
Gegen Wohnungsknappheit in den Gemeinden
Fehlender Wohnraum beschäftigt immer mehr Städte und Gemeinden – und zwar nicht nur urbane oder touristisch geprägte Gemeinden. Betroffen sind immer mehr auch Gemeinden in der Agglomeration oder im ländlichen Raum. Lange Warteschlangen bei Wohnungsbesichtigungen gehören längst zum Alltag und drücken auf die Stimmung der Bürgerinnen und Bürger. Mietenanstieg, tiefe Leerstandsquoten und knappe Landreserven sind nur einige der vielen Stichworte. Was also dagegen unternehmen?
Klar ist: Die Schaffung von genügend angemessenem Wohnraum zu fairen Preisen und am richtigen Ort ist eine grosse Herausforderung. Diese komplexe Aufgabe kann niemand allein lösen. Notwendig ist eine enge Zusammenarbeit zwischen vielen verschiedenen Akteuren der Marktwirtschaft und des Staates. Es liegt auch auf der Hand, dass nicht eine einzige Massnahme Abhilfe schaffen kann. Vielmehr braucht es einen ausgewogenen Mix von Massnahmen auf allen Ebenen, um die Wohnungsnot zu bekämpfen. Denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis – so wie Nahrung, Arbeit oder Bildung. Kann es nicht befriedigt werden, wird die Lebensqualität der Einwohnerinnen und Einwohner beeinträchtigt. Finden sich keine bezahlbaren Wohnungen, wird dies nicht nur in der Sozialpolitik spürbar. Es entstehen Verdrängungseffekte und die Pendlerdistanzen werden länger – mit entsprechenden Auswirkungen auf Umwelt, Ressourcen und Infrastruktur.
Aktionsplan Wohnungsknappheit
Um der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken, hat der Bund die Situation analysiert. Bundesrat Guy Parmelin hat Vertreterinnen und Vertreter von Kantonen, Städten und Gemeinden sowie der Immobilien- und Baubranche an zwei Runden Tischen zusammengebracht. Dabei wurde ein Aktionsplan gegen die Wohnungsknappheit erarbeitet und im Februar 2024 verabschiedet. Dieser empfiehlt 35 Massnahmen, um das Angebot an qualitätsvollem und bezahlbarem Wohnraum zu erhöhen. Der Mix an Massnahmen ist in verschiedene Themenbereiche gegliedert. Dazu gehört die Erleichterung und qualitätsvolle Umsetzung der Innenentwicklung, die Stärkung und Beschleunigung der Verfahren sowie die Sicherstellung von genügend preisgünstigem und bedarfsgerechtem Wohnraum.
Der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) wurde nicht nur in die Erarbeitung des Aktionsplans miteingebunden, sondern beteiligt sich auch in verschiedenen Workshops und Arbeitsgruppen. Eine davon kümmert sich um die Frage einer höheren Durchlässigkeit und Durchmischung von Arbeits- und Wohnzonen. Denn die Trennung von Arbeits- und Wohnzonen, die ursprünglich auch dem Schutz vor schädlichen Immissionen wie zum Beispiel Lärm oder Gestank diente, hat heute an vielen Orten an Bedeutung verloren. Es stellt sich deshalb die Frage, ob und wie diese Trennung gelockert werden könnte. Damit liessen sich beispielsweise Büro- und Hotelimmobilien einfacher zu Wohnungen umnutzen. Die Konsequenzen einer derartigen Praxisänderung müssen sorgfältig geprüft werden – insbesondere in Bezug auf das Gewerbe und die Industrie. Das Ziel der Massnahmen zur Erleichterung der Durchlässigkeit von Arbeits- und Wohnzonen liegt darin, den Gemeinden in Form einer Art Baukasten Empfehlungen abgeben zu können.
In einer anderen Arbeitsgruppe wird eruiert, wie bei einer Mehrausnützung ein Mindestanteil an preisgünstigem Wohnraum vorgesehen werden kann. Ziel ist die Entwicklung eines freiwilligen Standards für preisgünstigen Wohnraum, welcher den Gemeinden als Orientierungshilfe mit Best-Practice-Beispielen zur Verfügung stehen kann. Der SGV hat dabei immer betont, wie wichtig die Respektierung der Gemeindeautonomie und die Achtung der Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen den Staatsebenen ist.
Schliesslich beschäftigen auch immer wieder die Einsprachen und Rekurse, welche Wohnbauprojekte verhindern oder verzögern. Der SGV hat zusammen mit Vertretungen der Kantone (BPUK), der Städte und der Bauwirtschaft (bauenschweiz) in einer Begleitgruppe der beiden Bundesämter für Raumentwicklung ARE und Wohnungswesen BWO teilgenommen. Ziel war es, durch externe Studienautoren die nötigen Grundlagen zum Thema Einsprachen und Rekurse zu schaffen. Die Studie wurde im Sommer 2025 publiziert.
Studie zu Einsprachen bei Wohnbauprojekten
Rekurse und Einsprachen sind die wichtigsten Ursachen von verhinderten Wohnbauprojekten. Dies zeigt eine Studie im Auftrag der Bundesämter für Raumentwicklung ARE und Wohnungswesen BWO. Die Studie ist Teil des Aktionsplans Wohnungsknappheit und liefert erstmals wichtige Grundlagen zum Thema. Die Studienautoren machen verschiedene Empfehlungen und Vorschläge. Bund, Kantone und Gemeinden werden diese analysieren. Am Ende entscheidet der Bundesrat, welche umgesetzt oder zur Umsetzung empfohlen werden.
Und die Umsetzung?
Ein Jahr nach der Verabschiedung des Aktionsplans hat der Bundesrat einen Bericht zum Umsetzungsstand des Aktionsplans veröffentlicht. Dieser zeigt, dass erst eine einzige Massnahme realisiert werden konnte. Mehr als die Hälfte der Massnahmen befinden sich allerdings in der Umsetzung. 18 weitere Massnahmen, insbesondere solche zur Beschleunigung von Verfahren, werden noch bearbeitet. Aufgrund der sich weiter verschlechternden Lage auf dem Wohnungsmarkt fordern die beteiligten Partnerinnen und Partner die Umsetzung des Aktionsplans rasch anzugehen, einen klareren politischen Willen und mehr Ressourcen für die Umsetzung.
Und wie geht es nun weiter? Anfangs 2026 soll der Umsetzungsstand des Aktionsplans sowie die aktuelle Marktentwicklung geprüft werden. Anschliessend ist ein Treffen mit allen beteiligten Partnerinnen und Partner geplant. Das Thema bleibt also hochaktuell.