Immer mehr Gemeinden können Stellen nicht besetzen und sind deshalb auf Springerinnen und Springer angewiesen, welche die Lücke kurzfristig überbrücken.

«Die Nachfrage nach Springern ist riesig»

13.03.2023
3 l 2023

Gemeinden, die händeringend nach Personal suchen: David Ammann begegnet ihnen immer häufiger. Der ausgebildete Gemeindeschreiber ist als Partner beim Beratungsunternehmen Federas für den Personalausleih zuständig.

David Ammann, Federas betreibt einen Personalausleih. Sie können Personen aus einem Springerpool rekrutieren, wenn es in Gemeinden zu Personalausfällen kommt. Wie ist die Nachfrage derzeit?

David Ammann: Die Nachfrage nach Springerinnen und Springern ist riesig. In den letzten fünf bis sechs Jahren gab es immer mehr Anfragen; und seit der Pandemie ist deren Zahl durch die Decke gegangen. Im vergangenen Herbst haben wir festgestellt, dass wir leider jede zweite Anfrage ablehnen müssen. Wir können die Nachfrage bei Weitem nicht decken.

Weshalb suchen die Gemeinden nach Springerinnen und Springern?

Da gibt es verschiedene Gründe. Zum einen, wenn Angestellte ausfallen, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, wegen eines Mutterschaftsurlaubs oder unbezahlten Urlaubs. Zum anderen, wenn es Restrukturierungen gibt und eine Überbrückung gesucht wird, bis eine Stelle neu ausgeschrieben werden kann. Immer häufiger jedoch auch, weil Stellen nicht besetzt werden können. Es gibt Gemeinden, die fragen nach einem Abgang gleich nach einem Springer, weil sie bereits wissen, dass es schwierig wird, die Stelle zu besetzen.

In welchen Bereichen ist der Personalausleih besonders gefragt?

In Bauverwaltungen, im Finanz- und Sozialbereich ist die Nachfrage besonders gross. In den Bauverwaltungen braucht es sehr spezifische Kenntnisse, gleichzeitig ist die Bautätigkeit in der Schweiz enorm hoch. Und es ist nicht unbedingt ein dankbarer Job: Wenn es um Baubewilligungen geht, muss man Polizist spielen. Im Finanzbereich ist es ähnlich, auch dort braucht es sehr spezifische Kenntnisse, und die Arbeitslast kann hoch sein, wenn zum Beispiel der Abschluss ansteht. Der muss einfach gemacht werden. Im Sozialbereich gibt es eine sehr hohe Fluktuation. Das heisst, viele Fachkräfte wechseln die Stelle häufig. Daher gibt es viele Abgänge, aber es ist auch einfacher, neue Leute oder Springerinnen und Springer zu finden.

Bemerken Sie den Fachkräftemangel auch bei der Suche nach Springerinnen und Springern?

Die Zahl in unserem Pool ist über die Jahre mit rund 90 stabil geblieben, aber wir können damit die momentane Nachfrage nicht decken. Mir ist es sehr wichtig, zu betonen, dass wir nicht aktiv Springerinnen und Springer rekrutieren. Wir werben den Gemeinden kein Personal ab. Die Personen, die wir beschäftigen, sind meist solche, die aus verschiedenen Gründen keine Festanstellung anstreben und flexibel arbeiten wollen. Mit dem Personalverleih können wir dafür sorgen, dass sie der Branche erhalten bleiben. Und manchmal kommt es auch vor, dass es einer Springerin oder einem Springer so gut gefällt in einer Gemeinde, dass sie oder er dortbleibt.

Wo sehen Sie persönlich die Gründe für den Fachkräftemangel?

Ich frage mich, ob die Anstellungsbedingungen der öffentlichen Hand mit jenen in der Privatwirtschaft Schritt halten können. Damit meine ich nicht den Lohn – der ist in den meisten Fällen absolut gut. Sondern auch andere Faktoren wie Ferien, Arbeitsumfeld, Flexibilität …

Sind im Zuge der Covid-Pandemie nicht auch die Gemeindeverwaltungen flexibler geworden, gerade in Bezug auf Homeoffice?

Die Pandemie hat durchaus einen Schub gebracht. Es gibt aber auch Verwaltungen, die Homeoffice gleich wieder den Riegel geschoben haben, nachdem die Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie aufgehoben worden waren. Wenn Flexibilität aus Prinzip nicht geht, ist es schwierig, gute Leute zu finden.

Was ist mit demografischen Faktoren? Langjährige Angestellte, die in Pension gehen und nicht ersetzt werden können?

Einen Generationenwechsel gibt es derzeit tatsächlich. Allerdings bilden viele Gemeinden auch Lehrlinge aus. Diese verlassen die Branche aber oft nach dem Lehrabschluss. Weshalb das so ist, ist mir ein Rätsel, und auch anderen Branchenkennern. Die Arbeit in einer Verwaltung ist sehr sinnhaft, ein Dienst an der Gesellschaft. Vielleicht liegt es am Image – obwohl es viele Imagekampagnen gibt, die das ändern wollen. Es ist sicher wichtig, dass man in diesem Bereich weitere Bemühungen unternimmt.

«Ich beobachte, dass jene Gemeinden, die gut organisiert sind und eine gute Kultur pflegen, weniger Probleme haben, Personal zu finden.»

David Ammann, stv. Geschäftsführer Federas

Wo sehen Sie Lösungsansätze, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?

Politik und Verwaltungskader sind gefordert, an den Rahmenbedingungen zu arbeiten. Es braucht klare und sinnvolle Strukturen, und eine Aufgabentrennung zwischen Politik und Verwaltung. Im Arbeitsalltag braucht es eine gute und gesunde Kultur und flexible Arbeitsbedingungen, die Teilzeit und Homeoffice ermöglichen. Ich beobachte, dass jene Gemeinden, die gut organisiert sind und eine gute Kultur pflegen, weniger Probleme haben, Personal zu finden. Herausfordernd kann es insbesondere für kleinere Gemeinden sein, wo sich die Verantwortung auf wenige Schultern verteilt. Hier ergibt es Sinn, die Strukturen zu überprüfen – und damit meine ich nicht unbedingt Fusionen, sondern die vermehrte Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden.

Zur Person

David Ammann hat bei der Gemeindeverwaltung von Rüti (ZH) eine KV-Lehre absolviert. Später hat er Betriebsökonomie studiert und das Gemeindeschreiberdiplom erlangt. Er arbeitete unter anderem als Gemeinde- beziehungsweise Stadtschreiber von Dürnten (ZH) und Dübendorf (ZH). Heute ist er stellvertretender Geschäftsführer und Partner des Beratungsunternehmens Federas und dort unter anderem für den Personalausleih zuständig.

Nadja Sutter
Chefredaktorin «Schweizer Gemeinde»