Muriel Favre plädiert dafür, sich in schwierigen Zeiten auf die Erfahrungen aus der Vergangenheit zu besinnen.

«Es herrscht eine latente Verunsicherung»

09.12.2022
12 | 2022

Seit bald zehn Jahren steht Muriel Favre dem Unterwalliser 850-Seelen-Dorf Vérossaz vor. Ihr Wunsch: junge Familien im Dorf zu behalten.

Corona, Ukraine, Energie – die Krisen scheinen nicht enden zu wollen. Muriel Favre, war das Jahr 2022 für Sie als Gemeindepräsidentin von Vérossaz anspruchsvoller als sonst?

Muriel Favre: Das Jahr 2022 war anspruchsvoller, was hauptsächlich mit dem angstbesetzten Klima zusammenhing. Es herrscht eine latente Verunsicherung: sowohl was die Haushaltsbudgets der Menschen als auch das Budget der Gemeinde angeht.

Im Zuge des Ukrainekriegs flüchteten Zehntausende Ukrainer/innen in die Schweiz – und damit in die Schweizer Gemeinden. Haben Bund und Kanton die Gemeinden ausreichend unterstützt?

Ich möchte hier kein Werturteil abgeben, da diese Situation für alle Beteiligten schwierig und neuartig ist. Ich denke, angesichts der Dringlichkeit hat jeder mit den zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste getan.

In der Schweiz droht die Energie knapp zu werden. Hat Ihre Gemeinde Sparmassnahmen beschlossen?

Bereits seit mehreren Jahren investieren wir regelmässig in die Beleuchtung. Ein grosser Teil des Netzes besteht aus LED-Lampen, die mit einem Sensor ausgestattet sind, der eine Dämmung der Beleuchtung ermöglicht. Innerhalb von zehn Jahren ist der Verbrauch bei der öffentlichen Beleuchtung so um 50 Prozent gesunken. Weitere Massnahmen zur energetischen Sanierung von kommunalen Gebäuden und Einrichtungen sind geplant. Wir haben auch ein Förderprogramm für Fotovoltaikanlagen und zum Ersatz von Heizungen.

Die Pandemie könnte wieder aufflammen, die Ukrainekrise akuter werden. Mit welchen Gefühlen sehen Sie dem neuen Jahr entgegen?

Die Gefühlslage ist schwierig. Aber wir müssen optimistisch bleiben und uns auf die Erfahrungen der Vergangenheit stützen. So können wir einer besseren Zukunft entgegensteuern.

Viele Gemeindeverwaltungen klagen über einen Fachkräftemangel. Spüren Sie diesen auch in Vérossaz?

Unsere Situation erlaubt es uns nicht, einen technischen Dienst zu finanzieren, daher haben wir uns für eine interkommunale Zusammenarbeit sowie für punktuelle Aufträge an externe Büros entschieden. Diese Mandanten sind in das lokale Leben eingebunden.

Wo steht Ihre Gemeinde in Sachen digitale Verwaltung und E-Government?

Die Implementierung von E-Government-, IT- und Kommunikationslösungen ist die nächste grosse Herausforderung, die auf uns zukommt. Es bleibt noch viel zu tun.

Wenn Sie in Ihrer Funktion als Gemeindepräsidentin einen Wunsch frei hätten: Welcher wäre das?

Ein gutes Umfeld zum Leben bieten und die Familien in der Gemeinde halten. Vérossaz ist die Walliser Gemeinde mit der höchsten Anzahl junger Menschen – 26 Prozent der Bevölkerung.

Fabio Pacozzi
SGV
Leiter Kommunikation