
Kompetenzzentrum: Segen oder Stolperstein?
Immer mehr Gemeinden stellen sich die Frage nach der Schaffung von Kompetenzzentren. Dass es zu dieser Fragestellung kommt, liegt oft an der Grösse der Gemeinde oder an fehlender Fachkompetenz. Ob es sich bei der Bildung von Kompetenzzentren um eine Zukunftslösung handelt, wird die Erfahrung zeigen. Klar ist, dass ein Umdenken der Strukturen stattfinden wird – und muss.
Viele kleine und mittelgrosse Gemeinden haben aufgrund ihrer Grösse nicht die Möglichkeit, Stellvertretungen sicherzustellen. Fällt eine Person aus, fehlen die Fachkompetenz sowie die Ressourcen, und die Übernahme der Arbeiten kann durch die eigene Verwaltung nicht mehr sichergestellt werden. Die Möglichkeit, eigenes Personal mit wenig Erfahrung intern aus- und weiterzubilden besteht meist nicht. So bleibt nur, die offene Stelle auszuschreiben und zu hoffen, dass diese zeitnah durch jemanden mit der benötigten Fachkompetenz besetzt werden kann.
Kompetenzzentrum ja oder nein
Fakt ist, dass auf gewisse Bereiche der Verwaltung kaum politisch Einfluss genommen werden kann. Diverse Arbeiten könnten ohne Weiteres ausgelagert oder durch ein Kompetenzzentrum erledigt werden. Prädestiniert sind: soziale Dienste, Werkhof, Steueramt und Finanzen. Sehen die Gemeinden in diesen Bereichen grössere Gebilde vor, können Stellvertretungen sichergestellt werden, und die Anwesenheit einer Ansprechperson ist besser gewährleistet. Ob die Bildung eines Kompetenzzentrums oder die Auslagerung der Bereiche die bessere Lösung ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Auslagerung von Abteilungen ergibt vor allem dann Sinn, wenn in der Nähe eine grössere Gemeinde oder eine Stadt die Ressourcen hat, die Arbeiten zu übernehmen. Zu weite Wege können auch in diesem Bereich wieder zu Herausforderungen führen.
Zwischen Mitgestaltung und Machtverlust
Entscheidet sich eine Gemeinde für eine Zusammenarbeit, ist eines der grössten und vor allem emotionalsten Themen der Verlust von Einfluss. Eine Gemeinde könnte sich in einem Bereich benachteiligt fühlen, zudem könnten Diskussionen über das Präsidium entstehen. So erstaunt es nicht, dass vor allem im Bauwesen und in der Raumplanung kaum Zusammenarbeiten zustande kommen. In diesem Bereich besteht ein grosser Ermessensspielraum für Entscheidungen. Die Gemeinden arbeiten mit kommunalen Baureglementen sowie mit unterschiedlichen Vorschriften. Auch hat jede Gemeinde im Bereich der Planung andere Herausforderungen und regelt die Abläufe unterschiedlich.
Wie heute bereits funktionierende Kompetenzzentren zeigen, braucht es Zeit und Geduld, bis alles läuft und eingespielt ist. Die Beteiligten sprechen jedoch von Erfolg. Das Kompetenzzentrum Soziale Dienste See im Kanton Thurgau gibt es nun seit mehreren Jahren, und nach den anfänglichen Problemstellungen, vor allem auf strategischer Ebene, kann heute von einer Erfolgsgeschichte gesprochen werden.

Let’s go
Für den Anstoss einer Zusammenarbeit müssen in erster Linie eine Idee und die nötige Geduld vorhanden sein. In einem weiteren Schritt ist es wichtig, dass die strategischen Ebenen der Gemeinden das Vorhaben unterstützen. Auch müssen vor dem Start die Rahmenbedingungen klar definiert sein. Dies bestätigen im Gespräch die Leiterinnen der Thurgauer Kompetenzzentren Soziale Dienste See und Soziale Dienste Süd. So wird das nötige Vertrauen geschaffen, das unabdingbar ist. Die Kommunikation gegenüber der Bevölkerung und dem Personal muss mit der nötigen Sorgfalt erfolgen, damit das Projekt zum Erfolg wird. Ein ebenfalls wichtiger Bestandteil bei der Bildung eines Kompetenzzentrums sind Abklärungen bezüglich der Räumlichkeiten und des Datenschutzes.
Dass die Bildung eines Kompetenzzentrums in der ersten Phase höhere Kosten verursacht als bei einem Alleingang, muss den politischen Entscheidungstragenden bewusst sein. Beim Start darf nicht gespart werden, und die Stellen müssen, wann immer möglich, voll besetzt sein. Wenn die Initialphase abgeschlossen ist, können die Abläufe optimiert und gegebenenfalls Ressourcen eingespart werden.
Vision, Mut, Geduld und sorgfältige Planung
Der Aufbau eines Kompetenzzentrums erfordert eine klare Vision, Mut, Geduld und eine sorgfältige Planung. Durch das grössere Konstrukt wird die Gemeinde kundenfreundlicher, da eine höhere Abdeckung gewährleistet ist, Stellvertretungen sichergestellt sind und das Personal zufriedener ist. Für dieses ist ein fachlicher Austausch untereinander möglich, und bei persönlichen Befangenheiten kann ein Fall intern weitergegeben werden. Die Arbeit wird auf mehrere Schultern verteilt, und gleichzeitig können die Teammitglieder ihre verschiedenen Fähigkeiten einbringen. Das gegenseitige Vertrauen, die interne Kommunikation und ein sensibles Vorgehen sind entscheidend. Personal, Infrastruktur und rechtliche Aspekte wie Datenschutz und Vertragswesen müssen bedacht werden. Zeit, Geduld und zahlreiche Gespräche sind notwendig, um Hürden der Zusammenarbeit zu überwinden. Kostenneutralität und Professionalität sollten gewahrt bleiben, wobei die Grösse eines Kompetenzzentrums gut abgewogen werden muss.
Varianten der Zusammenarbeit von Gemeinden im Kanton Thurgau
Lose Zusammenarbeit: Hier reicht es, einen gemeinsamen Zusammenarbeitsvertrag aufzusetzen. Dies ist eine einfache und unkomplizierte Art, die zeitnah umgesetzt werden kann.
Auslagerung von Arbeiten: Es wird ein Vertrag ausgearbeitet, in dem die Dienstleistungen, die angeboten werden, abgebildet sind. Es gibt kein Mitspracherecht bei der täglichen Arbeit des Dienstleisters, jedoch liegt auch die ganze Verantwortung beim Anbieter, der Anbieterin.
Verein: Der Zweck des Vereins muss klar bekannt sein. Es muss sichergestellt sein, dass die Vereinsstruktur und die Zusammenarbeit unter den Gemeinden den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Der Vorteil ist, dass ein Verein einfach und flexibel ohne Abstimmung durch die Bevölkerung gegründet werden kann. Achten muss man auf die rechtlichen Grundlagen, allenfalls ist eine Bewilligung des Kantons notwendig. Die hoheitlichen Kompetenzen verbleiben bei dieser Lösung weiterhin bei der Gemeinde.
Zweckverband: Bei der Gründung eines Zweckverbands muss die Bevölkerung miteinbezogen werden. Sie muss ihre Zustimmung entweder an der Gemeindeversammlung oder an der Urne geben. Dadurch kann der Prozess länger dauern. Hier werden die hoheitlichen Kompetenzen der Gemeinde an den Zweckverband übertragen.