
Das Horwer Seeufer im Spagat zwischen Mensch und Natur
Die Luzerner Gemeinde Horw hat in den letzten Jahren mehrere Abschnitte einer Uferstrasse saniert. Gleichzeitig hat sie wertvolle Lebensräume für die Biodiversität im Uferbereich geschaffen, von denen nicht nur Fische und Vögel, sondern auch Amphibien und Reptilien profitieren. Die Strukturen brechen zudem die Wellen so, dass die Erosion der Ufermauern gebremst wird und das Schilf mehr Lebensraum erhält.
Horw am Vierwaldstättersee: Die Luzerner Gemeinde schmiegt sich an eine Bucht und an eine Halbinsel und hat so viel Seeanstoss wie wenige andere Gemeinden. Was viel Lebensqualität für die Einwohnerinnen und Einwohner bedeutet, heisst auch viel Arbeit für die Gemeinde. Denn das Seeufer muss unterhalten werden, gerade wenn es an Strassen anschliesst.
Einer, der sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Horwer Seeufer beschäftigt hat, ist Silas Wobmann. Er ist der stellvertretende Leiter Tiefbau bei der Gemeinde Horw und zeichnet sich zuständig für die Sanierungsprojekte entlang des Seeufers. Wir treffen ihn an einem milden Sommertag beim Seehotel Sternen, direkt neben dem Naturschutzgebiet Steinibachried. Er blickt aber in die andere Richtung, zur Winkelbadi. Auf dem Abschnitt zwischen dem Seehotel und der Winkelbadi hat die Gemeinde in den letzten Jahren viel für die Biodiversität getan.
Die Natur Natur sein lassen
Die Strasse sowie die Ufermauer mussten alters- und zustandsbedingt saniert werden. Zudem sollte die Strasse breiter werden, damit Spaziergänger, Velofahrerinnen und Autos mehr Platz erhalten. Die alte Ufermauer wurde stehen gelassen, die neue weiter in den See hinein gebaut, wie Silas Wobmann erklärt. Schüttungen mit grossen Steinen vor der Mauer schützen sie vor Erosionen. Vor den Steinen ragen einige Schilfstauden aus dem Wasser, weitere Steine liegen einige Meter vom Ufer entfernt im Wasser, sie bilden sogenannte Buhnen. Darauf sind Wurzelstöcke platziert, und einige Pflanzen beginnen zaghaft aus diesen Buhnen zu wachsen: Vor allem Weiden, aber da und dort auch andere Wildgehölze. Blässhühner schwimmen zwischen dem Schilf. Und wer ganz genau hinschaut, entdeckt in Ufernähe kleine Fische.
«Es sieht alles etwas wild aus, aber das ist gewollt», sagt Silas Wobmann. «Wir haben die Grundlagen geschaffen, damit die Natur Natur sein kann.» Einige Weiden und einzelne Schatten spendende Bäume seien gepflanzt worden, ansonsten war die Gemeinde aber zurückhaltend: «Es wächst, was hier wachsen kann und auch überlebt», erklärt Silas Wobmann, der vor seiner Tätigkeit für die Gemeinde als Bauführer bei einem Gartenbauunternehmen gearbeitet hat.
«Horw fördert die Biodiversität, weil sie als Gemeinde eine Vorbildfunktion hat.»
Promenade zum Flanieren
Aber nicht nur die Natur erhält hier ihren Platz: Entlang des Ufers haben auch die Menschen Platz zum Flanieren. «Wir wollten die Strasse gestalten – wie eine Art Promenade», erklärt Silas Wobmann. Das Trottoir ist auf der gleichen Höhe wie die Strasse, ohne Bordsteinkante, hebt sich aber farblich ab: Dort ist der Asphalt heller. «Der hellgraue Asphalt heizt sich weniger schnell auf.» Das Sternenmätteli neben dem Seehotel hat die Gemeinde Anfang Jahr umgestaltet. Der kleine Badeplatz erhielt eine Rampe, die es auch gehbehinderten Personen erlaubt, direkt zum See zu gelangen. Allerdings hatte die Gemeinde die Rechnung ohne die Seeströmung gemacht: Im Frühling verlagerte sich der neue Sand bis weit auf die Rampe. Das freut die Kinder wie auch die Enten – aber weniger die gehbehinderten Personen. «Das ist natürlich nicht ideal. Wir analysieren diese Situation und werden im Winter Massnahmen ergreifen», so Silas Wobmann.
Tunnel für Amphibien
Silas Wobmann geht dem Seeufer entlang bis zur Winkelbadi und zeigt auf den Boden: Eine helle, überdeckte Rinne führt über das Trottoir und die Strasse bis zum Wald auf der anderen Strassenseite. Es handelt sich nicht etwa um eine Entwässerungsrinne, sondern einen Klimatunnel für Amphibien. Im Frühjahr machen sich diese auf den Weg vom Wald zum See, um zu laichen, und im Sommer kehren die Jungtiere zurück in den Wald. Die Strasse ist dabei ein gefährliches Hindernis für die Tiere – im Tunnel sind sie geschützt. «Wir führen derzeit ein Monitoring durch, um zu überprüfen, wie er genutzt wird», sagt Silas Wobmann.
Rund eineinhalb Millionen Franken hat die Sanierung dieses Uferabschnittes gekostet. Die Gemeinde erhielt vom Bund Subventionen für die Revitalisierungsmassnahmen in der Höhe von etwas mehr als 10 Prozent des Gesamtbetrages. «Horw fördert die Biodiversität, weil sie als Gemeinde eine Vorbildfunktion hat», sagt Silas Wobmann.
Die Biodiversität im Zuge von Strassensanierungen aufzuwerten, gelingt in der Gemeinde gut. «Wir sind ein kleines Team, was hilft, bei Sanierungen den Überblick zu behalten und Synergien zu nutzen», erklärt Silas Wobmann. Am Seeufer arbeitete die Gemeinde zudem mit erfahrenen Ingenieuren sowie Experten für Amphibien und Reptilien zusammen. «Das nötige Fachwissen abzuholen, ist zentral, damit man Massnahmen umsetzt, die wirklich Wirkung zeigen.» Sein eigener Hintergrund als gelernter Landschaftsgärtner und -bauzeichner hilft ihm dabei ebenfalls.
Und nicht zuletzt lernt die Gemeinde von ihren eigenen Projekten: Beim Seeacher erstellte die Gemeinde vor drei Jahren die ersten Buhnen am Seeufer. «Wir haben dann realisiert, dass wir die Steininseln näher beieinander platzieren müssen, damit Schilf und Sträucher wachsen können», erklärt Silas Wobmann. Dies hat man in den Jahren darauf umgesetzt – und tatsächlich wächst das Schilf nun besser.