Die Kinder haben sehr offen auf die neuen Gerichte des Bieler Mittagstischs reagiert.

Bioprodukte aus der stadteigenen Küche

08.02.2024
1-2 l 2024

Die Förderung eines gesunden und nachhaltigen Mittagstischs ist zu einer öffentlichen Aufgabe geworden. Die Stadt Biel (BE) setzt dabei mit dem Label «Gesunde Ernährung» neue Massstäbe.

Die steigende Nachfrage nach Mittagstischen stellt viele Gemeinden und Städte vor die Herausforderung, eine grosse Anzahl von Menüs gleichzeitig bereitstellen zu müssen. So auch in den 14 Bieler Tagesschulen und den 6 Kindertagesstätten, die bis Ende letzten Jahres durch mehrere stadteigene Kleinküchen sowie einen Grossanbieter aus einem anderen Kanton mit Essen versorgt wurden. «Da unsere bestehende Kücheninfrastruktur ausgeschöpft war, mussten wir auf einen externen Caterer zurückgreifen. Als dessen Leistungsvertrag verlängert werden sollte, kam es zu einer politischen Debatte, die sich um den Transportweg, eine lokale Produktion mit regionalen Lebensmitteln und den Einsatz von Einwegverpackungen drehte», erklärt Emanuel Amrein, Generalsekretär der Bieler Direktion Bildung, Kultur und Sport.

Aus dieser Diskussion heraus entstand die Gemeindeinitiative «Für eine gesunde Ernährung», die eine nachhaltige und ausgewogene Verpflegung in den städtischen Betreuungsstrukturen forderte. Daraufhin arbeitete der Gemeinderat unter Einbezug der Initiantinnen und Initianten ein entsprechendes Reglement aus, das vom Parlament verabschiedet wurde. Um dem gesetzlichen Auftrag zu entsprechen, entwickelte die Stadt das Label «Gesunde Ernährung», das für ein nachhaltiges Ernährungssystem und strenge Vorgaben steht.

Bioqualität und kurze Wege

Seit Anfang 2023 verwenden die Bieler Mittagstische nur noch frische, vorwiegend saisonale und heimische Bioprodukte, die in einem Umkreis von höchstens 35 Kilometern eingekauft werden. Somit sind die Transportwege kurz, und die Zusammenarbeit mit regionalen Bioproduzenten und -lieferanten wird gestärkt. «Als Grossabnehmer bringen wir Bewegung in Betriebe, die sich bereits mit Umstellungsgedanken getragen haben und nun einen Absatzmarkt sehen», beschreibt Amrein die Auswirkungen des Projekts. Stehen ausnahmsweise Produkte aus dem globalen Süden wie etwa Bananen auf dem Menüplan, so sind diese mit dem Fairtrade-Label Max Havelaar zertifiziert. Auf bedrohte Fischarten und solche, die mit zerstörerischen Methoden gefangen werden, verzichtet man ganz.

Cook-and-Chill-Verfahren

Nach erfolgter Ausschreibung entschied sich die Bieler Regierung für eine stadteigene Produktion der Mittagstischmenüs im Alterszentrum Redern, da dessen Küche ohnehin renoviert werden musste. Nun werden dort zentral 270 000 Mahlzeiten pro Jahr im Cook-and-Chill-Verfahren zubereitet. Hierfür wird das Essen auf herkömmliche Weise gekocht und anschliessend innerhalb von 90 Minuten direkt auf eine Temperatur von unter 4 °C gekühlt. Dadurch bleiben die Zutaten frisch und knackig, und die Menüs sind ohne Qualitätsverlust lagerbar. Alle zwei bis drei Tage werden die Mahlzeiten in Mehrweggebinden mit einem Elektrofahrzeug an die verschiedenen Schul- und Kitastandorte geliefert. Dort bereitet sie das jeweilige Küchenteam unmittelbar vor dem Essen in einem Steamer auf. Das vermeidet Warmhaltezeiten, und die Nährstoffe bleiben dank der schonenden Zubereitung erhalten.

Keine Querfinanzierung

Aufgrund der zentralen Produktion und der effizienten Prozesse liege der Mahlzeitenpreis für die Kinder, der politisch festgelegt werde, bei acht Franken und damit im selben Bereich wie zuvor, so Amrein. «Die Betriebskosten für die Stadt sind bis anhin ebenfalls gleichgeblieben, obwohl wir durch die strengen Vorgaben des Reglements beim Wareneinkauf ein höheres Risiko tragen.» Entscheidend sei, dass keine Querfinanzierung zwischen dem Budget des Alterszentrums und dem der Mittagstische erfolge. Die gemeinsame Produktionsküche müsse sich über den Mahlzeitenpreis tragen können. «Steigen die Waren-, Energie- und Personalkosten weiter, muss der Menüpreis jedoch irgendwann angepasst werden», führt der Generalsekretär weiter aus.

«Die Betriebskosten für die Stadt sind bis anhin ebenfalls gleichgeblieben, obwohl wir durch die strengen Vorgaben des Reglements beim Wareneinkauf ein höheres Risiko tragen.»

Emanuel Amrein, Generalsekretär der Bieler Direktion Bildung, Kultur und Sport

Die Menüpläne sind auf die jeweilige Altersgruppe abgestimmt. Die Kinder erhalten pro Woche zwei vegetarische Gerichte, einmal Fleisch oder Geflügel, einmal Fisch sowie mindestens zweimal Salat und ein Dessert. Zu den Fleisch- und Fischgerichten wird jeweils eine vegetarische Alternative angeboten. Eine ausgewogene Mahlzeit enthält entweder Gemüse oder Salat und ein proteinreiches Lebensmittel wie Eier, Milchprodukte, Fleisch, Fisch oder Tofu sowie ein stärkehaltiges Lebensmittel wie Kartoffeln, Getreide oder Hülsenfrüchte. Zucker und Salz werden nur in geringen Mengen verwendet. Mindestens einmal im Jahr überprüft eine externe Stelle die Qualität des Essens. Dies schreibt das Reglement vor.

Positives Feedback

«Die ‹Gesunde Ernährung› ist von den Eltern und Kindern sehr positiv aufgenommen worden», resümiert Amrein. «Natürlich gab es Mahlzeiten, die nicht so gut angekommen sind, wie etwa der Linsenauflauf. Dort haben wir die Menüpläne in Absprache mit der Küche leicht angepasst.» In der Summe fänden es die Kinder cool, dass ihr Essen nun von einer Produktionsküche in Biel stamme. Nur bei den Mittagstisch-Standorten, die bisher über eine eigene Küche verfügten, habe es eine «Trauerphase» gegeben, in der es zu Rückfragen gekommen sei. «An unserer Schule, die zuvor durch den externen Caterer beliefert wurde, war die Einführung der ‹Gesunden Ernährung› mit einer deutlichen Qualitätssteigerung verbunden», ergänzt Manuel Boss, Leiter der Tagesschule Battenberg. Zudem falle durch die kurzen Kommunikationswege nur wenig Food Waste an. «Natürlich haben manche Kinder zu Beginn neugierig nachgefragt, warum nun weniger Fleisch auf dem Menüplan steht, aber insgesamt haben sie sehr offen auf die neuen Gerichte reagiert.»

Yvonne Kiefer-Glomme
Freie Mitarbeiterin