Flüchtlinge in einer Asylunterkunft in der Innerschweiz.

Die Gemeinden sind das Zuhause der Asylsuchenden

06.03.2025
3 l 2025

70 Prozent der Menschen, die aufgrund von Krieg und Verfolgung ihr Heimatland verlassen, finden Unterschlupf in benachbarten Ländern. Nur ein kleiner Teil dieser Männer, Frauen und Kinder kommt in die Schweiz und stellt hier ein Asylgesuch. Die Gemeinden leisten Ausserordentliches. Dennoch bleibt es eine grosse Herausforderung, den Personen mit Bleiberecht Unterkunft und Perspektive zu bieten.

Die Bewältigung des Asylbereichs ist eine Verbundaufgabe von Bund, Kantonen und Gemeinden. Alle drei Ebenen müssen am selben Strick ziehen und gemeinsam gute Lösungen finden. Eine zentrale Aufgabe des Schweizerischen Gemeindeverbandes (SGV) ist es, Bund und Kantone unermüdlich auf die tragende Rolle der Gemeinden aufmerksam zu machen und ihren Platz am Diskussions- und Verhandlungstisch immer wieder einzufordern. Dabei vertritt er die ganze Vielfalt an Gemeinden in der Schweiz, die je nach Kanton andere Verantwortlichkeiten und Aufgaben im Asylbereich übernehmen.

Vertretung im Asylsonderstab

In manchen Kantonen übernehmen die Gemeinden sehr schnell nach Zuweisung des Kantons die Verantwortung für Unterbringung, Integration und Sozialhilfe – manchmal noch bevor der Asylentscheid feststeht. Diese Gemeinden waren enorm gefordert, als Russland im Jahr 2022 die Ukraine überfiel und Tausende Menschen innerhalb einer sehr kurzen Zeit in die Schweiz flüchteten. Der SGV hat die Gemeinden während dieser herausfordernden Zeit in einem vom Bund einberufenen Sonderstab vertreten, die Schwierigkeiten der Gemeinden aufgezeigt und Forderungen eingebracht – etwa dass der Bund sich unverzüglich an den Kosten der Integrationsförderung beteiligen muss.

Auch aktuell setzt sich der SGV in verschiedenen tripartiten Gremien dafür ein, dass die Gemeinden ihre Aufgaben unter guten Rahmenbedingungen wahrnehmen und ihre Ressourcen zielführend einsetzen können. Eine der Hauptforderungen des SGV ist, dass der Bund die Pendenzen bei der Bearbeitung von Schutzgesuchen von Ukrainerinnen und Ukrainern rasch abbaut und die Gemeinden damit entlastet. Aktuell sind rund 22 000 Personen ohne Asylentscheid in einer Warteschlaufe. Das verschärft die Unterbringungsproblematik zusätzlich.

Mitarbeit an «Gesamtstrategie Asyl»

Der SGV ist sich aber auch der Rolle der Gemeinden bewusst, die erst in einer zweiten Phase die Fallführung für Personen des Asylbereichs übernehmen. Denn unabhängig davon, welche Aufgaben den Gemeinden je nach Kanton übertragen wurden, teilen sie eine entscheidende Gemeinsamkeit: Die Gemeinde ist der Ort, an dem sich Personen des Asylbereichs tagtäglich aufhalten. Selbst wenn die Personen in einem vom Bund geführten Bundesasylzentrum oder einer vom Kanton geführten Nothilfeunterkunft leben, bleiben viele Herausforderungen bei den Gemeinden, in denen diese Zentren stehen. Hier begegnen sie Nachbarn, tätigen Einkäufe, verbringen ihre Freizeit und nutzen den öffentlichen Verkehr. Personen des Asylbereichs beanspruchen die lokalen Regelstrukturen wie Schulen und Spitäler, und sie sind auch dann noch in den Gemeinden, wenn die finanzielle Unterstützung durch den Bund und die Kantone nach fünf beziehungsweise sieben Jahren abläuft und sie aus vielen Statistiken verschwinden. In den Gemeinden sind Personen des Asylbereichs Teil eines sozialen Gefüges und leben Integration im Alltag. Oder sie stehen zuschauend am Rande davon und fordern die Aufnahmegesellschaft heraus.

«Trotz oft begrenzter Ressourcen leisten die Gemeinden Ausserordentliches und tragen viel dazu bei, dass Personen des Asylbereichs an unserer Gesellschaft teilhaben können.»

Silvana Menzli, Fachverantwortliche der Politikbereiche Migration und Integration, Schweizerischer Gemeindeverband

Der SGV bringt diesen Umstand immer wieder in die strategische und politische Diskussion ein und zeigt den Handlungsbedarf auf, der sich in den Augen der Gemeinden daraus ergibt. So konnte er gemeinsam mit den Kantonen und Städten auf einen Relaunch der von Bundesrat Beat Jans einberufenen «Gesamtstrategie Asyl» hinwirken, die auch die Perspektiven der kommunalen Ebene einschliessen wird. Bis Sommer 2025 soll eine vertiefte Analyse des Asylbereichs inklusive Anwendung des Schutzstatus S auf allen drei Staatsebenen vorgenommen werden. Denn obwohl das Asylwesen in der Schweiz grundsätzlich gut funktioniert, gibt es gerade auch mit Blick auf den andauernden Krieg in der Ukraine neue Herausforderungen und Potenzial für Justierungen. So etwa bei der Schwankungstauglichkeit des Systems. Der SGV setzt sich dafür ein, dass der Bund in Zeiten überdurchschnittlich vieler Asylgesuche auch eine Mehrzahl an Asylsuchenden unterbringen kann und dass das Mehr an Unterbringungskapazität nicht allein auf die Gemeinden fällt.

Gemeinden leisten Ausserordentliches

Nebst der Thematisierung konkreter Forderungen vonseiten der Gemeinden macht der SGV auch darauf aufmerksam, dass nicht nur in den Städten, sondern auch in den mittleren und kleinen Gemeinden der Schweiz Menschen mit schwierigen Fluchtgeschichten ankommen und dort ihr Leben einrichten. Trotz oft begrenzter Ressourcen und komplexer rechtlicher Voraussetzungen leisten die Gemeinden Ausserordentliches und tragen viel dazu bei, dass Personen des Asylbereichs an unserer Gesellschaft teilhaben können und für die Schweiz zur Chance werden. Dieses Wirken der Gemeinden muss Wertschätzung auf allen Ebenen finden.

Silvana Menzli
Schweizerischer Gemeindeverband
Fachverantwortliche der Politikbereiche Migration und Integration