Wer führt wie in Gemeinden? Da gibt es grosse Unterschiede.

Gemeinden im Wandel – Führungsmodelle im Fokus

08.09.2023
9 l 2023

Wie organisieren sich Gemeinden an den Schnittstellen zwischen Exekutive und Verwaltung? Die Hochschule Luzern (HSLU) untersucht die Eigenheiten und regionalen Ausprägungen von Gemeindeführungsmodellen in der Deutschschweiz.

Gemeindeaufgaben werden komplexer, während die Bereitschaft der Bevölkerung schwindet, sich für ein politisches Mandat zu engagieren. Dies stellt die Gemeinden vor Herausforderungen. Die Wahl des Gemeindeführungsmodells prägt die Abgrenzung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Mitglieder der Gemeindeexekutive und des Verwaltungskaders sowie das Führungsverständnis und die Kultur der Gemeindeverwaltung. Bisher fehlte eine überregionale, systematische Untersuchung der Strukturen und Eigenheiten der Gemeindeführungsmodelle. Das laufende Forschungsprojekt der HSLU, unterstützt vom Schweizerischen Gemeindeverband, will diese Lücke schliessen. Es untersucht die Führungsmodelle in den rund 1500 Deutschschweizer Gemeinden mittels umfassender Gemeindebefragung und ergänzender Interviews.

Vier Grundmodelle der Gemeindeführung

Im Jahr 2014 hat die HSLU eine Untersuchung über die Gemeindeführungsmodelle in den damals 87 Luzerner Gemeinden durchgeführt und diese den vier definierten Grundtypen von Gemeindeführungsmodellen zugeordnet: CEO-Modell, Delegiertenmodell, Geschäftsleitungsmodell und operatives Modell. Diese Grundtypen dienen den Gemeinden oft als Orientierungshilfe für Reorganisationsprozesse und werden in der Gemeindeforschung immer wieder zitiert.

Die vier Modelle unterscheiden sich in der Aufgabenverteilung zwischen Exekutive und Verwaltungsleitung sowie der Pensenhöhe der Exekutivmitglieder:

Beim CEO-Modell führt eine angestellte geschäftsführende Person die Gemeindeverwaltung operativ und personell. Die Exekutive beschränkt sich mit tendenziell tiefen Pensen auf die strategischen und politischen Themen.

Im Delegiertenmodell wird die operative und personelle Führung der Verwaltung durch ein politisch gewähltes Exekutivmitglied wahrgenommen, an das diese Aufgaben delegiert wurden. Die übrigen Exekutivmitglieder sind in eher tiefen Pensen zwischen 20 und 50 Stellenprozenten tätig.

Im Geschäftsleitungsmodell übernimmt die Exekutive als Gremium die strategische Führung der Gemeinde. Zudem führen die einzelnen Ratsmitglieder ihre zugeteilten Ressorts fachlich und personell, während sie operative Aufgaben an ihre Verwaltungsabteilungen übertragen. Dies bedingt höhere Pensen für die Exekutive.

Im operativen Modell sind die Gemeinderäte selbst für die Ressorts verantwortlich, führen diese fachlich sowie personell und administrativ mit unterschiedlich hohen Pensen.

Erweiterung der Modellpalette

Das aktuelle HSLU-Forschungsprojekt erweitert den Fokus auf die gesamte Deutschschweiz. Vielfältige Gemeindeführungsmodelle mit regionalen Unterschieden können dadurch identifiziert werden. Ergänzend zu den Grundmodellen sind nun weitere Formen von Gemeindeführungsmodellen erkennbar:

Beim Tandemmodell weist das Gemeindepräsidium ein deutlich höheres Pensum als die restliche Exekutive auf. Letztere hat oft kleine oder gar keine fixen Pensen, sondern wird über Sitzungsgelder entschädigt. Das Präsidium führt die Gemeinde im Tandem zusammen mit einer vertraglich angestellten Verwaltungsleitung.

Beim Präsidialmodell hat das Gemeindepräsidium eine noch stärkere Rolle. Es übernimmt direkt die Verwaltungsleitung und verfügt über ein deutlich höheres Pensum als die übrigen Exekutivmitglieder. Im Gegensatz zum Delegiertenmodell ist das Präsidium aber nicht vollamtlich.

Weitverbreitet ist das Milizmodell, in dem die gewählte Exekutive über geringe oder keine Pensen zur Ausübung ihrer Tätigkeiten verfügt. Dadurch kann die Gemeindeexekutive grundsätzlich nur die wichtigsten Aufgaben wahrnehmen. Dabei reicht die Entschädigung von Pauschalen bis zu reinen Sitzungsgeldern.

Ein weniger verbreitetes Modell ist das Hochpensenmodell, das sich durch auffällig hohe Pensen aller Exekutivmitglieder von mindestens 40 Prozent auszeichnet, ohne dass ein Exekutivmitglied vollamtlich tätig ist. Dieses Modell ist zeitintensiv und nur schwer mit anderen Berufstätigkeiten zu vereinbaren.

Die Abbildung 1 zeigt, dass unter den bisher analysierten 590 Gemeinden das CEO-Modell sowie das Milizmodell am häufigsten vertreten sind. Das Milizmodell zeigt eine geringfügig niedrigere Anwendung in städtischen Gemeinden. Das Delegierten- und das Geschäftsleitungsmodell sind in Städten deutlich verbreiteter, während das operative Modell vor allem in ländlichen Gegenden häufiger anzutreffen ist.

Weiteres Vorgehen

Im weiteren Verlauf des Forschungsprojektes werden die Eigenheiten der Modelle anhand vertiefter Datenanalysen und Interviews mit ausgewählten Gemeinden weiter untersucht und differenziert, um auch regionale Sonderformen zu identifizieren. Interessant dürfte sein, inwiefern sich die Modelle auf die Arbeitsprozesse, die Qualität der Zusammenarbeit sowie die Zufriedenheit in Exekutiven und Verwaltungen auswirken. Weitere Publikationen über die Erkenntnisse des Forschungsprojektes der HSLU werden im Jahr 2024 folgen.

Prof. Jonas Willisegger
Hochschule Luzern
Leiter des Kompetenzzentrums Public & Nonprofit Management
Alex Lötscher
Hochschule Luzern
Dozent und Projektleiter
Marco Eichenberger
Hochschule Luzern
Senior wissenschaftlicher Mitarbeiter