Digitale Transformation: Nun gehts um die Ressourcen
Die digitale Transformation scheint auf der Leitungsebene der Gemeinden angekommen zu sein. Neu richtet sich der Fokus stärker auf die dafür benötigten personellen und finanziellen Ressourcen. Diese werden als eher skeptisch beurteilt.
Die digitale Transformation gehört neben den Themen Infrastruktur, Finanzen, IT-Sicherheit und Energie zu den fünf Topthemen der Gemeinden. Erfreulicherweise scheint in den letzten Monaten eine positive Meinungsbildung zur Digitalisierung beziehungsweise zur digitalen Transformation stattgefunden zu haben, insbesondere auf der Führungsebene der Gemeindeverwaltungen. Dennoch sehen sich die Gemeinden bei der Umsetzung nach wie vor selbstkritisch. Nur ein Drittel sieht sich eher als Vorreiter, zwei Drittel sehen sich eher als Nachzügler. Von den Gemeinden, die sich (eher) als Vorreiter einschätzen, haben fast 60% eine Stelle (Person/Gremium) für die ressortübergreifende Koordination benannt. Jede dritte dieser Gemeinden hat bereits eine übergreifende Digitalisierungsstrategie definiert. Bei den Gemeinden, die sich eher als Nachzügler einschätzen, ist dies nur in 14% der Fall.
Hohe Rücklaufquote, starke zentrale Beweggründe
Die diesjährige Umfrage zeichnet sich wiederum durch eine hohe Rücklaufquote von 34% aus (736 Beteiligungen von 2179 Gemeinden). Die Ergebnisse können somit als repräsentativ bezeichnet werden. Der statistische Fehler liegt bei ± 2,95% (siehe Forschungsdesign im Kasten). Wie bereits in den ersten beiden Befragungen 2021 und 2022 bewerten die Gemeinden die digitale Transformation mit rund 75% eindeutig als Chance (max. 100%) und nicht als Gefahr. Dieser gute Wert liegt allerdings etwas niedriger als in den Vorjahren, was möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass Themen der Datensicherheit bzw. des Datenschutzes die «Euphorie» etwas gedämpft haben.
Die zentralen Beweggründe (Nutzen) der digitalen Transformation sind identisch mit den Vorjahren (siehe Abb. 1).
Obwohl die digitale Transformation ein komplexer Prozess ist, scheint die Ausrichtung auf übergeordnete Ebenen (insbesondere Bund) sowie die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden wenig ausgeprägt. Es ist jedoch eine gute Bereitschaft zu erkennen, die Anforderungen der Kantone oder des Bundes zu erfüllen. So dürften vor allem Gemeinden mit beschränkten Ressourcen zur Zusammenarbeit bereit sein, wenn übergeordnete Initiativen mit konkreten Lösungsvorschlägen vorliegen.
Weiterhin grosser Handlungsbedarf
An der Umfrage haben vor allem Gemeinde- und Stadtschreiberinnen und -schreiber teilgenommen (66%), gefolgt von Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinde- und Stadtpräsidien (13%). Dementsprechend fokussieren die wichtigsten Massnahmen auf die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse, die IT-Sicherheit, digitale Dienstleistungen für die Einwohnerinnen und Einwohner sowie die Wirtschaft, die Weiterbildung der Mitarbeitenden, den Kulturwandel und die Organisationsentwicklung (siehe Abb. 2). Damit werden neben der Prozessebene auch die Struktur- und die Kulturebene adressiert.
Die Erfolgsfaktoren für die digitale Transformation
Werden die Gemeinden aufgefordert, Erfolgsfaktoren für die Digitalisierung in eine Reihenfolge zu bringen, so wird mit Abstand an erster Stelle der «klare politische Wille» genannt (wie 2022), gefolgt von – auf gleicher Ebene – einer «offenen Kultur der Verwaltung und ihrer Mitarbeitenden» sowie finanziellen und personellen Ressourcen (ähnlich wie 2022, siehe Abb. 3).
Entscheidend sind also Haltung und Einstellung sowie die Ressourcenlage. Nicht aber technische Voraussetzungen oder Kompetenzen. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass die Unterstützung durch die Verwaltungsleitung mit 64% Erfüllungsgrad am höchsten bewertet wird.
