Ein Blick auf den historischen Kern der Gemeinde Wald zeigt anschaulich die industrielle Vergangenheit wie auch zukünftige Entwicklungen.

Die Gemeinde Wald will wieder Arbeitsplätze schaffen

18.06.2021
6 | 2021

Sieht sich eine Gemeinde mit scheinbar unaufhaltsamen Veränderungen ihres Wirtschaftsstandorts konfrontiert, ist frühes Handeln gefragt. Ein strukturiertes Vorgehen in einem partizipativen Strategieprozess verleiht dabei neuen Schub.

Mitten im idyllischen Zürcher Oberland liegt die Gemeinde Wald mit ihren gut 10000 Einwohnerinnen und Einwohnern. An schönen Wochenenden steigt diese Zahl steil an, befindet sich die Gemeinde doch inmitten des Naherholungsgebiets rund um den Bachtel. Wald verdankt ihrer leicht erhöhten Lage einen Skilift und viel Sonne im Winter sowie zahlreiche Wanderrouten und historische Erlebnistouren im Sommer. Denn die Gemeinde blickt auf eine pionierreiche industrielle Vergangenheit in der Textilherstellung zurück, wovon heute noch zahlreiche Gebäude im Ortskern zeugen. Die Wirtschaftsstruktur hat sich in den vergangenen 100 Jahren stark verändert. Wo in Wald früher in Industriehallen Fäden gespult, Stoffe gebleicht oder Baumwolle gewoben wurden, befinden sich heute hauptsächlich Dienstleistungsbetriebe: von kleinen Geschäften und Start-ups in der Kreativszene über Restaurants mit einem Hotel bis hin zu einem Spa. Noch immer gibt es in der Gemeinde vergleichsweise viele Industriearbeitsplätze, doch sehen sich die Unternehmen sowie auch deren Nachbarn im Dienstleistungssektor mit neuen Herausforderungen konfrontiert. So hat der zunehmend international geführte Standortwettbewerb um innovative Unternehmen und um die besten Talente auch vor Gemeinden wie Wald nicht haltgemacht.

Keine reine Wohngemeinde werden

Die Gemeinde Wald ist trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer etwas periphereren Lage in den Hügellandschaften des Zürcher Oberlands ein beliebter Wohnort. Die Entwicklung der Anzahl Arbeitsplätze kann mit diesem Wachstum jedoch nicht mithalten, und trotz dem Wunsch der Bevölkerung arbeitet ein Grossteil der Einwohnerinnen und Einwohner ausserhalb der Wohngemeinde. Diese Situation kennen viele kleinere und mittelgrosse Gemeinden in der Schweiz, wie unser Vergleich zeigt. Im Auftrag der Gemeinde Wald hat das Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung ZWF der Fachhochschule Graubünden zusammen mit lokalen Vertreterinnen und Vertretern aus Industrie und Gewerbe Perspektiven für den Wirtschafts- und Gewerbestandort Wald entwickelt.

Lokale Experten aus Wirtschaft einbinden

Mit Blick auf ihre zukünftige Entwicklung müssen sich Gemeinden wie auch Regionen heutzutage proaktiv zeigen. Je nach Standort und Wirtschaftsstruktur ist die Ausgangslage unterschiedlich: Einzelne sehen sich mit der drohenden Abwanderung von Personen und Arbeitsplätzen konfrontiert, während andere das neue Wachstum zu kontrollieren und lenken versuchen. Mittels einer eingehenden Stärken-Schwächen-Analyse ergänzt um eine Untersuchung zu zukünftigen Chancen und Risiken erfolgt in einem ersten Schritt eine Standortbestimmung: Wie hat sich die Gemeinde in den letzten Jahren im Vergleich zur Region und ähnlichen Gemeinden entwickelt? Welches sind die Stärken und Schwächen der Gemeinde punkto wirtschaftlicher Tätigkeiten? Mit welchen Herausforderungen sieht sich die Gemeinde in den nächsten Jahren konfrontiert? Darauf aufbauend werden in einem zweiten Schritt verschiedene Strategien und Massnahmen entwickelt, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. Dabei ist die Einbindung lokaler Expertinnen und Experten aus der Wirtschaft zentral. So wird sichergestellt, dass die Probleme an der Wurzel gepackt werden und die entwickelten Lösungsansätze sowohl standortgerecht sind als auch von der lokalen Wirtschaft mitgetragen werden.

Besser als gedacht

Im Fall der Zürcher Oberländer Gemeinde hat die ausführliche Ist-Analyse und der Vergleich mit ähnlichen Gemeinden gezeigt, dass die Gemeinde Wald in vielen untersuchten Bereichen – u. a. Bevölkerungs- und Arbeitsmarktentwicklung, Branchenstruktur, Infrastruktur- und Flächenverfügbarkeit – gut abschneidet. «Wir stehen besser da, als wir zuvor das Gefühl hatten», so Martin Süss, Gemeindeschreiber der Gemeinde Wald. Entwickelt haben die Beteiligten verschiedene Strategien zur Haltung bereits ansässiger Unternehmen, zur Stärkung der Attraktivität für Dienstleistungsunternehmen oder zur Verbesserung der Zusammenarbeit auf behördlicher Ebene zwischen den Unternehmen und der Gemeinde.

Konkrete Vorschläge für die Umsetzung reichen von raumplanerischen Massnahmen (bspw. Versetzung von Fussballplätzen, um zentrales, gut erschlossenes Bauland für Industrie und Gewerbe nutzen zu können) über Arealentwicklungspläne (etwa die Entwicklung des Bahnhofareals und der Kernzone zu einem attraktiven Arbeits- und Einkaufsort) bis zur Erstellung eines Forums, um den Austausch zwischen der öffentlichen Verwaltung und dem Gewerbe (v. a. bezüglich Baugesuchen) zu verbessern.

Bei der Erarbeitung von Wirtschaftsstrategien haben die freiwilligen Teilnehmenden aus der lokalen Industrie- und Gewerbeszene viel Engagement gezeigt. Aus der politischen Sicht der Gemeinde ist es zentral, dieses lokale Interesse zu erkennen und Bottom-up-Initiativen zu unterstützen. So gilt es nun, für den langfristigen Erfolg die in diesem Strategieprozess erarbeiteten Perspektiven in einer «Roadmap Arbeitsplatzentwicklung Wald 2025» zu priorisieren und das konkrete Vorgehen mit Massnahmen und Zwischenzielen festzulegen. Sieht sich eine Gemeinde mit den grossen und scheinbar unaufhaltsamen Veränderungen ihres Wirtschaftsstandorts konfrontiert, ist frühes Handeln gefragt. Ein strukturiertes Vorgehen in einem partizipativen Strategieprozess verleiht dabei neuen Schub und ist eine Möglichkeit, diesem Wandel aktiv zu begegnen.

Marc Herter
Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung ZWF
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachhochschule Graubünden
Peter Moser
Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung ZWf
Professor Fachhochschule Graubünden

Informationen:

«Dank dem partizipativen Prozess kennen wir nun die Gedanken und Haltungen unserer Wirtschaft besser.»

Ernst Kocher, Gemeindepräsident der Gemeinde Wald (ZH)