Philippe Jenny im Innenhof des Freiburger Bürgerspitals. In dem Gebäude ist das Amt für Informatik untergebracht.

«E-Government braucht ein gutes Fundament»

13.05.2022
5 | 2022

Die Meldung eines Umzugs online ermöglichen oder die Prozesse innerhalb der Verwaltung mit digitalen Mitteln vereinfachen: Mit diesen Themen beschäftigt sich Philippe Jenny, Leiter des Amts für Informatik der Stadt Freiburg. Ein Gespräch über Chancen und Risiken von E-Government.

«Zunächst einmal: Digitalisierung und E-Government sind nicht dasselbe», sagt Philippe Jenny zu Beginn des Gesprächs mit der «Schweizer Gemeinde». Er leitet seit 2012 das Amt für Informatik der Stadt Freiburg – und hat in dieser Funktion die rasante Entwicklung in dem Bereich in den letzten Jahren hautnah miterlebt. «Wenn wir von Digitalisierung sprechen, meinen wir vor allem die Systeme innerhalb der Verwaltung, wie Infrastruktur, Software oder Datenbanken, die wir zum Arbeiten brauchen.»

E-Government hingegen meine die rein digitale Abwicklung von Dienstleistungen. «Da wird nichts mehr ausgedruckt und von Hand ausgefüllt», betont Jenny. Ziel sei es, dass die Systeme selbst miteinander kommunizierten und Informationen verarbeiteten. «Ein Formular auf einer Homepage ausfüllen, das nachher in einem Amt ausgedruckt und weiterbearbeitet wird, das ist kein E-Government.» Davon könne man erst sprechen, wenn durch eine Anfrage Prozesse innerhalb der Systeme ausgelöst würden. Das gilt sowohl für Anfragen aus der Bevölkerung – also von extern – als auch für Abläufe innerhalb der Verwaltung selbst.

Pilotgemeinde für eUmzug

Die Stadt Freiburg steckt mitten in der Entwicklung des E-Governments. Philippe Jenny nennt ein Beispiel: die Bezahlung der Telefonrechnungen der rund 600 Angestellten der Stadtverwaltung. Früher war das eine komplexe Angelegenheit mit stapelweise Rechnungen, die rund zwei Wochen in Anspruch nahm. Das Amt für Informatik entwickelte eine Methode, um die Rechnungen zu konsolidieren und gesammelt an die Buchhaltung weiterzuleiten. Zwei Wochen Arbeit sind gespart.

Freiburg ist zudem eine von acht Pilotgemeinden im Kanton, die derzeit den sogenannten eUmzug testen. Das Programm ermöglicht den Einwohnerinnen und Einwohnern die Meldung eines Umzuges online. «Wir sind am 1. Februar gestartet, haben das Angebot aber noch nicht besonders bekannt gemacht.» Der Grund: «Wir wollen zunächst testen, wie es läuft, und müssen noch einige Abläufe verbessern. Noch läuft nämlich im Hintergrund nicht alles rein digital.» Erst wenn das System reibungslos funktioniere, erfolge die aktive Bewerbung.

«Vertrauen ist zentral in der IT. Datenschutz ist ein sensibles Thema, und gerade als öffentliche Hand müssen wir hier besonders vertrauenswürdig sein.» Der eUmzug werde jedenfalls rege genutzt, die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer steige kontinuierlich an. Konkrete Zahlen möchte Philippe Jenny aber noch nicht nennen. «Dafür ist es zu früh.»

Viele verschiedene Dienstleistungen

Philippe Jenny hört ab und zu Kritik, weshalb dieser oder jener Dienst noch nicht online verfügbar sei. «Die Sache ist die: E-Government ist eine sehr komplexe Angelegenheit.» Und dies besonders für eine Gemeinde. «Wenn Sie ein Unternehmen sind, bieten sie Dienstleistungen in einem Bereich an. Gemeinden – egal ob sie 40 oder 400 000 Einwohnerinnen und Einwohner haben – bieten immer Dienstleistungen in zahlreichen verschiedenen Bereichen an.» Da gebe es die Abfallentsorgung, das Wassermanagement, die Finanzverwaltung, die Schulen und vieles mehr. Das mache die Sache komplex und bedürfe vieler verschiedener, sehr spezifischer Lösungen.

