Die Gemeindeverwaltung von Widnau (SG). In dieser Pilotgemeinde können Stimmberechtigte elektronisch abstimmen und wählen.

E-Voting: Die Feuerprobe ist geglückt

10.12.2023
12 l 2023

Bei den eidgenössischen Wahlen konnte in drei Kantonen elektronisch gewählt werden. Die St. Galler Pilotgemeinde Widnau zieht ein positives Fazit: E-Voting bedeutet für sie einen Schritt in die Zukunft.

Über E-Voting diskutiert die Schweiz schon lange. Doch die Sache ist kompliziert: Gerade in einer direkten Demokratie, in der die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger entsprechend Gewicht haben, ist es zentral, dass die Sicherheit gewährleistet ist. Missbräuche des Systems müssen ausgeschlossen werden können, und die Anonymität der Stimmberechtigten muss gesichert sein.

Nach mehreren Versuchen mit E-Voting in den letzten zehn Jahren gab es zuletzt eine Pause. Die Post hatte sich 2019 als einzig verbliebene Systemanbieterin zurückgezogen, und somit war die elektronische Stimmabgabe nicht mehr möglich. Im Frühling 2023 erlaubte der Bund eine erneute zweijährige Versuchsphase mit einem neuen System der Post in den drei Kantonen Basel-Stadt, Thurgau und St. Gallen. In allen drei Kantonen dürfen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ihre Stimme elektronisch abgeben, im Kanton Basel-Stadt zudem Menschen mit Beeinträchtigungen und im Kanton St. Gallen die Einwohnerinnen und Einwohner der fünf Pilotgemeinden Goldach, Kirchberg, Rapperswil-Jona, Vilters-Wangs und Widnau.

Positives Fazit bei der Gemeinde

In Widnau zieht Gemeinderatsschreiberin Katja Hutter ein durchwegs positives Fazit. «Ich finde es sehr spannend, als Pilotgemeinde dabei sein zu dürfen.» Widnau zeichne sich nicht als speziell digitalaffine Gemeinde aus. «Aber wir sind in der Gemeinde sicher offen und innovativ.» So war Widnau bereits bei Pilotversuchen ab 2018 dabei. Das aktuelle System konnte in Widnau schon bei den Abstimmungen im Juni 2023 genutzt werden. Zu den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober kam eine Ersatzwahl des Schulpräsidiums auf kommunaler Ebene hinzu. Kommunale Vorlagen müssen die Pilotgemeinden vorgängig der St. Galler Staatskanzlei melden, damit dafür das E-Voting eingerichtet werden kann.

«Ich finde es sehr spannend, als Pilotgemeinde dabei sein zu dürfen.»

Katja Hutter, Gemeinderatsschreiberin Widnau

Seitens der Gemeinde habe es für den Wahlsonntag am 22. Oktober keine besonderen Vorbereitungsarbeiten gebraucht, so Katja Hutter. Hauptverantwortlich für das E-Voting ist die kantonale Staatskanzlei. Stimmberechtigte, die E-Voting nutzen wollten, mussten sich vorgängig elektronisch anmelden. An- und Abmeldungen sind jederzeit möglich und werden berücksichtigt, wenn sie spätestens acht Wochen vor dem Wahl- oder Abstimmungstag eintreffen. Den Stimmberechtigten, die sich für E-Voting angemeldet haben, wird künftig bei jedem Urnengang das Stimmmaterial sowohl für die elektronische Stimmabgabe wie auch für die bisherigen Kanäle, also Brief und Urne, zugesendet. Auf dem Stimmrechtsausweis sind mehrere Codes aufgeführt, welche die elektronisch Stimmenden beziehungsweise Wählenden beim Abgeben ihrer Stimme zur Kontrolle benötigen.

Die elektronisch abgegebenen Stimmen müssen die Gemeinden nicht auszählen. Die elektronische Urne wird vom kantonalen Stimmbüro entschlüsselt. Anschliessend werden die Ergebnisse automatisch in das Programm «Voting» eingepflegt, mit dem im Kanton St. Gallen die Stimmen bei Abstimmungen und Wahlen erfasst werden.

