Die Stadt Glarus mit dem Glärnisch im Hintergrund, aufgenommen am Freitag, 16. August 2013.

«Glarus hat dank der Fusion den Weg aus der Krise gefunden»

21.02.2022
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«Glarus hat dank der Fusion mehr Gestaltungsspielraum»: So lautet die Bilanz von Christian Marti, dem Gemeindepräsidenten von Glarus. Ein persönlicher Erlebnisbericht.

Am 7. Mai 2006 haben die Stimmberechtigten an der Glarner Landsgemeinde eine Revolution beschlossen, indem sie 25 Ortsgemeinden, 18 Schulgemeinden und 9 Bürgergemeinden zu 3 Einheitsgemeinden zusammenschlossen und die Aufgaben der 16 Fürsorgegemeinden kantonalisierten. Ausschlaggebend für diesen Entscheid waren strukturelle,finanzielle und personelle Probleme einiger Glarner Gemeinden sowie Bevölkerungsrückgang und wirtschaftliche Probleme im Glarnerland nach der Jahrtausendwende.

Gegen diesen Entscheid der Landsgemeinde wehrten sich Bürgerinnen und Bürger sowie verschiedene Organisationen mit rechtlichen und politischen Mitteln. Im November 2007 bestätigte eine ausserordentliche Landsgemeinde den Entscheid sehr eindeutig – der Weg zur Umsetzung der vermutlich grössten Gebiets-, Aufgaben- und Finanzreform seit der Gründung des Bundesstaates 1848 war frei.

 

Ich kann mich noch gut an die ausserordentliche Landsgemeinde am 25. November 2007 erinnern. Der Landsgemeindering platzte aus allen Nähten, so viele Stimmberechtigte versammelten sich an diesem Tag auf dem Zaunplatz in Glarus. Das Ergebnis war sehr eindeutig. Die Glarner Gemeindestrukturreform wurde klar bestätigt. Die Erkenntnis, dass der Kanton seine Gemeindestrukturen vereinfachen und modernisieren muss, war bei den Glarner Stimmberechtigten angekommen.

Vorbereitungsarbeiten erforderten viel Engagement

Nach diesen beiden historischen Landsgemeinden haben zahlreiche Glarnerinnen und Glarner während vier Jahren an den Vorbereitungen zur Umsetzung der Gemeindestrukturreform gearbeitet. Im Rahmen dieser Arbeiten durfte ich 2007 bis 2009 eine kommunale Teilprojektgruppe leiten, welche die erste Gemeindeordnung für die fusionierte Gemeinde Glarus erarbeiten konnte. Diese Jahre waren sehr intensiv und haben viel Engagement aller Beteiligten beansprucht. Die Atmosphäre war während der ganzen Vorbereitung einmalig, und es herrschten sehr positive Energien, eine grosse Vorfreude, und die Zusammenarbeit funktionierte gut. Zusammen gingen wir mit den Vorbereitungsarbeiten den Weg aus der Krise zurück zum selbstbewussten, pionierhaften Glarnerland.

Wahl zum Gemeindepräsidenten im Jahr 2009

Im Herbst 2009 standen die Wahlen für die Gemeindeexekutiven der drei fusionierten Gemeinden im Kanton Glarus an. Ich war motiviert, die Chance für diese grosse und spannende Aufgabe zu packen. Es reizte mich, Gemeindepräsident einer neuen, grossen Gemeinde zu werden und Teil dieser historischen Glarner Gemeindereform zu bleiben. Ich wollte nicht nur bei den Vorbereitungen mitwirken, sondern auch bei der Umsetzung anpacken. Deshalb entschied ich mich für eine Kandidatur um das Gemeindepräsidium der fusionierten Gemeinde Glarus. Im September 2009 haben mich die Stimmberechtigten zum ersten Gemeindepräsidenten der fusionierten Gemeinde Glarus gewählt, wofür ich noch heute sehr dankbar bin.

