Die Gemeinden des Naturparks Gruyère Pays d’Enhaut verfolgen gemeinsame Energieziele.

Energie und Biodiversität vereint im Naturpark

07.11.2023
11 l 2023

Viele Gemeinden verfolgen bereits Energie- und Klimaziele. Die interkommunale Zusammenarbeit ist bei der Energieeffizienzförderung und dem Ausbau von erneuerbaren Energien jedoch zentral. Das Programm «Energie-Region» setzt hier an.

Kurz gefasst ist eine Energieregion ein organisierter interkommunaler Zusammenschluss, bei dem mehrere Gemeinden mit ihren Einwohnenden, Unternehmen und Organisationen energiepolitische Ziele verfolgen. Das gleichnamige Programm «Energie-Region» vom Bundesamt für Energie (BFE) unterstützt Projekte in der ganzen Schweiz; sei dies finanziell oder durch das Bereitstellen von Know-how, Netzwerk oder Werkzeugen. Die Energieregion Naturpark Gruyère Pays d’Enhaut zeigt die Vorteile eines solchen Zusammenschlusses anschaulich.

Der Naturpark Gruyère Pays d’Enhaut verteilt sich auf die Kantone Waadt, Freiburg und Bern. Der Bund zeichnete ihn im Jahr 2012 mit dem Label «Park von nationaler Bedeutung» aus. Der Naturpark umfasst auf 630 km2 17 Gemeinden mit insgesamt rund 16 000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen gehören die Alpwirtschaft, insbesondere die Käseproduktion, die Forstwirtschaft sowie der Tourismus.

Der Naturpark ermöglicht die Nutzung erneuerbarer und lokaler Energiequellen. Konkret wird aus Holz, Biogas und Grünabfällen Wärme gewonnen. Im Jahr 2016 hat sich der Park als Energieregion zusammengeschlossen. Seither wurden bereits sieben Projekte realisiert: So hat der Park im Jahr 2017 eine Energiebilanz erstellt und möchte künftig den Anteil an erneuerbaren Energieträgern der Wärmeerzeugung von 30 auf 100 Prozent erhöhen. Im Folgejahr hat der Park den Energieverbrauch der kommunalen Gebäude analysiert. Ein Expertenteam kam zum Schluss, dass ein Reduktionspotenzial von bis zu 70 Prozent vorliegt.

Projekt «Nachtlandschaft»

Das Programm «Energie-Region» übernimmt maximal 40 Prozent der Projektkosten in einem jährlichen Umfang von 15 000 bis 30 000 Franken. So auch beim Projekt «Nachtlandschaft», das im Jahr 2022 mit rund 16 000 Franken unterstützt wurde. Ziel des Projekts ist es, die öffentliche Beleuchtung im Naturpark zu verbessern. Dabei handelt es sich um ein breit abgestütztes Anliegen der Bevölkerung. Das Projekt verspricht sich einerseits eine Reduktion im Energieverbrauch, andererseits soll die nächtliche Biodiversität respektiert werden. Lichtemissionen wirken sich nicht nur negativ auf den Energieverbrauch aus, sondern beeinträchtigen auch die Biodiversität: Der Lebensraum von nachtaktiven Tieren kann durch Lichtemissionen zerschnitten, ihr Aktionsradius eingeschränkt sowie ihr Nahrungsangebot reduziert werden.

Mit der Zustimmung aller betroffenen Gemeinden erhob die Energiekommission des Parks in Zusammenarbeit mit den Stromversorgern Daten zu den öffentlichen Beleuchtungen. Die gemeindeübergreifenden Erkenntnisse sind die folgenden:

Eine sichere Strassenquerung von Fussgängerinnen und Fussgängern hat trotz Absenkung oder Ausschaltung oberste Priorität. Dies bedingt eine getrennte Steuerung von Fussgängerstreifen.

Der Energieverbrauch kann durch Absenkung, dynamische Beleuchtung oder Ausschalten reduziert werden. Zu einem Austausch von Nicht-LED-Leuchten wird stark geraten. Eine Fernsteuerung sorgt für maximale Flexibilität bei der Beleuchtung und kann oft schnell amortisiert werden.

