Ein Wischfahrzeug mit Elektroantrieb der Gemeinde Ittigen.

Die Elektromobilität regional denken

04.05.2022
5 | 2022

Elektrisch betriebene Kommunalfahrzeuge oder Ladestationen für die E-Autos der Bevölkerung: Die E-Mobilität beschäftigt die Gemeinden. Mehrere Berner Gemeinden wollen das Thema regional angehen.

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer kaufen sich ein Auto mit Elektroantrieb, die Zahl der E-Bikes nimmt zu, kurz: Die E-Mobilität boomt und entwickelt sich schneller als erwartet. 2021 hatten von den rund 242 000 neu zugelassenen Autos rund 32 000 einen reinen Elektroantrieb. Das entspricht einer Zunahme von 62 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen. Was heisst das für die Gemeinden?

«Wir müssen die E-Mobilität regional denken», findet Bänz Müller, Gemeindepräsident von Wohlen (BE). «Zum Beispiel bei den Ladestationen für E-Autos: Welche Distanz zwischen den Stationen ist sinnvoll? Wo werden diese gebraucht? Das sind Fragen, für die es eine gemeinsame Planung in der Region braucht.» Der Grossraum Bern sei ein Lebensraum, in dem die Gemeindegrenzen nicht sichtbar seien. Für die Bevölkerung zähle das Angebot und nicht, wie viele Ladestationen es in einer einzelnen Gemeinde gibt.

Die Initiative Dekarbonisierung Region Bern engagiert sich in diesem Bereich. Sie ist ein loser Verbund der grösseren Gemeinden im Raum Bern, der sich für den Austausch und die Vernetzung im Bereich Nachhaltigkeit starkmacht. Dabei spielt die Elektromobilität eine wichtige Rolle. Denn der Verkehr ist gemäss einer Statistik des Bundesamtes für Umwelt nach wie vor der grösste Verursacher von CO2-Emissionen in der Schweiz.

Elektrische Kommunalfahrzeuge

Was eine Gemeinde im Bereich Elektromobilität leisten kann, zeigt das Beispiel von Ittigen (BE). Die Gemeinde setzt sich seit vielen Jahren für die Nachhaltigkeit ein und ist seit dem Jahr 2000 mit der ISO-Norm 14001 zertifiziert, einem Industriestandard, der die Gemeinde zu kontinuierlichen Verbesserungen im Umweltbereich verpflichtet. Bereits in den 1990er-Jahren startete die Gemeinde einen Pilotversuch mit gemeindeeigenen Elektrofahrzeugen, gab das Vorhaben damals aber rasch wieder auf. «Es war zu teuer und die Fahrzeuge nicht besonders komfortabel», sagt Gemeindepräsident Marco Rupp.

Jetzt allerdings rüstet die Gemeinde ihre Kommunalfahrzeuge auf Elektroantrieb um. Eine elektrische Wischmaschine ist seit Kurzem in Betrieb, und ein neues E-Kehrichtfahrzeug wird seinen Betrieb später im Jahr aufnehmen.

«Es ist wichtig, dass man das Thema Elektromobilität mit einem klaren Konzept angeht», sagt Marco Rupp. Ittigen hat in mehreren Bereichen Abklärungen getroffen: Was kann die Gemeinde als Arbeitgeberin tun? Wo kann sie Anreize mit günstigen Rahmenbedingungen setzen? Und wie kann sie mit Partnern die Elektromobilität fördern?

So hat sich die Gemeinde entschieden, ihre Fahrzeugflotte umzurüsten. Mit Beschaffungen könne die Gemeinde bereits viel bewirken, glaubt Rupp. Die Anschaffung von Elektrokommunalfahrzeugen sei zwar momentan noch teurer als von ähnlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Aber: «Wenn man nicht nur die Anschaffungskosten ansieht, sondern auch die Betriebskosten, so wird Elektromobilität plötzlich wirtschaftlich interessant.»

«Wenn man nicht nur die Anschaffungskosten ansieht, sondern auch die Betriebskosten, so wird Elektromobilität plötzlich wirtschaftlich interessant.»

