Kommunale Parlamente – eine Institution, verschiedene Namen

29.04.2025
5 l 2025

Stadtrat – Exekutive oder Legislative? Beides! In einer Gemeinde ist es das Parlament, in einer anderen die Regierung. Die Bezeichnungen der Parlamente sind sehr vielfältig. Höchste Zeit, sich dieses Themas anzunehmen, nicht zuletzt, da im Kanton Aargau aktuell über die zeitgemässe Bezeichnung debattiert wird.

Einwohnerrat – so lautet die Bezeichnung der kommunalen Parlamente im Kanton Aargau. Es gibt in diesem Kanton keinen Spielraum, weil in der Kantonsverfassung vom Einwohnerrat gesprochen wird.

Dies soll sich nun ändern. Der Regierungsrat schickt einen Vorschlag in die Vernehmlassung (bis 6. Juni 2025), in dem es um die Änderungen verschiedener Funktions- bzw. Organbezeichnungen geht:

Der bisherige «Gemeindeammann» soll neu zum «Gemeindepräsidium» werden.

Der «Landammann» und der «Landstatthalter» werden neu durch «Regierungspräsidium» ersetzt.

Zum Begriff des Parlaments wird vorgeschlagen:

Der kommunale «Einwohnerrat» soll durch die Bezeichnung «Gemeindeparlament» ersetzt werden.

Bei den ersten zwei Punkten liegen die Beweggründe auf der Hand: Diese Bezeichnungen scheinen etwas aus der Zeit gefallen zu sein.

Aber die Änderung beim Einwohnerrat? Auch dieser Begriff würde, so ist es in der Begründung zu entnehmen, in der Praxis «oftmals nicht mehr als zeitgemäss erachtet» werden. Zudem sei immer wieder einmal der Wunsch nach Anpassung des Begriffs geäussert worden, beispielsweise in Stadtparlament.

451 kommunale Parlamente – wie nennen sie sich?

So stellt sich denn nun die Frage, wie sich die 451 kommunalen Parlamente (Stand: 6. April 2025) der Schweiz benannt haben. Welche Bezeichnungen gibt es, welche sind exotisch, welche sehr verbreitet? Abbildung und Tabelle zeigen, dass die verwendeten Begriffe höchst unterschiedlich sind.

Nimmt man die ganze Schweiz als Referenz, so sind die französischen und italienischen Übersetzungen von Gemeinderat – Conseil communal / Consiglio comunale – die häufigsten Bezeichnungen. Dies liegt daran, dass der parlamentsreichste Kanton, die Waadt, und das Tessin diesen Begriff vorschreiben. Überhaupt fällt auf, dass die Deutschschweiz zwar weniger als 1/5 der kommunalen Parlamente stellt, dafür aber ca. 3/5 der Bezeichnungen. Wie steht es nun um die Einwohnerräte?

Einwohnerräte – wie viele und wo?

Neben dem Kanton Aargau kennen die Kantone Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Appenzell Ausserrhoden, Luzern sowie Schaffhausen die Bezeichnung Einwohnerrat – insgesamt gibt es deren 25. In der Deutschschweiz ist das tatsächlich der häufigste Name für ein kommunales Parlament.

Gemeindeparlament – so heissen in der Deutschschweiz die wenigsten

Wie steht es nun um die vorgeschlagene Bezeichnung «Gemeindeparlament»? Das mag eine Überraschung sein: Es gibt lediglich fünf kommunale Legislativen in der Deutschschweiz (in den Kantonen Bern, Graubünden, Solothurn, Zürich), die diese Bezeichnung tragen. Ein Grund liegt wohl darin, dass gerade für Städte mit der Exekutivbezeichnung Stadtrat die Bezeichnung Gemeindeparlament seltsam anmutet.

Werden Parlamente umbenannt?

Voraussetzung, damit Parlamente umbenannt bzw. unterschiedlich bezeichnet werden können, ist eine gesetzliche Grundlage dafür. So wurde im Kanton Zürich mit Inkrafttreten des neuen Gemeindegesetzes am 1. Januar 2018 auf die Bezeichnung «Grosser Gemeinderat» verzichtet. «Gemeindeparlament» wird bei der Aufzählung als eines der Gemeindeorgane genannt, mit dem Zusatz: «Die Gemeindeordnung kann für (…) das Gemeindeparlament andere Bezeichnungen festlegen.» Diese Möglichkeit wurde rege genutzt:

Im Abstimmungsbüchlein der Stadt Winterthur (Abstimmung: 26. September 2021) wird knapp ausgeführt: «Weil die Bezeichnung ‹Grosser Gemeinderat› veraltet ist, soll das Parlament neu und schlicht ‹Stadtparlament› heissen».

Ebenso wechselte Illnau-Effretikon von «Grosser Gemeinderat» zu «Stadtparlament».

In Wetzikon entscheid man sich schlicht für «Parlament».

Der Kanton Zürich zeigt, dass Parlamentsgemeinden die Möglichkeit nutzen, «ihr» Parlament adäquat zu bezeichnen, wenn die rechtliche Grundlage dies ermöglicht. Wäre dies nicht auch für den Kanton Aargau der «modernere» Weg? So können Legislative und Exekutive auch dem Namen nach zu einem «Gegenüber» werden.

Michael Strebel
Professor für Politikwissenschaft