Visualisierung des Innenausbaus des geplanten Oberstufenzentrums in Zofingen.

Der SNBS zahlt sich aus

12.04.2023
4 l 2023

Die Stadt Zofingen gehört zu den ersten zehn Schweizer Gemeinden, die für die Zertifizierung eines Bildungsbaues das Label «SNBS Hochbau» einsetzen. Sie ist vom Mehrwert des Labels für ihr geplantes Oberstufenzentrum überzeugt.

Da Zofingens Schülerzahlen seit Jahren stetig zunehmen, benötigt die Stadt im Kanton Aargau zusätzlichen Schulraum. Zudem ist vorgesehen, dass die Schülerinnen und Schüler der Real- und Sekundarschule von Brittnau und Strengelbach ab dem Schuljahr 2027/2028 nach Zofingen wechseln. Daher hat sich die Stadt für ein neues Schulgebäude auf dem Bezirksschulareal entschieden, das zusammen mit der bestehenden Bezirksschule als Oberstufenzentrum betrieben werden soll.

Um mehrere Lösungsvorschläge zu erhalten, führte die Stadt Zofingen einen Studienwettbewerb durch. Das Siegerprojekt sieht vor, im Bereich der bestehenden Bezirksschulturnhallen ein Schulhaus zu realisieren. Das vierstöckige Gebäude mit einer Geschossfläche von rund 10 175 Quadratmetern bietet Platz für 26 bis 29 Schulzimmer, 13 Gruppenräume und eine Dreifachturnhalle im Untergeschoss. Vorgesehen sind auch Räume für den Fachunterricht, die Lehrerschaft, die Schulleitung sowie Aufenthalts- und Aufgabenzimmer für Schülerinnen und Schüler. Den Mittelpunkt des Gebäudes bilden zwei Innenhöfe, die sich über zwei Ebenen erstrecken.

Pilot für andere städtische Bauten

Zofingen besitzt seit 2007 das Label Energiestadt und baut nach Minergie. Neben den Vorgaben für die Energietechnik sollte das Grossprojekt Oberstufenzentrum aber auch weiteren Nachhaltigkeitskriterien genügen. «Nachdem wir uns gemeinsam mit Fachexperten verschiedene Labels angesehen hatten, hatten wir das Gefühl, dass der SNBS Hochbau inhaltlich am besten unseren Vorstellungen entspricht», erklärt Mireille Muchenberger, Projektleiterin Hochbau der Bauverwaltung Zofingen.

Da die Stadt zu den ersten Schweizer Gemeinden gehört, die einen Bildungsbau nach dem SNBS Hochbau zertifizieren lassen wollten, wurde ihr Oberstufenzentrum beim Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS) – gemeinsam mit neun weiteren kommunalen Bildungsbauten – als Pilotprojekt geführt. «Für uns ist das neue Schulgebäude ebenfalls ein Pilot, und zwar für andere städtische Bauten», so Mireille Muchenberger. Es soll mit einer Erdsondenwärmepumpe beheizt werden, die im Sommer der passiven Raumkühlung dient. Zudem werden die Räume kontrolliert be- und entlüftet. Für Strom sorgt eine Fotovoltaikanlage auf der gesamten Dachfläche. Überschüssiger Strom lässt sich für andere Schulgebäude des Areals verwenden.

Einsparpotenziale nutzen

«Zofingen hat viele Schulgebäude, und daher kennen wir die altersbedingten Unterschiede in deren Unterhalts- und Betriebskosten. Dort sehen wir grosses Einsparpotenzial», betont Mireille Muchenberger. Hinzu komme, dass sich bei Schulbauten immer wieder lehrplanbedingte Änderungen der erforderlichen Räume und Infrastruktur ergäben. Die Trennwände zwischen den Unterrichtszimmern und Gruppenräumen ohne tragende Funktion werden daher allesamt aus Holz gestaltet. So sind sie herausnehmbar, und der Schulraum bleibt für die Zukunft flexibel.

Spielraum für eigene Lösungen

Für das Vorprojekt wurde die edelmann energie ag aus Zürich als Nachhaltigkeitsplaner hinzugezogen. Bei der ersten Konformitätsprüfung im Rahmen des SNBS-Zertifizierungsprozesses konnte die Stadt eruieren, wo das Bauprojekt noch Optimierungspotenzial besitzt. «Soweit dies möglich war, haben wir versucht, diese Punkte nachzubessern. Aspekte, die die Umgebung des Schulgebäudes betreffen, also Strassen, die Erschliessung und die Entfernung zum Bahnhof, sind aufgrund der Lage des Schulareals nicht mehr änderbar», erläutert Muchenberger. «Dennoch haben wir versucht, auf dem Gelände selbst die Zugänglichkeit für Fussgänger und Velofahrende zu verbessern. Das Gute am SNBS Hochbau ist, dass man Spielraum erhält, eigene Lösungen zu erarbeiten, weil fehlende Punkte zu einem Kriterium durch mehr Massnahmen für ein anderes kompensiert werden können», betont Muchenberger.

