Die Gemeinde Reichenburg hat die ältere Bevölkerung zu einem Mitwirkungsanlass eingeladen, um mehr über ihre Bedürfnisse zu erfahren.

In Reichenburg packen alle an

10.10.2022
10 | 2022

Reichenburg (SZ) zeigt, was sich bewegen kann, wenn alle am gleichen Strang ziehen. Seniorinnen und Senioren entwickeln Visionen für ihre Gemeinde und setzen die gewünschten Projekte gleich selbst um – unterstützt vom Gemeinderat.

Reichenburg – eine Schwyzer Gemeinde mit knapp 4'000 Einwohnenden am Fusse des Austocks – stellt sich den Herausforderungen der demografischen Alterung. Die Gemeinde hat sich ein grosses Ziel gesetzt: Sie möchte ein möglichst selbstständiges und gesundes Leben im Alter fördern. Im Jahr 2020 wurde daher das partizipative Projekt richäburg.füränand «Altersgerechte Gemeinde» lanciert. Gemeinsam mit der älteren Bevölkerung und lokalen Schlüsselpersonen wird der Frage nachgegangen, was es für ein gutes Leben im Alter in Reichenburg braucht. Denn niemand weiss besser Bescheid als die heimischen Seniorinnen und Senioren selbst.

Bestehende Angebote kennen und die Vernetzung stärken

Als erfahrener Umsetzungspartner unterstützt die Schweizerische Gesundheitsstiftung RADIX die Gemeinde Reichenburg beim partizipativen Prozess. Nach der Gründung einer Steuergruppe mit kommunalen Behördenmitgliedern und Verwaltungsmitarbeitenden wurden in einem nächsten Schritt lokale und regionale Akteure sowie Schlüsselpersonen aus dem Altersbereich zu einem Workshop eingeladen. Gemeinsam wurde das bestehende Angebot für die Einwohnerinnen und Einwohner von Reichenburg ermittelt (Bestandsaufnahme), die Herausforderungen aus Sicht der Akteure eruiert und Lücken in der Angebotslandschaft identifiziert (Bedarfserhebung). Ebenso diente der Anlass dem gegenseitigen Kennenlernen und der Vernetzung der Fachpersonen untereinander.

Mitreden, Visionen entwickeln und mitwirken

Im September 2021 wurde die ältere Bevölkerung zu einem Mitwirkungsanlass eingeladen. Gemeinsam gingen die Seniorinnen und Senioren folgenden Fragen nach: Was gefällt Ihnen besonders in Reichenburg? Wo liegen die Herausforderungen in Hinblick auf das Leben im Alter in der Gemeinde? Was für Visionen oder Projektideen haben Sie für Reichenburg?

Während die Teilnehmenden ein geselliges Mittagessen genossen, wurden die zahlreich eingebrachten Anliegen, Ideen und Visionen in Themenbereiche eingeteilt. Noch am Mitwirkungsanlass wurden diese von den Teilnehmenden gewichtet. Danach hatten die Seniorinnen und Senioren die Möglichkeit, sich in Arbeitsgruppen einzutragen. Diese Gruppen arbeiten selbstorganisiert, entscheiden gemeinsam, welche konkreten Projekte sie realisieren möchten und gehen die Umsetzung gleich an. Zurzeit sind folgende Angebote am Entstehen: Gleichaltrigentreffen, Handy- und PC-Kurse, Seniorenturnen, generationsübergreifender Bewegungsparcours, Neulancierung der Plattform füränand.ch für die Nachbarschaftshilfe und den Ausbau der Freiwilligenarbeit.

Im September 2022, etwa ein Jahr nach dem Mitwirkungsanlass, wurde das Engagement für richäburg.füränand «Altersgerechte Gemeinde» mit einem festlichen Anlass für die ganze Bevölkerung gewürdigt. Die verschiedenen Arbeitsgruppen präsentierten ihre Projekte. Die Fortführung der angestossenen Vorhaben soll die Kommission «richäburg.fürenand» sicherstellen. Dazu gehört auch die nachhaltige Verankerung der im Projekt aufgebauten Partizipation.

Gemeinsam handeln im Alter lohnt sich

Ein Engagement seitens der Gemeinde wie in Reichenburg stärkt die Vernetzung von Unterstützungsangeboten für die ältere Bevölkerung. Durch die Koordination der lokalen Akteure, die Sensibilisierung der gesamten Bevölkerung und den Einbezug der Seniorinnen und Senioren wird eine gemeinsame Sorgekultur gefördert und eine gezielte Optimierung des vorhandenen Angebots angestrebt. Durch die Etablierung sozialer Netzwerke steigen die formelle und informelle soziale Unterstützung, das Wohlbefinden sowie die psychische und physische Gesundheit. Somit werden auf kommunaler Ebene bessere Rahmenbedingungen für ein selbstständiges Leben im Alter geschaffen.

«Es muss nicht alles neu erfunden werden. Die Gemeinden können von guten Beispielen und erfahrenen Umsetzungspartnern profitieren.»

Armin Kistler, Gemeindepräsident Reichenburg (SZ)

Im Beispiel von Reichenburg stellt die Gemeinde die personellen Ressourcen für die lokale Projektleitung (zum Beispiel Leitung Soziales, Fachstelle Alter, Gemeinderat). Als Umsetzungspartner begleitet die Schweizerische Gesundheitsstiftung RADIX die Gemeinde bei der Bedarfserhebung und der Durchführung des partizipativen Prozesses. Armin Kistler, Gemeindepräsident aus Reichenburg, meint: «Es muss nicht alles neu erfunden werden. Die Gemeinden können von guten Beispielen und erfahrenen Umsetzungspartnern profitieren.» Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Umsetzung eines partizipativen Vorhabens sind die Anknüpfung an die bereits bestehenden Ressourcen und die Angebote in den Gemeinden.

Eine Politik des «Gemeinsamen Handelns im Altern» stärkt die Vernetzung und Koordination der sozialen Netzwerke für ein gesundes Leben im Alter. Seniorinnen und Senioren tragen mit ihrer Tatkraft und Energie zu einer für sie und für die anderen Generationen lebenswerten Umgebung bei.

Gemeinsam handeln im Alter

In verschiedenen Kantonen und Gemeinden unterstützt RADIX die Konzipierung und Umsetzung von Projekten und Mitwirkungsprozessen im Altersbereich mit dem Angebot «Gemeinsam handeln im Alter». Dazu zählen «Lokal vernetzt älter werden» von Prävention & Gesundheitsförderung Kanton Zürich (Umsetzung in acht Gemeinden) sowie das erwähnte Projekt «Altersgerechte Gemeinde» im Kanton Schwyz (Reichenburg und Gersau). Finanziell werden die Projekte von Gesundheitsförderung Schweiz unterstützt.

«Réseau de soutien aux seniors» heisst das Partnerprojekt in der Romandie. Die Lausanner Geschäftsstelle von RADIX unterstützt die Gemeinden Le Grand-Saconnex (GE), Marly (FR) und Riddes (VD) beim Aufbau eines lokalen Unterstützungsnetzwerks, um der Isolation älterer Menschen entgegenzuwirken. Die Vereinsamung älterer Menschen soll durch den Aufbau eines kommunalen Unterstützungsnetzwerks auf lokaler Ebene verhindert werden. Dies soll gelingen durch den Aufbau auf bestehenden Strukturen und die Aufwertung der Leistungen, die Nutzung von Synergien in der Gemeinde sowie eine Bestandsaufnahme der Bedürfnisse der älteren Menschen und der Gemeinde.

Gabriela Widmer
RADIX Schweizerische Gesundheitsstiftung