Auf die Frage, wie zufrieden die Heimleitenden mit den Empfehlungen und Massnahmen für die Institutionen der Behörden und Verbände während der Pandemie sind, hat eine hohe Zahl der Befragten in Bezug auf die Gemeinden keine Antwort bereit.

Erste Aufschlüsse aus der Analyse der Coronakrise

20.05.2021
5 | 2021

Im Auftrag des Bundes wird die Bewältigung der Coronakrise analysiert, unter anderem in Alters- und Pflegeheimen. In seiner Analyse der Rückmeldungen der Heimleitenden bedauert SGV-Vizepräsident Jörg Kündig die mangelnde Sichtbarkeit der Gemeinden.

Die Aufarbeitung der leider noch andauernden Krise respektive die Bewältigung der Pandemie ist auf den verschiedenen Ebenen im Gange. Unter Einbezug der drei Staatsebenen und möglichst vieler der beteiligten Organisationen soll das Verbesserungspotenzial erkannt werden; an dieser Arbeit beteiligt sich auch der Schweizerische Gemeindeverband.

Die Betreuung der alten und pflegebedürftigen Menschen liegt in der Verantwortung der Gemeinden. Deshalb ist die Evaluation der Zusammenarbeit zwischen den Gemeindebehörden und den Verantwortlichen der Alters- und Pflegeeinrichtungen wichtig. Ein Teil der INFRAS-Studie befasst sich mit dieser Schnittstelle, und darauf wird in diesem Beitrag eingegangen.

Bedeutung der Gemeinden kaum wahrgenommen

Die Umfrage von INFRAS ist zu unterteilen in Feststellungen und folgerichtig in Wünsche an die Behörden, die von den Heimleitungen geäussert wurden. Diese zeigt bezüglich Zufriedenheit, ausgesprochenen Empfehlungen und angeordneten Massnahmen der nationalen, kantonalen und kommunalen Behörden sowie der Verbände im Gesundheitsbereich deutlich, dass die Rolle der Gemeinden nur sehr untergeordnet oder gar überhaupt nicht wahrgenommen wurde. Bund, Kantone und vor allem die Verbände standen im Fokus der Öffentlichkeit. 30% der befragten Heimleitenden waren zufrieden mit den Gemeinden, 22% eher nicht oder gar nicht, und 48% wussten nicht, ob sie zufrieden sein sollten oder nicht. Das ist symptomatisch, und es zeigt, dass die Zuständigkeiten offensichtlich zu wenig klar sind. Vor allem wird die dominante Rolle der Verbände im Gesundheitsbereich deutlich; teilweise wurden durch sie direkt Handlungsanweisungen in den Heimen erteilt. Dies, obwohl sie Interessenvertretungen und Fachorganisationen sind, die weder führungsmässig noch finanziell in der direkten Verantwortung stehen.

Koordination versus Zentralisierung

Die Erkenntnisse führen zu Wünschen an die Behörden. Hier wurden schwergewichtig die nachstehenden Anliegen geäussert:

-       bessere Koordination der Vorgaben und Massnahmen

-       national einheitliche Massnahmen

-       bessere materielle Ausstattung (Schutzmaterial)

-       stärkerer Miteinbezug bei der Erarbeitung der Massnahmen

-       längere Vorlaufzeiten

-       Bildung eines Reservepools

Der Wunsch nach besserer Koordination der Massnahmen ist eine Konstante in allen Rückblicken auf die Pandemie. Auch für die Gemeinden hat diese eine sehr hohe Priorität. Damit verbunden ist aber auch die Notwendigkeit der Klärung von Verantwortlichkeiten und damit auch der Zuständigkeit. Wer ist in welcher Situation weisungsberechtigt? Wer informiert? Welche Massnahmen sind wann zu ergreifen? Verbände wie Curaviva und Senesuisse haben hier die Rolle des Koordinators eingenommen. Auch der Gemeindeverband war bemüht, in einer Situation, in der sich die Ereignisse in rascher Folge ablösten, zu ordnen und eine pragmatische Hilfestellung anzubieten.

Gerade in einer Krisensituation ist es zentral, über Organisationsstrukturen zu verfügen, welche sachdienlich und vor allem gültig und akzeptiert sind. Eine zugehörige Teilaufgabe ist die Koordination von Mitteln und Massnahmen. Hier hat die Pandemie deutlichen Handlungsbedarf aufgezeigt.

Die Schweiz ist das Land des gelebten Föderalismus. Auf Stufe Kanton, auf Stufe Gemeinden bis hinunter auf die Stufe der einzelnen Institutionen. Richtig und wichtig. Aber auch krisentauglich? Die Alternative zur umfassenden und zeitgerechten Koordination ist eine zentrale Anordnung und Durchsetzung der Massnahmen. Der Wunsch nach national einheitlichen Massnahmen ist verständlich, Zentralisierung würde sicherlich vieles vereinfachen. Um ein solches Ansinnen möglich zu machen, müsste allerdings eine entsprechende gesetzliche Vorgabe geschaffen werden. Die «ausserordentliche Lage», wie sie der Bundesrat 2020 ausgerufen hat, hat ein zentrales Vorgehen zeitweilig ermöglicht. Entscheidend ist aber die Bereitschaft von Kantonen und Gemeinden, sich zentral ausgesprochenen, insbesondere auch unangenehmen Anweisungen zu unterziehen. Hier gibt es doch berechtigte Zweifel, dass diese vorhanden ist.

Materielle und organisatorische Bereitschaft

Wichtig ist auch die Frage des Vorhandenseins des nötigen Schutzmaterials. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen der präventiven Bereitschaft und der Belieferung der Institutionen im Krisenfall. Zwar schon seit 2013 durch Bundeserlass angeordnet, blieb die Prävention nicht selten in der Theorie, so dass Schutzmaterial und Vorräte nicht im notwendigen Ausmass vorhanden waren. Aber auch die organisatorischen Vorkehrungen waren nicht optimal. So wurde das Funktionieren von Krisenstäben kaum geübt.

Dabei gilt die Feststellung für den Bund, die Kantone, aber auch die Institutionen und Pflegeeinrichtungen. Wer glaubt, sich in umfassenden Krisen, wie es die aktuelle Pandemie ist, notfallmässig mit benötigtem Material oder erforderlicher Ausrüstung versorgen zu können, der irrt. Entsprechend ist der von den befragten Heimleitungen hier geäusserte Wunsch explizit zu unterstützen. Unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung von Bedrohungslagen ist die ausreichende Bereitschaft. Vor dem Ereignis. Umfassend.

Fazit

Die immer noch andauernde Krise hat uns allen schonungslos die bestehenden Mängel in grundsätzlicher Struktur, Organisation und Vorbereitung aufgezeigt. Jetzt muss es darum gehen, die nötigen Schlüsse zu ziehen und miteinander - und das ist doch entscheidend - Verbesserungen anzugehen. Die Gemeinden müssen und werden sich bei den übergeordneten Instanzen einbringen und mithelfen, die Resilienz zu verbessern. Sie sind aber auch selbst gefordert, in ihrem Verantwortungsbereich sicherzustellen, dass künftig richtig und rechtzeitig reagiert wird und sowohl die materielle als auch die organisatorische Bereitschaft gewährleistet ist. Aufgrund der gemachten Erfahrungen muss das Motto sein: «Das Undenkbare denken und sich darauf vorbereiten.»

Jörg Kündig
Präsident Verband der Gemeindepräsidien

Informationen:

Grafikbände zum Evaluationsbericht: https://tinyurl.com/4ccawnke