
Dialogformat für lebendige Gemeinden
Gemeinden und Quartiere leben vom gesellschaftlichen Zusammenhalt und vom Engagement ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Genau hier setzt das Förderangebot «Projektraum» des Migros-Kulturprozents an: Es initiiert kostenlose Workshops in der ganzen Schweiz, an denen engagierte Menschen lokale Projekte diskutieren und weiterentwickeln können. Die Stadt Kreuzlingen (TG) hat gar entschieden, ein solches Angebot eigenständig weiterzuführen.
Die Schweiz gilt als Willensnation. Trotz unterschiedlicher Sprachen und Herkünfte gelingt das Zusammenleben in Quartieren, Gemeinden und Städten. Doch in Zeiten der Polarisierung bröckeln die Verbundenheit und die Solidarität auch in der Schweiz. Aktuelle Studien zeigen, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung den Zusammenhalt in unserem Land als schwach oder eher schwach beurteilt.
Das Migros-Kulturprozent fördert zahlreiche Initiativen und Projekte, die den sozialen Zusammenhalt und eine nachhaltige Gesellschaft stärken. Eines seiner Förderangebote auf regionaler Ebene heisst Projektraum. Es führt Menschen zusammen, die sich für ihre Stadt, ihr Dorf oder ihr Quartier einsetzen. Gemeinsam diskutieren, hinterfragen und entwickeln sie an einem Workshop konkrete Projekte und Ideen, die das Zusammenleben fördern. «Solche lokalen Initiativen sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält», sagt Sandro Hodel, Themen- und Projektleiter Soziales bei der Direktion Gesellschaft und Kultur beim Migros-Genossenschafts-Bund.
Macherinnen und Mitdenker
An einem Projektraum teilnehmen kann jede und jeder – entweder als Projektmacherin oder Projektmacher oder als Mitdenkerin oder Mitdenker. Erstere wollen ein lokales Projekt umsetzen oder tun dies bereits, sie stellen ihre Idee und ihre Fragestellung im Workshop vor. Letztere denken mit, bringen sich ein und helfen in Kleingruppen, neue Lösungsansätze zu finden. «Projekträume leben von den unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Kompetenzen der Teilnehmenden», sagt Sandro Hodel.
Wichtig: Im Projektraum werden keine neuen Vorhaben initiiert, es werden bestehende Ideen und Projekte beraten. Ziel ist es, dass die Projektmacherinnen und Projektmacher aufgrund der Rückmeldungen und Tipps einen Schritt weiterkommen und neue Kontakte knüpfen. Damit ein Projektraum stattfinden kann, braucht es mindestens drei lokale Projekte und 15 Teilnehmende, die mitdenken und mitdiskutieren.
«Solche lokalen Initiativen sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält.»
Gemeinschaftsgärten und Integrationsprojekte
Nach einer Pilotphase im Herbst 2023 hat das Migros-Kulturprozent das Förderangebot Soziales im vergangenen Jahr auf- und ausgebaut. Im ersten Durchführungszyklus, der bis Ende 2025 dauert, finden Projekträume in elf Gemeinden und kleineren Städten in der Deutschschweiz, der Westschweiz und im Tessin statt. In den zwölf bereits durchgeführten Projekträumen arbeiteten rund 260 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an 56 Projekten.
Der Fokus der Projekte liegt auf der Förderung des sozialen Zusammenhalts, auf Begegnung und Dialog sowie auf freiwilligem Engagement. So diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Wetzikon (ZH) Möglichkeiten, um den Stadtgarten Färberwiese weiter als Gemeinschaftsgarten zu nutzen. In Kriens (LU) suchte der «Verein zusammen» Ideen, um mittels Theaterprojekten oder Fotoausstellungen der einheimischen Bevölkerung die Perspektiven von Zugewanderten näherzubringen. Und in Glarus stellte eine Gruppe ihr Vorhaben zur Diskussion, den historischen «Hänggiturm» in Ennenda, in dem auch das Anna Göldi Museum untergebracht ist, als Kultur- und Begegnungsort für alle zu öffnen.
Eine Chance für Gemeindebehörden
In Kreuzlingen (TG) stiess der Projektraum im Herbst 2023 auf derart grossen Anklang, dass die Gemeinde unter dem Namen Projektschmiede im Frühjahr 2025 bereits eine zweite Auflage organisierte. «Die Rückmeldungen vom ersten Anlass waren eindeutig», sagt Zeljka Blank-Antakli, die Integrationsdelegierte der Gemeinde. «Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten nicht nur wertvolle Inputs für ihre Projekte, sondern nahmen auch Motivation und konkrete nächste Schritte mit.»
Auch für die Gemeinde lohne sich ein solches Mitwirkungsangebot, ergänzt der zuständige Stadtrat Daniel Moos: «Die Projektschmiede baut Vertrauen auf: Menschen erleben, dass ihre Ideen ernst genommen werden. Zudem ist es für uns eine Chance, nah an den Bedürfnissen der Bevölkerung zu bleiben und Entwicklungen früh zu erkennen.» Die diskutierten Projekte, etwa Ideen für einen lebendigen Dorfplatz, werden nun von Verwaltung, Politik und Bürgerschaft gemeinsam weiterbearbeitet.
Das Migros-Kulturprozent bietet nach der Durchführung eines Projektraums weiterführende Unterstützung: Die Möglichkeiten reichen von kostenlosen Coachings über finanzielle Projektbeiträge bis zur Förderung eines zusätzlichen Vernetzungsanlasses. Denn am Ende sollen die gemeinsam geschmiedeten Projektideen mehr als bloss ein Schrittchen weiterkommen: Sie sollen zu leben beginnen.
Lokale Verankerung ist entscheidend
Projekträume finden in ländlichen Gemeinden sowie kleineren Städten statt und werden von erfahrenen Host-Teams organisiert und moderiert. Die lokale Verankerung und ein Interesse der Gemeinde seien entscheidend für die Kommunikation und die Rekrutierung der Teilnehmenden, sagt Sandro Hodel.