Partizipation bringt Mehrwert

Als Nachhaltigkeitsexperte weist das Büro edelmann energie die Planer der einzelnen Gewerke darauf hin, was es in der jeweiligen Bauphase zu beachten gilt. Die Gesamtentwicklung des Gebäudes muss von den Planern sowie vom Bauamt dokumentiert und in einem zweistufigen Prozess bei der SNBS-Zertifizierungsstelle nachgewiesen werden. Edelmann übernimmt für die beiden Konformitätsprüfungen die Eingabe der Daten im SNBS-Onlinetool und bildet den Ansprechpartner für die Zertifizierungsorganisation, den Verein Minergie.

Auch die Einbindung der Nutzenden musste vom Bauamt belegt werden. Denn die Partizipationsmassnahmen werden ebenfalls beim SNBS Hochbau bewertet. «Diese haben sich gelohnt, weil wir so wertvolle Denkanstösse erhalten haben», konstatiert Muchenberger. «Wenn Beteiligte zum richtigen Prozesszeitpunkt ihre Bedürfnisse einbringen können, stehen sie ausserdem später besser hinter dem neuen Bauprojekt», resümiert die Projektleiterin Hochbau.

«Das Gute am SNBS Hochbau ist, dass man Spielraum erhält, eigene Lösungen zu erarbeiten, weil fehlende Punkte zu einem Kriterium durch mehr Massnahmen für ein anderes kompensiert werden können.»

Mireille Muchenberger, Projektleiterin Hochbau, Bauverwaltung Zofingen (AG)

Stellschrauben sichtbar machen

«Der SNBS Hochbau hilft, ein Bauprojekt auf viele hilfreiche Aspekte zu durchleuchten, und macht wichtige Stellschrauben sichtbar», ergänzt Andreas Edelmann, Leiter des Ingenieurbüros. Auch bei der Ausführung der Installationen erhofft sich die Stadt Zofingen einen Mehrwert vom SNBS Hochbau. «Wir werden sicher sehen, dass sich vieles einfacher machen lässt und dadurch auch günstiger im Unterhalt ist», so Muchenberger. «Wir sind überzeugt, das richtige Label gewählt zu haben.»

SNBS Hochbau: Erster umfassender Standard für nachhaltiges Bauen in der Schweiz

Der Standard für Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) Hochbau dient als Instrument für eine umfassende Nachhaltigkeitsbeurteilung von öffentlichen oder privaten Verwaltungs-/Büro-, Wohn- und Bildungsbauten sowie Mischnutzungen mit Gewerbe im Erdgeschoss – und zwar bei Neubauten wie auch bei Sanierungsprojekten. Er basiert auf der bundesrätlichen Strategie für die Nachhaltige Entwicklung der Schweiz und lässt sich gratis zur Selbstkontrolle anwenden oder kostenpflichtig mit Zertifizierung. 2013 wurde der SNBS Hochbau lanciert, 2020 der SNBS Infrastruktur. Getragen und weiterentwickelt werden beide Standards vom Netzwerk für Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS).

Der SNBS Hochbau orientiert sich an der Schweizer Baukultur, indem er anerkannte Normen und Konzepte des nachhaltigen Bauens konsolidiert. Als umfassender Standard bezieht er Planung, Bau und Betrieb eines Gebäudes mit ein. Zertifiziert wird in einem zweistufigen Prozess zunächst das Projekt und dann die fertige Immobilie. Bei der Beurteilung des Gebäudes wird auch der Einfluss des Bauwerks auf die Siedlungsentwicklung und das Raumangebot in der Schweiz betrachtet. Zudem berücksichtigt das Label die baukulturelle sowie architektonische Qualität bereits im Rahmen von Wettbewerbs- oder Planerwahlverfahren. Der SNBS bezieht alle Dimensionen der Nachhaltigkeit gleichwertig mit ein und bildet anhand von 45 konkreten Indikatoren, die für das Bauwesen relevanten Sustainable Development Goals ab. Dies verbessert nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern führt auch zu wirtschaftlicheren Lösungen.

In jeder SIA-Phase zeigt der SNBS Hochbau auf, welche Fragen gestellt werden sollten, um Optimierungspotenzial aufzuspüren, und lässt Freiraum bei der Erfüllung der Anforderungen. Mit dem Zertifikat SNBS Hochbau wird dem Bauprojekt eine hochwertige Qualität bescheinigt. Somit kann die Bauherrschaft ihre Vorbildfunktion glaubwürdig erfüllen, eventuell die Hypothekarkonditionen und Förderbeiträge der Immobilie verbessern sowie deren Vermietbarkeit, Vergleichbarkeit und Wert erhöhen.

Yvonne Kiefer-Glomme
Freie Mitarbeiterin