SGV-Präsident Mathias Zopfi (rechts) und Martin Staub von der Gemeinde Vernier unterzeichnen die Deklaration der Gemeinden und Städte.

GV 2025: Die Gemeindeautonomie im Fokus

12.06.2025
7-8 l 2025

Die Generalversammlung des Schweizerischen Gemeindeverbands in Vernier (GE) stand ganz im Zeichen des Artikels 50 der Bundesverfassung. Dieser sogenannte «Gemeinde-Artikel» verpflichtet den Bund seit 25 Jahren, bei seinen Entscheiden Rücksicht auf die Gemeinden zu nehmen. Ein Recht, dass noch zu oft untergehe und zu oft aktiv eingefordert werden müsse, stellte SGV-Präsident Ständerat Mathias Zopfi an der GV fest.

Dass sich die Generalversammlung des Schweizerischen Gemeindeverbands rund um das Jubiläum des Artikels 50 der Bundesverfassung drehen würde, stand schon lange fest – ebenfalls der Austragungsort Vernier im Kanton Genf. Dass die Gemeindeautonomie und Vernier dann aber so im Fokus der Aktualität stehen würden, konnte niemand ahnen. Denn in Vernier lief zum Zeitpunkt der GV am 6. Juni ein Verfahren wegen Unregelmässigkeiten bei den letzten Wahlen. Rechtzeitig zur GV wurde zumindest die Wahl der Exekutiv-Mitglieder bestätigt und eine Verwaltung durch den Kanton abgewendet; die Untersuchung läuft derzeit noch.

«Ein aussergewöhnlicher Fall», sagte der Thurgauer Regierungsrat Walter Schönholzer am Podiumsgespräch im Rahmen der GV. Und er war sich mit den anderen Podiumsteilnehmenden, dem SGV-Präsidenten und Ständerat Mathias Zopfi und Waadtländer Nationalrat Laurent Wehrli, einig: Grundsätzlich könne das in jeder Gemeinde passieren. Eigentliches Thema des Podiums war aber die Gemeindeautonomie und eben der Artikel 50 in der Bundesverfassung. Seit 25 Jahren verpflichtet dieser den Bund, bei seinen Entscheiden Rücksicht auf die Gemeinden zu nehmen. Ganz im Sinne des Themas der GV: Starke Gemeinden, starker Staat.

Eine starke Lobby

Grundsätzlich haben die Gemeinden eine starke Lobby im eidgenössischen Parlament, wie Moderatorin Natascha Schwyn feststellte: 119 von 200 Nationalrätinnen und Nationalräten waren oder sind politisch in einer Gemeinde tätig. «Ich merke, dass der SGV in den Räten auf viel Wohlwollen stösst», sagte SGV-Präsident Matthias Zopfi. Doch er fügte hinzu: «Nicht jedes Parlamentsmitglied hat den Artikel 50 unter dem Kopfkissen. Ich würde nicht sagen, dass der Artikel keine Wirkung hat, aber wir müssen ihn immer von Beginn an einfordern.» Die Berücksichtigung des Artikels müsse stärker werden, forderte Zopfi.

Gesetze auf Bundes- und Kantonsebene müssen so ausgestaltet sein, dass die Gemeinden sie auch umsetzen können: Da waren sich die drei Podiumsteilnehmer einig. Der Thurgauer Regierungsrat Walter Schönholzer stellte allerdings die Frage: «Wie gross muss eine Gemeinde sein, damit sie autonom funktionieren kann?» Mathias Zopfi entgegnete: «Wir müssen von oben die Voraussetzungen schaffen, dass kleine Gemeinden nicht an den Anforderungen scheitern.»

«Es geht nicht überall darum, auf Gemeindeebene zu entscheiden. Aber was auf kommunaler Ebene getan werden kann, soll dort bleiben.»

Mathias Zopfi, Ständerat GL und SGV-Präsident

Autonomie heisse auch, zu agieren, sagte der Nationalrat und Ex-Stadtpräsident von Montreux, Laurent Wehrli. Gleichzeitig waren sich die Podiumsteilnehmer bewusst, dass gewisse Themen besser auf Bundesebene angesiedelt sind. Walter Schönholzer sprach etwa die Digitalisierung an: «Hier tut die Schweiz gut daran, auf Ebene Bund Standards zu setzen.» Zopfi fasste zusammen: «Es geht nicht überall darum, auf Gemeindeebene zu entscheiden. Aber was auf kommunaler Ebene getan werden kann, soll dort bleiben.»

