zum Strategischen. Vielerorts werden die beiden Führungsaufgaben auch personell getrennt.
Im Zusammenhang damit findet Austausch tendenziell kürzer und dafür häufiger statt, auch abteilungsübergreifend. Und besonders wichtig beim Austausch: klare Strukturen und regelmässige Reflexion über die Prozessgestaltung, um die Weiterentwicklungen stetig voranzutreiben. Dabei helfen Checklisten und andere Standarddokumente, keine relevanten Punkte zu vergessen und den Fokus nicht zu verlieren. Wer macht bis wann was, zu welchem Zweck, mit welchen Ressourcen, unter welchen Vorschriften?
Eine Inspiration für die Strukturierung politischer Prozesse bietet das «Policy Sprint Playbook». Strukturen, Prozesse und Verantwortlichkeiten sollten klar, aber anpassungsfähig sein.
Flexible Arbeitsplätze
Das gilt auch für die Arbeitsräumlichkeiten, die für mehr Flexibilität digital und analog angepasst wurden. Vielerorts haben die Verwaltungen ehemalige Einzelbüros umfunktioniert zu Räumen für Innovation und Strategie, Stehmeetings oder Fokusräumen für leises Arbeiten. Es wird nicht mehr an einem fixen Arbeitsplatz gearbeitet, sondern in der passenden oder präferierten Umgebung.
Ebenfalls hilfreich sind flexible Geldtöpfe, die unkompliziert und zeitnah ermöglichen, Experimente und Innovationsprojekte im kleinen Rahmen zu testen.
Vereinbarkeit und Schwierigkeiten
Die zentrale Herausforderung von Agilität in öffentlichen Verwaltungen ist die Überwindung alter Muster. Um die Vorteile der herkömmlichen Hierarchien und stabilen Rollen nicht zu verlieren, wurden die Modelle oft vereint. Auf dem Organigramm eine klassische Linienorganisation, die im Krisenfall schnelles und direktives Vorgehen erlaubt. Im Arbeitsalltag vielseitige Variationen, die beispielsweise auch Schalterangestellten ermöglichen, sich in laufende Projekte einzubringen. So können einzelne Stellen unterschiedlich abwechslungsreich und herausfordernd gestaltet werden. Der Trick scheint zu sein, möglichst niemanden zu mehr Verantwortungsübernahme zu zwingen. Stattdessen gilt es, motivierte Personen zu identifizieren, mit ihnen zu experimentieren und positive Beispiele zu schaffen. Im Idealfall gelingt es so, eine fortlaufende Optimierung der Organisation zu etablieren.