Familie Müller gewinnt aus Mist Energie.

Land- und Energiewirtschaft aus einer Hand

02.10.2023
10 l 2023

Dank Pioniergeist gelingt es einem Landwirtschaftsbetrieb in Thayngen (SH), Mist in Strom und Wärme umzuwandeln. Aus der Biomasse wird Biogas gewonnen, das in vielfältiger Weise zur Energieversorgung der Gemeinde beiträgt.

Mist ist farbenfroh – grün für Rüstabfälle, braun für Hühnermist, hellbraun für Rindermist. Auf dem Deponieplatz der Biogasanlage auf dem Hof Unterbuck der Familie Christian und Andrea Müller in Thayngen (SH) türmen sich Berge, die anschliessend durch einen Schredder verkleinert in die sechs Meter tiefen Gärbehälter gelangen. Ein Traktorführer eines Nachbarbetriebs ist gerade dabei, einen Anhänger voller Flüssigjauche zu entleeren. Das Gitter der Füllklappe ermöglicht einen Blick in die blubbernde, homogene schwarzbraune Masse.

«Wir mixen hier unsere Gemüsesuppe mit diversen Zutaten», scherzt Landwirt Christian Müller, der zusammen mit seiner Frau diese gross dimensionierte Anlage erstellen liess. Die Mikroorganismen müssen richtig ernährt sein, damit sie das gewünschte Biogas produzieren. Am Rande der Biogasanlage steht eine Remise, woraus brummende Geräusche entweichen. Hier ist das Blockheizkraftwerk (BHKW) installiert. Bei maximaler Auslastung arbeiten zwei vom Biogas angetriebene Gasmotoren an der Umwandlung in elektrischen Strom.

Was hier eindrucksvoll steht und jeden Tag reibungslos funktionieren muss, hat eine lange Vorgeschichte. Das Motiv: Nebst der Rindfleischproduktion und dem Kartoffel- und Maisanbau soll dem Landwirtschaftsbetrieb der Einstieg in die Energiewirtschaft gelingen. Eine erste Idee entwarf das Betriebsleiterpaar bereits 2006. 2012 gründeten die beiden dann die Müller Energie GmbH und legten los.

Strom und Wärme für die Nachbarschaft

Der primäre Nutzen der Biogasanlage ist die Stromproduktion. Ebenso wichtig sind aber zwei weitere Vorteile. Zu nennen ist der Ausgleich der Nährstoffbilanz für zehn weitere Höfe in der Region. Landwirte mit sehr hohen Viehbeständen an Hühnern oder Kühen bringen viel Substrat, holen aber nur geringfügig Gärrückstände zurück. Andererseits sind Gemüse- und viehlose Betriebe an den nährstoffreichen Gärresten sehr interessiert. Denn die Gärrückstände wirken sich sehr positiv auf die Qualität der Ackerkulturen aus, da die Pflanzen daraus die Nährstoffe sehr gut aufnehmen.

Das Bereitstellen von Wärme für den nahe gelegenen Siedlungskern von Thayngen ist der zweite wichtige Ertrag aus der Anlage. Hierbei nahmen die Müllers ein unternehmerisches Risiko auf sich und bauten für rund zwei Millionen Franken ein inzwischen 2,5 Kilometer langes Nahwärmenetz, das via kommunale Strassen und private Grundstücke zu den Abnehmern verlegt wurde. Mittlerweile sind 300 Wohneinheiten, ein Schulhaus und drei Gewerbebetriebe ans Wärmenetz angeschlossen. Die Wärmeversorgung aus erneuerbarer Quelle trägt dazu bei, dass sich die Gemeinde Thayngen mit dem Label «Energiestadt» schmücken darf.

Zusammenarbeit mit regionalem Versorger

Zwar kann mit dem ganzjährig anfallenden Biogas Bandenergie zur Verfügung gestellt werden. Dennoch bedarf es eines klugen Energiemanagements, um die Bedarfsschwankungen bezüglich der Strom- und Wärmenachfrage auszugleichen. So dient ein gross dimensionierter Warmwasserspeicher von 85 000 Litern dem Ausgleich der täglichen Fluktuation des Wärmebedarfs der Netzteilnehmer – morgens oder abends wird geduscht, mittags läuft der Geschirrspüler, nachts ist der Heizungsbedarf gering.

Ebenso grosszügig wurde der Gasspeicher konzipiert. Dem regionalen Stromversorger EKS ist es erlaubt, je nach Bedarf im Netz den Strom der Müller Energie GmbH aus ihrer hofeigenen Fotovoltaikanlage und den Gasmotoren-BHKW ins Netz einzuspeisen oder nötigenfalls dies zu unterbrechen. Das Gaslager der Biogasanlage leistet mit seiner Speicherfähigkeit einen Beitrag zur Lastregelung und Stabilität des Stromnetzes. Im Sommer kann überschüssige Wärme dank Netzanschluss an die Autowaschanlage abgegeben werden.

Premiere: Treibstoff direkt ab Hof

Im Sommer 2022 lancierte der Hof Unterbuck eine weitere Premiere: Dann ging nämlich die erste landwirtschaftliche Biogas-Tankstelle der Schweiz in Betrieb. Die Biogasaufbereitung zu Treibstoffqualität steigert nochmals die Gesamteffizienz des auf Biomasse beruhenden Energiesystems. Mit dem Treibstoff der Biogas-Tankstelle lassen sich nicht nur die Felder klimaneutral bestellen. Auch der lokale Entsorger nutzt den Treibstoff vor der Haustür für seine Sammeltour, sodass die Kehrichtabfuhr von Thayngen CO2-neutral wird.

Mit Blick zurück auf das bisher Geleistete sagt das innovative Betriebsleiterpaar: «Die Landwirtschaft ist prädestiniert für solche Projekte. Mit der Kopplung von Lebensmittelproduktion und Energieertrag leistet sie einen wichtigen Beitrag hin zu geschlossenen Kreisläufen und zur Versorgungssicherheit.»

Sie wollen mehr über die Gewinnung von Strom und Wärme aus Biogas erfahren?

Andrea Müller wird am 8. November 2023 in der Markthalle Burgdorf ein Referat am diesjährigen Powerloop-Forum halten. Der Titel der Veranstaltung lautet «Bauerloop – jeder Miststock zählt». Der Schweizerische Gemeindeverband unterstützt den Anlass und die Initiative für mehr regionale Energie.

Manuel Fischer
Chefredaktor «Phase5»
Kurt Lanz
Fachverband Powerloop
Geschäftsführer