«Das Ziel von E-Government ist es, die Arbeit zu vereinfachen und Prozesse zu industrialisieren.»

Philippe Jenny, Leiter des Amts für Informatik der Stadt Freiburg

Die Herausforderung sei, die Abläufe und Bedürfnisse all dieser verschiedenen Bereiche zu kennen und für sie massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. «Dies bedarf zunächst sehr viel Arbeit innerhalb der Verwaltung, bevor wir überhaupt dazu kommen, virtuelle Angebote für die Bevölkerung anzubieten», sagt Philippe Jenny. «E-Government braucht ein gutes Fundament.» Es gelte, Schritt für Schritt vorzugehen, und erst weiterzugehen, wenn eine Lösung sich bewährt habe.

Zusammenarbeit ist zentral

Für Philippe Jenny ist die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und dem Kanton zentral. Er nennt wiederum ein Beispiel: «Wir haben ein digitales Reservierungssystem für Turnhallen. Sämtliche Prozesse laufen online.» Die Stadt Freiburg habe dafür das System von einer anderen Stadt übernehmen können. «Die Zusammenarbeit im öffentlichen Sektor hat zum Ziel, Entwicklungskosten zu teilen. Wir übernehmen also nur einen Teil der Entwicklungskosten; die Kosten für Installation und Wartung zahlen wir jedoch voll.»

Dass Gemeinden zusammenarbeiteten, sei sinnvoll, denn sie seien alle mit denselben Herausforderungen konfrontiert und seien auf diesem Gebiet keine Konkurrentinnen. Wenn gute Lösungen geteilt würden, könnten Kosten gespart werden – was wichtig sei, denn schliesslich handle es sich um Steuergelder.

Seit 2018 arbeiten die Freiburger Gemeinden und der Kanton im Projekt DIGI-FR eng zusammen. Dies empfindet Philippe Jenny als sehr fruchtbar. «Ich spüre vom Kanton Freiburg einen grossen Willen, mit den Gemeinden zusammenzuarbeiten.» Es sei wichtig, dass die Lösungen von Kanton und Gemeinden kompatibel seien – das wiederum mache es einfacher für die Gemeinden.

Niemanden abhängen

Der analoge Gemeindeschalter dürfte aber trotz den aktuellen Entwicklungen noch lange nicht ausgedient haben. «Nicht alle Menschen haben ein Smartphone oder Zugang zum Internet. Wir dürfen sie nicht abhängen.» Deshalb bleibe der klassische Schalter bestehen. «Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Arbeit am Schalter darauf spezialisiert, Leuten zu helfen, die Schwierigkeiten haben, sich zurechtzufinden.»

Nicht nur diese Arbeit dürfte sich durch das E-Government verändern, sondern auch jene zahlreicher Verwaltungsangestellter. «Das Ziel von E-Government ist es, die Arbeit zu vereinfachen und Prozesse zu industrialisieren.» Darum brauche es unter Umständen weniger Personal für eine gewisse Aufgabe. Die Gemeinden trügen die Verantwortung für dieses Personal und müssten die frei werdenden Ressourcen sinnvoll einsetzen. Philippe Jenny betont: «Dafür braucht es einen Plan, auch dies muss bei der Umstellung der Prozesse beachtet werden.»

Pandemie wirkte als Beschleuniger für Telearbeit

Die Stadt Freiburg setzt bereits seit einigen Jahren auf Telearbeit. Philippe Jenny, Leiter des Amts für Informatik der Stadt Freiburg benutzt bewusst das Wort Telearbeit und nicht «Homeoffice»: «Das Ziel ist es nicht nur, dass die Leute sich von zu Hause aus ins System einloggen und arbeiten können, sondern überall – auch wenn sie eine Sitzung auswärts haben, im Zug sitzen oder nur im Büro nebenan sind.» Die Stadt regelte auf den 1. Januar 2020 die rechtlichen Aspekte der Telearbeit – wenige Wochen bevor die Massnahmen gegen die Coronapandemie in Kraft traten. «Als am 13. März die Ankündigung zur Homeoffice-Pflicht kam, hatten wir vier Tage später alles organisiert», so Jenny. Die Pandemie habe als Beschleuniger für die Telearbeit gewirkt und die Akzeptanz von Homeoffice rasant verbessert.