Die Geburt der fusionierten Gemeinde Glarus

Nach viel Vorbereitungsarbeit gehen die Menschen in den vier Ortsteilen Netstal, Riedern, Glarus und Ennenda seit dem 1. Januar 2011 unter dem Dach der fusionierten Gemeinde Glarus gemeinsam ihren Weg. Wir schlugen ein neues Kapitel in der Glarner Geschichte auf. In der Neujahrsnacht 2010/2011 durfte der Fusionsgemeinderat die Geburt der neuen Gemeinde zusammen mit vielen Menschen aus der ganzen Gemeinde sowie Behördenvertreter/innen der bisherigen Gemeinden und des Kantons gebührend feiern – das war ein grosses Ereignis. Damit diese einzigartige Reform gelingen konnte, brauchte es sehr viele tatkräftige, kompetente Menschen, die gemeinsam in die gleiche Richtung zogen, Rückschläge zusammen verdauten und über alle diese Jahre Kontinuität bewiesen. Eine solche Veränderung ist ein grosser Kraftakt und gelingt nur als Teamleistung und nicht als One-Man-Show. Unsere Gemeinde wird durch Menschen gemacht – sie ist ein Gemeinschaftswerk. Ich bin heute noch allen Mitwirkenden und Mitarbeitenden sehr dankbar und verbunden, dass wir diese grosse Aufgabe zusammen gemeistert haben. Während dieser Zeit ging ich mehrmals über meine Belastungsgrenze hinaus – es war immer wieder ein grosser Krampf.

Die Fusion hat sich gelohnt

Die Fusion ermöglicht uns viel mehr Gestaltungs- und Handlungsspielraum, die Gemeinde hat eine klare strategische Ausrichtung, eine leistungsfähige Verwaltung und eine gesunde Finanzlage. Die Wege für die Zusammenarbeit mit dem Kanton und mit den zwei Schwestergemeinden Glarus Süd und Glarus Nord sind kurz und häufig im positiven Sinne informell. Weiter hat – ganz im Dienste der öffentlichen Sache – eine Professionalisierung der Verwaltung stattgefunden, und an eine Rückkehr zum kleinstrukturierten Glarnerland ist meiner Meinung nach gar nicht mehr zu denken. Was sich sicherlich auch verändert hat, ist, dass alltägliche Anliegen und Projekte an den heutigen Gemeindeversammlungen nicht mehr gleich viel Gewicht erhalten wie in den kleineren Gemeinden zuvor. Es gilt, die Nähe zu den alltäglichen Anliegen in der Bevölkerung bewusst im Auge zu behalten und zu pflegen.

Zehn Jahre Gemeindefusion

Im Jahr 2021 konnten wir unser Jubiläum «10 Jahre Gemeinde Glarus» feiern. Eine ganze Dekade lang gehen nun die vier Ortsteile Netstal, Riedern, Glarus und Ennenda ihren Weg als Gemeinschaft zusammen. Die Gemeinde Glarus hat dieses Jubiläumsjahr mit verschiedenen Aktivitäten für Jung und Alt unter dem Jubiläumsmotto «mitenand wiiterguu» gestaltet. Im Austausch mit der Bevölkerung konnte ich feststellen, wie normal die Gemeinde Glarus für unsere Einwohnerinnen und Einwohner bereits geworden ist. Speziell bei den jüngeren Generationen ist diese neue Gemeindestruktur sehr akzeptiert.

Wir schauen zuversichtlich in die Zukunft und freuen uns weiterhin aufs «mitenand wiiterguu».

Christian Marti
Gemeindepräsident Glarus

Auf der Website www.glarus.ch/10jahre können weitere Informationen zum Jubiläumsjahr nachgelesen werden.

Über Christian Marti

Der 47-jährige Christian Marti (FDP.Die Liberalen) studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen. Neben seiner kommunalpolitischen Arbeit gehört Christian Marti seit 2001 dem Landrat des Kantons Glarus an. Auf nationaler Ebene vertritt Christian Marti den Glarner Kantonshauptort seit 2013 im Vorstand des Schweizerischen Städteverbandes. Er ist mit Gabriela Hauser Marti verheiratet, zusammen sind sie Eltern von drei Kindern.

Christian Marti ist der letzte der drei Gründungspräsidenten, die noch im Amt stehen. Im Sommer 2022 wird er dem Gemeinderat 15 Jahre angehören, davon 12 als Präsident. Er wird sein Amt im Sommer 2022 weitergeben und nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren.

Als Gemeindepräsident prägte er das Zusammengehen der Menschen in der Fusionsgemeinde und den Aufbau einer gut aufgestellten und eingespielten Gemeindeverwaltung ebenso wie die Erarbeitung der strategischen Grundlagen für die Gemeindeentwicklung oder die Etablierung einer Kultur der Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Akteuren in der Areal-, Wohnraum- und Zentrumsentwicklung.