Marco Rupp, Gemeindepräsident Ittigen (BE)

In Ittigen fährt überdies seit letztem Jahr ein Ortsbus mit Elektroantrieb. Dieses Projekt ist in Zusammenarbeit mit dem RBS (Regionalverkehr Bern-Solothurn) entstanden, die Gemeinde beteiligte sich finanziell daran, ebenso der Kanton Bern.

Zudem hat Ittigen sein Baureglement dahingehend angepasst, dass die Vorbereitung für Ladestationen für Autos, aber auch E-Bikes in Mehrfamilienhäusern gefördert wird. Für die Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienhäusern sei die Installation einer Ladestation keine grosse Sache, so Marco Rupp. Doch für Mieterinnen und Mieter oder auch Stockwerkeigentümer stellten sich zahlreiche Herausforderungen. Dort sei nämlich auch die Zustimmung der (Mit-)Eigentümer nötig, und es müsse geklärt werden, wer die Kosten trägt.

Die Bemühungen von Ittigen im Bereich Nachhaltigkeit würden sich lohnen, ist Marco Rupp überzeugt. Auch die Bevölkerung trage sie mit und habe beispielsweise dem Kredit für das E-Kehrichtfahrzeug ohne grössere Diskussion genehmigt. «Das Engagement über 25 Jahre zahlt sich aus. Die Einwohnerinnen und Einwohner von Ittigen erwarten von uns, dass wir uns für die Umwelt einsetzen.»

Vorbildfunktion der Gemeinde

Bänz Müller, Marco Rupps Amtskollege aus Wohlen bei Bern, glaubt an die Vorbildfunktion der Gemeinden. «Die Information der Bevölkerung und das Beantworten von Fragen ist eine unserer Hauptaufgaben im Bereich Elektromobilität.» Daneben könne eine Gemeinde natürlich die Fahrzeugflotte umrüsten und günstige Rahmenbedingungen schaffen. Bänz Müller sieht aber auch Grenzen des Engagements: «Sobald viel Geld in die Hand genommen werden muss, wird es schwierig. Da sind die Möglichkeiten einer Gemeinde rasch ausgeschöpft.»

«Die Information der Bevölkerung und das Beantworten von Fragen ist eine unserer Hauptaufgaben im Bereich Elektromobilität.»

Bänz Müller, Gemeindepräsident Wohlen (BE)

Wohlen hat ebenfalls bereits erste Schritte in Sachen Elektromobilität unternommen, und zwar mit einem Car-Sharing-Angebot auf Gemeindeboden. In Wohlen, Hinterkappelen und Uettligen steht je ein Elektroauto bereit, das die Einwohnerinnen und Einwohner nutzen können. Eine Stunde Fahrt kostet fünf Franken. Neben der Ladestation für das Car-Sharing-Angebot hat die Gemeinde eine weitere Ladestation eingerichtet, die Private nutzen dürfen. «Die Elektroautos sind beliebt und werden extrem gut genutzt, sie bleiben kaum einen Tag stehen», so Bänz Müller.

Auch Wohlen will seine Fahrzeugflotte auf Elektroautos umstellen. «Wir sind daran, ein umfassendes Konzept zur Elektromobilität für die Gemeinde zu erarbeiten», sagt Bänz Müller. Denn nicht nur Elektroautos gehörten dazu, sondern auch andere Verkehrsformen, die es nicht gegeneinander auszuspielen gelte, sondern vielmehr aufeinander abzustimmen.

Dafür brauche es auch die Koordination mit den umliegenden Gemeinden. «Wir müssen uns genau überlegen, welche Bedürfnisse wo bestehen», ist Bänz Müller überzeugt. «Laden die Leute ihre Autos und Velos zu Hause auf? Oder am Arbeitsort? Oder besteht womöglich das Bedürfnis nach einer Ladestation an einem Knotenpunkt, wo sie auf den öV umsteigen?» Viele Fragen, die es in den nächsten Jahren zu klären gilt. Denn die Elektromobilität wird immer beliebter.