Nicht nur geografisch nahe: Die Stadt Bülach arbeitet eng mit den Nachbargemeinden zusammen.

Für hochwertige Dienstleistungen braucht es Zusammenarbeit

05.06.2022
6 | 2022

Im Bereich Soziales und Gesundheit arbeiten viele Gemeinden heute zusammen, um die geforderte Qualität sicherstellen zu können. Verschiedene Formen der Zusammenarbeit sind sogar matchentscheidend für die Qualität – bergen aber auch Risiken.

Der Zürcher Bezirk Bülach besteht heute aus 22 Gemeinden mit rund 175’000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Nur in 3 Gemeinden leben mehr als 20’000 Menschen, in 5 mehr als 10’000 und in den übrigen weniger als 10’000.

Die Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitswesen, welche die Stadt Bülach für sich und seit einigen Jahren für immer mehr Gemeinden erbringt, erfordern heute allesamt spezialisiertes Fachwissen. Der Trend der zunehmend regionalisierten Leistungserbringung hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Nicht zuletzt aufgrund von Gesetzesrevisionen. Vor 20 Jahren erbrachte «Soziales und Gesundheit, Bülach» (S+G) ausschliesslich Dienstleistungen für die rund 13’000 eigenen Einwohnerinnen und Einwohner, heute aber für bis zu 90’000 Menschen in der Region, auch jenseits der Bezirksgrenze.

Das Dilemma der politischen Forderung nach Gemeindeautonomie und gleichzeitig der Forderung nach hoher Qualität kann aktuell, und wohl auch in naher Zukunft, nicht gelöst werden. Die in Gesetzen auf Bundes- und Kantonsebene geforderte Qualität hat zur Konsequenz, dass leistungsfähigere und grössere Gebiets- und Verwaltungsstrukturen bereitgestellt werden müssen. Dieses (noch) bestehende Dilemma führt heute zunehmend dazu, dass sich Gemeinden in diversen Zusammenarbeitsformen verlieren. Nichtsdestotrotz sind unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit heute die matchentscheidenden Faktoren für die geforderte Qualität.

Zürcher Projekt «Gemeinden 2030»

Der Zürcher Regierungsrat formulierte bereits 2008 Leitsätze zur Reform der Gemeindestrukturen. Damit die Zukunftsfähigkeit der Zürcher Gemeinden gesichert sei, brauche es einfachere und leistungsfähigere Gebietsstrukturen. Dieses Ziel könne durch Gemeindezusammenschlüsse erreicht werden. Im Jahr 2017 nahm der Kanton Zürich im Rahmen des Projekts «Gemeinden 2030» das Thema Gemeindefusionen wieder aktiv auf. In den folgenden Jahren wurde dann durch eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Verbands der Gemeindepräsidien (GPV) ein Arbeitspapier mit dem Titel «Regionen und funktionale Räume im Kanton Zürich» erarbeitet. Die im Papier genannten Perimeter haben auch für Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitswesen eine hohe Relevanz und entsprechen weitgehend der heutigen gebietsbezogenen Zusammenarbeit.

Bewertungskriterien für die Zusammenarbeit

Doch unter welchen Umständen kann eine Zusammenarbeit gut funktionieren? Im Rahmen seiner Abschlussarbeit im Lehrgang «Senior Leadership in Social Administrations» der Hochschule Luzern erarbeitete der langjährige Leiter von «Soziales und Gesundheit, Bülach», Daniel Knöpfli, Bewertungskriterien für die verschiedenen Zusammenarbeits- und Kooperationsformen. Er hielt unter anderem hilfreiche Ergebnisse bei Themen der regionalen Altershilfe und der regionalen Berufsbeistandschaft fest und formulierte Handlungsempfehlungen an die Politik und die obersten operativen Führungskräfte der Gemeinden.

Seine Bewertungskriterien orientieren sich an gängigen Modellen des Qualitätsmanagements und an konkreten Steuerungsmöglichkeiten der Kommunalpolitik. Bewertet wurden bezüglich der Strukturqualität zum Beispiel die Rechtsform, die Zusammenarbeit aus Sicht des Zürcher Projekts «Gemeinden 2030», rechtliche und organisatorische Voraussetzungen für die Auftragserfüllung, Ressourcen/Finanzen, Netzwerke und weitere.

In Bezug auf die Prozessqualität erfolgte die Bewertung entlang von Kriterien wie Interaktionsqualität mit Klienten/Patienten, Effektivität und Effizienz von Kern-, Management- und Supportprozessen oder auch dem Leadership. Bei der Bewertung der Ergebnisqualität ging es unter anderem um die Erreichung von Wirkungs- und Leistungszielen. Weiter wurden Steuerungsmöglichkeiten der Politik und der obersten operativen Führung bewertet sowie Steuerungsmodelle für politische und operative Leitungspersonen untersucht.

Analyseergebnisse: ein hoher Koordinationsaufwand

Die Analyseergebnisse zeigten im Wesentlichen auf, dass die nötige Qualität an der Basis bei allen untersuchten regionalen Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitswesen erfüllt wird. Allerdings zeigten die Ergebnisse auch auf, dass aufgrund der hohen Komplexität der vielfältigen Zusammenarbeitsformen ein erheblicher «hausgemachter» Koordinationsaufwand entsteht.

Den unterschiedlichen Erwartungen, zum Beispiel der politischen Forderung nach Gemeindeautonomie und an die Anforderungen der unterschiedlichsten Gesetze, wird Stand gehalten. Die Kosten für den zum Teil enorm hohen Koordinationsaufwand und damit für die Aufrechterhaltung der Gemeindeautonomie werden aus den Steuerhaushalten bezahlt. Dies entspricht vielfach dem politischen Willen, da die «gefühlte» Gemeindeautonomie höher gewichtet wird als die Kosten für den Koordinationsaufwand. Auf der Strecke bleibt dadurch die Prozessorientierung. Das Ganze ist ein typisches Phänomen im föderalistischen System der Schweiz und das Resultat von Verhandlungs- und Kompromisslösungen auf interkommunaler Ebene.

Regionale Verwaltungen als Lösungsansatz

In Zukunft gilt es, auf der Stufe Gemeinde weiterhin neue, sinnvolle Regionalisierungen zu prüfen und die bestehenden regionalen Lösungen laufend weiterzuentwickeln. Ein visionärer und möglicher Weg könnten kompetente regionale Verwaltungen sein, die (vorerst noch) für mehrere Gemeindeexekutiven tätig sind.

Daniel Knöpfli
Co-Präsident Sozialkonferenz des Kantons Zürich