Etwas weniger gut erfüllt sind die Aspekte der Cybersicherheit sowie die Aspekte einer notwendigen offenen Kultur und eines klaren politischen Willens zur Digitalisierung. Das Vorhandensein ausreichender finanzieller und personeller Ressourcen wird deutlich geringer eingeschätzt.
Es stellt sich die Frage, inwieweit die weichen Erfolgsfaktoren (offene Kultur und klarer politischer Wille sowie Unterstützung durch Verwaltungsspitze = Haltung) die harten Faktoren (ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen) kompensieren können.
CO2-Ziele: In den Gemeinden bisher kaum Thema
Seit Anfang 2022 gelten in der Schweiz neue Regeln für Grossunternehmen zum besseren Schutz von Mensch und Umwelt. Damit verbunden ist eine Publikationspflicht, in der – verbunden mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 – auch der Umgang mit CO2-Emissionen thematisiert wird. Diese aktuelle Entwicklung war für Myni Gmeind und den Gemeindeverband eine Sonderfrage wert. Auf die Frage: Hat Ihre Gemeinde ein Klimaschutzziel formuliert?, antworteten im Durchschnitt rund 75% negativ (siehe Abb. 4). Nur eine von fünf Gemeinden hat zum Beispiel in Bezug auf die CO2-Netto-null-Zielsetzung ein Konzept verabschiedet (6%) oder ein solches zumindest in Planung (13%). Die Gemeinden liegen diesbezüglich also hinter der Privatwirtschaft zurück. Affaire à suivre.
Wie können Gemeinden die Hindernisse überwinden?
Die Gemeindebefragungen liefern wertvolle Hinweise für die Ausgestaltung von Unterstützungsangeboten. So entspricht zum Beispiel das Weiterbildungsangebot «Digital-Pionier» für Gemeinden offensichtlich den Bedürfnissen der Gemeinden. Der zweitägige Kurs wurde seit seiner Lancierung im Jahr 2022 mehrfach erfolgreich durchgeführt und findet das nächste Mal am 25. und 26. Oktober 2023 in Bern statt (www.digitalpionier.ch).
Nachdem die Notwendigkeit einer digitalen Transformation und damit einer effektiveren und effizienteren Gestaltung von Verwaltungsprozessen breit anerkannt ist, stellen sich nun weitere Fragen: Wie kommen Gemeinden zu den dafür notwendigen personellen Ressourcen und finanziellen Mitteln? Welche Aufgaben erfüllen sie als Kernprozesse selbst und welche mit Partnern? Und wie ist eine Fokussierung und Etappierung möglich, damit die Ressourcen ausreichen?
Die digitale Transformation bleibt ein Brennpunktthema in der aktuellen Gemeindeentwicklung. Wir danken allen Gemeinden für die Teilnahme an dieser Befragung und den Expertinnen und Experten aus dem Gemeindeumfeld für ihre Unterstützung (siehe Kasten). Wir sind gespannt, wie sich die digitale Transformation weiter entwickeln wird und wie die damit verbundenen Ressourcen- und Kooperationsfragen gelöst werden.
Zur Umfrage
Diese Studie wurde an der «Suisse Public Smart» am 8. Juni 2023 in Bern präsentiert. Die detaillierten Resultate sind auf www.mynigmeind.ch/umfrage publiziert. Sie wurde finanziell durch Energie Schweiz, Swisscom, Post, Transfer Plus und die Digitale Verwaltung Schweiz (DVS) unterstützt.
Studiensteckbrief:
Trägerschaft/Durchführung: Verein «Myni Gmeind», «Schweizerischer Gemeindeverband», «Transfer Plus AG» Markt- und Meinungsforschung
Zeitraum: Mai 2023
Methode: Computer-assisted Web-Interview (CAWI)
Stichprobe 736 (entspricht rund einem Drittel aller 2179 Gemeinden der Schweiz)
Statistischer Standardfehler: maximal ± 2,95 Prozentpunkte bei einem Konfidenzintervall von 95%.