Immer mehr Personen nutzen E-Voting

Um eine doppelte Stimmabgabe – elektronisch und brieflich oder an der Urne – zu verhindern, scannen die Mitarbeitenden der Gemeinderatskanzlei einen QR-Code im Adressfenster des Stimmcouverts ein. Mit dieser Kontrolle stellen sie fest, ob die Person bereits elektronisch abgestimmt hat. «Dieses Scannen ist der einzige Mehraufwand, den wir als Gemeinde haben», sagt Katja Hutter. Ansonsten sei es eher weniger Aufwand, da die elektronisch abgegebenen Stimmen nicht manuell ausgezählt werden müssten, sondern direkt im System erfasst würden. Bei den Wahlen vom 22. Oktober haben in Widnau 143 Personen das E-Voting genutzt. «Bei solch einer geringen Zahl fällt das noch nicht gross ins Gewicht. Wenn aber vermehrt Personen elektronisch abstimmen, werden wir das im Stimmbüro merken», sagt Katja Hutter. In Widnau sind rund 5900 Personen stimmberechtigt, die Wahlbeteiligung betrug am 22. Oktober rund 45 Prozent.

Bei der Abstimmung am 18. Juni haben in Widnau 83 Personen das E-Voting genutzt. «Wir sehen einen klaren Trend nach oben», so Katja Hutter. Sie fügt an: «Es ist vorerst ein eher geringer Prozentsatz. Das E-Voting muss sich erst noch etablieren.» Sie ist überzeugt, dass die Akzeptanz nach und nach zunehmen wird.

Kanton will E-Voting ausdehnen

Ein positives Fazit zieht auch Benedikt van Spyk, Staatssekretär des Kantons St. Gallen. «Rund 55 Prozent der für E-Voting angemeldeten Stimmberechtigten in den Pilotgemeinden haben E-Voting auch benutzt», schreibt er auf Anfrage. «Wir sind mit dieser Nutzung sehr zufrieden.» In den einzelnen Gemeinden gibt es kaum Unterschiede, in allen hat ein ähnlicher Prozentsatz elektronisch abgestimmt. Insgesamt wurden 2495 Stimmen für die Nationalratswahlen elektronisch abgegeben.

Bei den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern sind im Kanton St. Gallen 63 Prozent der Stimmen elektronisch eingegangen. Darüber freue er sich besonders, so Benedikt van Spyk. «Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen erhalten. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass E-Voting bei den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern einen positiven Einfluss auf die Wahlbeteiligung hat.»

Das System habe am Wahlsonntag einwandfrei funktioniert, und die Sicherheit sei jederzeit gewährleistet gewesen, schreibt der Staatssekretär weiter. Die konsequente und kontinuierliche Verbesserung des Systems sei zentral, dazu führten Bund und Kantone einen gemeinsamen Massnahmenkatalog. Eine wichtige Erkenntnis sei, dass die Stimmberechtigten noch ausführlicher über die sichere Nutzung des E-Votings informiert werden müssten. Eine gemeinsame Informationsplattform der Kantone existiert bereits. Hier seien noch weitere Schritte geplant. Abschliessend sagt Benedikt van Spyk: «Wenn auch die kantonalen Wahlen im Frühjahr 2024 erfolgreich mit E-Voting absolviert werden können, sieht der Kanton St. Gallen eine schrittweise Ausbreitung von E-Voting auf sämtliche Gemeinden im Kanton vor.»

Schweizweit 4480 Stimmen elektronisch abgegeben

Bei den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober 2023 haben schweizweit 4480 Stimmberechtigte ihre Stimme elektronisch abgegeben. Insgesamt 65 319 Personen im In- und Ausland waren für den Versuch der elektronischen Stimmabgabe zugelassen. Davon haben rund 6,86 Prozent diesen Kanal auch genutzt. 61 Prozent der Wahlzettel sind dabei aus dem Ausland elektronisch eingegangen. Das schreibt die Bundeskanzlei auf Anfrage. Sie ist mit dem erstmaligen Einsatz des neuen Systems bei Wahlen zufrieden. Der Bundesrat hat im November zudem den Einsatz von E-Voting im Kanton Graubünden ab 2024 bewilligt. Dort soll E-Voting den In- und Auslandschweizer Stimmberechtigten zur Verfügung stehen. In einer ersten Phase können sich die Stimmberechtigten von sechs Pilotgemeinden für die elektronische Stimmabgabe anmelden.

Die Post, die das E-Voting-System in den Pilotkantonen zur Verfügung stellt, schreibt, dass sie ihr System kontinuierlich weiterentwickelt. Die Sicherheit werde regelmässig geprüft, durch ein internes Team, durch unabhängige Expertinnen und Experten im Auftrag des Bundes sowie im Rahmen eines Community-Programms durch ethische Hacker und Computerspezialistinnen.

Nadja Sutter
Chefredaktorin «Schweizer Gemeinde»