Ein Auto von «Sponti-Car»: Viele Gemeindeangestellte nutzen diesen Mobilitätsdienst.

Ein Auto fährt für alle im Dorf 

21.10.2021
10 | 2021

«mybuxi» und «Sponti-Car» sind zwei grundverschiedene Konzepte, mit den die Mobilität im ländlichen Raum verbessert und ökologischer gestaltet werden soll.

Der private Individualverkehr nimmt in der Schweiz weiterhin zu, laut dem Bundesamt für Statistik von 2000 bis 2019 um stolze 30 Prozent. Aber es findet langsam ein Umdenken statt. Mehr und mehr Menschen, auch in ländlicheren Teilen der Schweiz, möchten auf ein eigenes Auto verzichten. Das kann zum Problem werden, etwa wenn der öffentliche Verkehr ungenügend ausgebaut ist. Verschiedene Projekte, Vereine und Unternehmen nehmen sich des Themas an, zwei von ihnen sind «mybuxi «und «Sponti-Car». Während «Sponti-Car» aus Hombrechtikon im Kanton Zürich in seinen Partnergemeinden elektrische Autos in einem Carsharing anbietet, konzentriert sich «mybuxi» mit Sitz in Liebefeld im Kanton Bern auf elektrisch betriebene Rufbusse, um in den erschlossenen Regionen Einzelfahren zu reduzieren.

Viele ländliche Gegenden wissen, dass ein Bedarf an Mobilitätsalternativen vorhanden ist, sich die Menschen in der Praxis aber erst daran herantasten müssen. «Grundsätzlich schätzen wir in Mosnang das Bewährte und Funktionierende. Ab und zu wagen wir aber auch Neues, Einzigartiges, mit offenem Ausgang», sagt Max Gmür, Präsident der Energiekommission aus dem st.gallischen Mosnang. Es brauche neben dem Bedarf auch Mut und Geduld, wenn man neue Mobilitätskonzepte in einer Gemeinde etablieren möchte. Aber wie können solche Konzepte konkret aussehen?

Elektrisches Carsharing

«Sponti-Car» ist ein Carsharingdienst. Seit 2016 buchen Nutzerinnen und Nutzer über eine App den Wagen ihrer Gemeinde und holen ihn vor Ort am Standplatz ab. Die Nutzung wird im Anschluss an die Fahrt individuell abgerechnet. In diesem Jahr lancierte «Sponti-Car» aber zusätzlich das Projekt «Ein Dorf, ein Auto»: Teilnehmende Gemeinden können so ihren Einwohnerinnen und Einwohnern ein Kontingent an Fahrstunden anbieten. «Eine enge Zusammenarbeit mit den Gemeindeverwaltungen ist Teil des Konzepts», sagt Mark Ritzmann, Geschäftsführer von «Sponti-Car».

Die Gemeinden stellen den Standplatz inklusive Stromanschluss zur Verfügung. «Sponti-Car» kümmert sich um den Rest, von der Reinigung der Fahrzeuge übers Buchungssystem bis zur Abrechnung. Laut Ritzmann werden die «Sponti-Car»-Autos häufig von Angestellten der Gemeindeverwaltung genutzt, das Angebot richtet sich aber an alle Einwohnerinnen und Einwohner eines Dorfes. Rund 35 Gemeinden in der Deutschschweiz und in Liechtenstein nutzen zurzeit «Sponti-Car», im Pandemiejahr 2020 kamen mehr als 230’000 elektrisch gefahrene Kilometer zusammen. «Gemeinsam haben wir mit den Gemeinden über 65 Tonnen CO₂ eingespart und zusammen mit myclimate kompensiert», so Ritzmann.

Mit Rufbussen für eine bessere Mobilität

Anstelle des Individualverkehrs zielt «mybuxi» mit seinen Rufbussen auf einen Fahrdienst ab. Der Name setzt sich aus «Bus» und «Taxi» zusammen, erklärt der Geschäftsführer Andreas Kronawitter. «Man bestellt es wie ein Taxi, aber fährt zusammen wie im Bus.» Der Verkehr habe mit einem Drittel einen hohen Anteil am CO₂-Ausstoss und am Energieverbrauch der Schweiz; drei Viertel davon gingen aufs Privatauto zurück. «mybuxi» möchte den öffentlichen Verkehr mit seinem Fahrdienst ergänzen, Fahrten zusammenlegen und so den Einsatz von Privatautos reduzieren. Gestartet wurde das Projekt im April 2019 in Herzogenbuchsee, es folgte die Erschliessung des Emmentals und ab Juli der Gotthardregion. Der Betrieb in Ostermundigen-Stettlen musste wegen der Pandemie temporär eingestellt werden, aber Kronawitter hofft, bis 2025 die Schweiz flächendeckend bedienen zu können. Gebucht werden die Fahrten über eine App, seit der Gründung hat «mybuxi» mehr als 60 000 Passagiere befördert – ausser im Emmental immer in elektrischen Bussen.

Gemeindebeträge machen 20 bis 25 Prozent aus

Anders als «Sponti-Car» ist «mybuxi» nicht aufgrund der Infrastruktur auf eine enge Zusammenarbeit mit Gemeinden angewiesen. Es gibt zum Beispiel keine beschilderten Haltestellen. Die öffentliche Hand spiele aber mit Gemeindebeiträgen eine Rolle bei der Finanzierung des Projekts. Rund die Hälfte soll laut Kronawitter durch Ticketverkäufe gedeckt werden, die Gemeindebeiträge dürften maximal 20–25 Prozent ausmachen. Im Gegenzug erhalten die Gemeinden die Möglichkeit, ihre Ideen und Wünsche in Steuerungssitzungen einzubringen. «Es ist wichtig, dass die Gemeinden mit uns an einem Tisch satzen», sagt Kronawitter. «Wir kennen dann ihre Anliegen und können gemeinsam die besten Lösungen finden.»

Boom nach der Pandemie?

Corona hat es beiden Projekten schwerer gemacht, neue Interessenten zu finden. Menschen fühlten sich eventuell unwohl, ein Auto mit Unbekannten zu teilen, vermutet Mark Ritzmann. Andreas Kronawitter bemerkte einen Rückgang der Buchungen aufgrund der Homeofficepflicht. Seit Juni treffen wieder vermehrt Anfragen von Gemeinden ein. Bis die Bevölkerung das Konzept vollständig akzeptiere, brauche es einige Zeit. Er empfiehlt deshalb einen Pilotbetrieb von zwei Jahren Dauer.

Dass der Mobilitätswandel Zeit benötigt, denkt auch Max Gmür. Im laufenden Jahr endet die dreijährige Pilotphase für «Sponti-Car» in Mosnang. Es sei nicht schlecht gelaufen, habe aber noch nicht den gewünschten Erfolg gezeigt. Statt den Vertrag auslaufen zu lassen, ging seine Gemeinde einen Schritt weiter: Mosnang offeriert seit Juli allen Einwohnerinnen und Einwohnern zwölf Gratisstunden mit dem E-Auto. Gmür erhofft sich so, das Carsharing im Dorf populärer zu machen. «Zumindest die zwölf Gratisstunden wird sich ja niemand entgehen lassen wollen», sagt Gmür und lacht.

Informationen:

www.bybuxi.ch; www.sponti-car.ch