Die Natur blüht am Eisengrubenweg in Zofingen (AG).

Die Natur hat auch in Siedlungen Platz

10.09.2025
9 l 2025

Die Stadt Zofingen gewinnt den Aargauer Naturpreis 2025: Sie konzipierte gemeinsam mit der Bevölkerung zwei Strassenaufwertungen, die das Schwammstadtprinzip konsequent umsetzen. Im Zuge von Werkleitungsarbeiten in der Oberen Mühlemattstrasse sowie im Eisengrubenweg werden nach Fertigstellung der Arbeiten insgesamt rund 2000 Quadratmeter Belagsflächen entsiegelt und naturnah bepflanzt sein. Durch die Aufwertungen versickert Oberflächenwasser, dadurch entlasten sie die Kanalisation.

Bereits zum zweiten Mal hat der Kanton Aargau den Naturpreis im Rahmen der Vernetzungsplattform Natur 2030 vergeben. Passend zum vorgegebenen Thema «Biodiversität und Klimaanpassung» wurden 29 Projekte eingereicht, vier kamen in die engere Auswahl, gewonnen hat die Stadt Zofingen mit zwei beispielhaften Strassenaufwertungen. «Ausschlaggebend für den Sieg ist die gelungene Kombination von Klimaanpassung mit Beschattung sowie von zukunftsfähigem Wassermanagement mit der Förderung der Biodiversität», teilte der Kanton mit. Mit dem Gewinn des kantonalen Naturpreises erhält die Stadt Zofingen zweckgebunden für naturnahe Projekte 15 000 Franken. Robert Weishaupt, Stadtrat von Zofingen, dazu: «Der Sieg zeigt auf, dass die Natur in der Siedlung Platz hat. Der Preis motiviert uns, mehr solche Projekte umzusetzen.»

Bei beiden Projekten wurde die Bevölkerung von Anfang an in einem partizipativen Prozess miteinbezogen. «Wir bezogen die Anwohnenden mit ein, da Quartierstrassen primär ihnen dienen», sagt Jonas Stöckli, Projektleiter Tiefbau von Zofingen. Das Mitspracherecht der Bevölkerung diene nicht nur der Identifikation mit den Projekten, sondern reduziere auch Einsprachen, sodass die Umsetzung zeitnah erfolgen könne.

«Wir bezogen die Anwohnenden mit ein, da Quartierstrassen primär ihnen dienen.»

Jonas Stöckli, Projektleiter Tiefbau, Zofingen (AG)

Bundesgelder sind vorhanden

Mitte August dieses Jahr begannen die ausgezeichneten Arbeiten an der Oberen Mühlemattstrasse. Die ursprünglich als Kantonsstrasse vorgesehene 11,5 Meter breite Strasse wird infolge Werkleitungsarbeiten erneuert. Sie war völlig überdimensioniert und wird deshalb auf 5,2 Meter verschmälert, entsiegelt und begrünt.

Um herauszufinden, wie die freien Flächen genutzt werden sollen, hat der Stadtrat in einem zweijährigen Prozess gemeinsam mit interessierten Anwohnenden das Quartierentwicklungsprojekt «Mer gstaute öisi Stross!» umgesetzt. Resultat des partizipativen Prozesses ist eine Begegnungszone mit Tempo 20, wo Fussgängerinnen und Fussgänger auf der gesamten Strassenfläche vortrittsberechtigt sind. Die nicht mehr benötigten Trottoirs werden entsiegelt. Die so frei werdende, rund 1300 Quadratmeter grosse Fläche wird naturnah bepflanzt.

In den rund sechs Meter breiten Grünstreifen entstehen Blumenwiesen und Ruderalflächen. Bäume sowie einheimische Sträucher fördern die Biodiversität und kühlen künftig die Umgebung ab. In den entstehenden Freiflächen werden eine Pétanque-Bahn, ein Kindererlebnisweg, ein Quartierplatz, sechs bewirtschaftete öffentliche Parkplätze, zwei behindertengerechte Bushaltestellen und eine unterirdische Entsorgungsstelle realisiert, schreibt die Stadt Zofingen auf ihrer Website.

Um Garagen und Keller umliegender Privatgrundstücke vor Oberflächenwasser zu schützen, kann Regenwasser nach der Aufwertung in Mulden und Tiefbeete fliessen – typische Schwammstadtelemente. «Beim Projektstart war uns der Begriff Schwammstadt noch nicht bekannt. Aufgrund des Hochwasserereignisses im Jahr 2017 waren aber die Entkoppelung der Strassenentwässerung von der Kanalisation und das Versickern des Strassenabwassers bereits angedacht», sagt Jonas Stöckli.

Im Agglomerationsprogramm des Bundes sind Gelder für Verkehrsinfrastrukturmassnahmen vorhanden. «In Zofingen wird damit der Rückbau beziehungsweise die Entsiegelung und Begrünung der Oberen Mühlemattstrasse mitfinanziert», sagt Tobias Vogel vom Agglomerationsprogramm AareLand.

Schwammstadtprinzip funktioniert

Die andere ausgezeichnete Aufwertung beim Eisengrubenweg ist seit zwei Jahren abgeschlossen. Das Ressort Tiefbau der Gemeinde nutzte Werkleitungsarbeiten, um in einer Tempo-30-Zone rund 600 Quadratmeter Strassenraum zu entsiegeln und zu verschmälern. Auch hier durfte die Bevölkerung mitreden: In einem Online-Voting stimmten 72 Prozent der Teilnehmenden für die Grünste von fünf Varianten. So wurde auf einer Länge von 300 Metern ein zwei Meter breiter Grünstreifen angelegt.

In den zehn Pflanzinseln gedeihen nun 21 standortgerechte und klimaresistente Bäume wie Traubeneichen und Winterlinden. Die Strasse wurde von siebeneinhalb Meter auf etwas unter fünfeinhalb Meter verschmälert. Die neu geschaffenen Grünflächen nehmen nun Regenwasser von oben und von der Strasse auf. Somit wird die Kanalisation – insbesondere bei Starkniederschlägen – entlastet. «Die vergangenen Starkniederschläge zeigten, dass das Schwammstadtprinzip funktioniert», sagt Jonas Stöckli.

Weitere Informationen

Im Naturama Aarau findet am 16. September 2025 das Gemeindeseminar «Das Potenzial der Schwammstadt» statt: www.naturama.ch/natur/fuer-gemeinden/gemeindeseminare

Sarah C. Sidler
Freie Mitarbeiterin