Die Farbtemperatur soll in sensiblen Biodiversitätsgebieten unter 3000 Grad Kelvin liegen.

Diese Erkenntnisse werden künftig in die kommunale Planung der öffentlichen Beleuchtung miteinbezogen, was eine Schulung der betroffenen Gemeinderatsmitglieder in technischen wie auch in rechtlichen Aspekten voraussetzt. Dabei ist die Rolle der Stromversorger zentral: Ihnen wurden konkrete Vorschläge für Sanierungsmassnahmen unterbreitet. Da die meisten Gemeinden im Naturpark nicht über das Fachwissen für eine solche Studie verfügt hätten, wurde der Beitrag des Energie-Region-Projekts sehr geschätzt, insbesondere im Hinblick auf die Erfüllungspflicht von kantonalen Anforderungen.

«Für die Gemeinde Val-de-Charmey (FR) war dieses Energie-Region-Projekt zur Optimierung der nächtlichen Beleuchtung eine ausgezeichnete Möglichkeit, schnell konkrete Massnahmen umzusetzen», sagt Bruno Clément, Gemeinderat von Val-de-Charmey in der Legislatur 2017 bis 2021. «Die umfassende Analyse der kommunalen Beleuchtung hat die Diskussion und die mit dem Stromversorger zu ergreifenden Massnahmen erheblich erleichtert. So konnten wir nebst der Energieeinsparung auch die Problematik der Biodiversität einbeziehen.» Abgesehen von den mittelfristig geplanten Investitionen sei so beschlossen worden, die Beleuchtung mitten in der Nacht zunächst provisorisch und später dauerhaft auszuschalten und diese Massnahme im nächsten Jahr noch auszudehnen.

«Für die Gemeinde Val-de-Charmey war dieses Energie-Region-Projekt zur Optimierung der nächtlichen Beleuchtung eine ausgezeichnete Möglichkeit, schnell konkrete Massnahmen umzusetzen.»

Bruno Clément, Gemeinderat Val de Charmey (FR) Legislatur 2017–2021

Gute Kommunikation ist essenziell

Das Projektbeispiel «Nachtlandschaft» zeigt, dass eine gute Kommunikation aufgrund der komplexen Organisationsstruktur der Region essenziell ist. Wie so oft sind Brücken zwischen den Interessen der Politikerinnen und Politiker und den Fachleuten gefragt. Das Programm «Energie-Region» birgt grosses Potenzial, die entscheidenden Akteure aus Privatpersonen, Unternehmen sowie der öffentlichen Hand an einen Tisch zu bringen. Der zuständige Energieregionberater André Lehmann hält fest: «Das Energie-Region-Programm bewies sich als Katalysator für den Naturpark Gruyère Pays d’Enhaut. Es hat uns ermöglicht, mit dem Ausbau von erneuerbarer Energie in der Region fortzuschreiten und die Energieeffizienz zu steigern.» Ihr Basisbudget hätte sich seit einigen Jahren verdoppelt. Lehmann ist überzeugt, dass viele Projekte ohne den Zusammenschluss zur Energieregion nicht oder erst viel später entstanden wären.

Lehmann blickt gespannt in die Zukunft: Im aktuellen Ausschreibungsfenster hat der Naturpark ein Projekt zur Dekarbonisierung der Mobilität eingegeben. An Ideen und Elan fehlt es dieser Energieregion bestimmt nicht.

Der Weg zu einer Energieregion

1.    Anstoss zur interkommunalen Zusammenarbeit im Energiebereich durch regionalen Akteur (zum Beispiel Naturpark, Energieversorgungsunternehmen, Gemeinden, Private)

2.    Festlegung des geografischen Gebiets und der Beteiligten der Energieregion sowie Institutionalisierung der Zusammenarbeit

3.    Definition einer gemeinsamen Vision und der Ziele zur regionalen Energiezukunft

4.    Identifikation regionaler Projekte und Förderantrag beim Programm des BFE

Annika Schmidt
Fachstelle Energie-Region