Karine Bruchez, Präsidentin des Genfer Gemeindeverbands, erinnerte in der Diskussion mit der Genfer Staatsrätin Carole-Anne Kast daran, dass die Gemeindeautonomie kein abstraktes Prinzip sei, sondern sich durch Mittel und Kompetenzen ausdrücke. Staatsrätin Kast selber betonte die gegenseitige Abhängigkeit von Kanton und Gemeinden. Nicht einig wurden sich die Vertreterin der Gemeinden und jene des Kantons allerdings in der Frage, wie viel Autonomie den Genfer Gemeinden zugestanden werden sollte: Karine Bruchez wünschte sich mehr davon, Carole-Anne Kast zeigte sich zurückhaltend.

Ständerat und SGV-Präsident Mathias Zopfi während der GV.

SGV-Direktorin Claudia Kratochvil präsentierte die Jahresrechnung.

Abstimmung im statutarischen Teil der GV.

Impressionen aus dem Publikum.

Moderatorin Natascha Schwyn präsentiert die Deklaration der Städte und Gemeinden.

Podiumsdiskussion mit dem Thurgauer Regierungsrat Walter Schönholzer, dem Nationalrat Laurent Wehrli, Ständerat und SGV-Präsident Mathias Zopfi sowie Moderatorin Natascha Schwyn (von links nach rechts).

Als Dankeschön überreicht SGV-Vizedirektorin Manon Röthlisberger den Teilnehmenden ein Geschenk.

Karine Bruchez, Präsidentin des Genfer Gemeindeverbands und die Genfer Regierungsrätin Carole-Anne Kast im Gespräch mit Moderatorin Natascha Schwyn (von links nach rechts).

Die Teilnehmenden hatten an der GV Gelegenheit, die Deklaration zu unterzeichnen.

Matthias Gysin wurde an der GV neu in den SGV-Vorstand gewählt.

Am posieren: SGV-Vorstandsmitglied Nationalrat Michael Götte, der Thurgauer Regierungsrat Walter Schönholzer, Ständerat und SGV-Präsident Mathias Zopfi sowie SGV-Vorstandsmitglied Boris Tschirky (von links nach rechts).

Deklaration unterzeichnet

Um den Bund an seine Verantwortung gegenüber den Gemeinden zu erinnern, präsentierte der SGV eine Deklaration der Städte und Gemeinden, die er gemeinsam mit dem Schweizerischen Städteverband anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums des Artikels 50 ausgearbeitet hatte. Die Deklaration wird im September an Bundesrat Beat Jans übergeben. An der GV nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gelegenheit, die Deklaration zu unterschreiben.

Gemeindeverband steht solide da

Die Generalversammlung war auch Gelegenheit, auf das vergangene Geschäftsjahr des Schweizerischen Gemeindeverbands zurückzublicken. Finanziell war es erfolgreich: Die Jahresrechnung schloss mit einem Gewinn von rund 38'500 Franken, wie Direktorin Claudia Kratochvil ausführte. Dies sei auf eine grosse Budgetdisziplin, wichtige Partnerschaften sowie tiefere Aufwendungen für das Verbandsmagazin zurückzuführen.

In der politischen Arbeit dominierten unter anderem die geplanten Sparmassnahmen des Bundes. Insbesondere im Asyl- und Umweltbereich würden für die Gemeinden viele Mittel wegfallen, wie SGV-Präsident Mathias Zopfi ausführte. Angesichts sich häufender Naturkatastrophen müssten aber gerade im Umweltbereich die Mittel eher erhöht als gekürzt werden. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die SGV-Mitgliedergemeinde Blatten (VS), welche Ende Mai durch einen Bergsturz vollständig zerstört wurde. Er sprach den Blattnerinnen und Blattnern im Namen des Verbands sein Mitgefühl aus. «Wir als Verband können nur eines tun, nämlich unsere Loyalität und unsere Hilfe dort anzubieten, wo wir es leisten können.»

Neu im SGV-Vorstand: Matthias Gysin

An der Generalversammlung des Schweizerischen Gemeindeverbandes vom 6. Juni in Vernier (GE) wurde das langjährige Vorstandsmitglied Stéphane Coppey, ehemaliger Gemeindepräsident von Monthey sowie ehemaliger Präsident des Walliser Gemeindeverbandes, verabschiedet. Neu in den Vorstand gewählt wurde Matthias Gysin, Gemeindepräsident von Duggingen (BL) und Geschäftsführer des Verbandes Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG). Matthias Gysin bringt grosse Erfahrung im Bereich der Gemeinden mit und vertritt deren Anliegen seit 2021 auch in der Schweizer Delegation im Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarats in Strassburg. 

Nadja Sutter
«Schweizer Gemeinde»
Chefredaktorin