Vielfältige Landschaftselemente prägen die Tessiner Gemeinde Agno. Vorschläge, wie diese auch künftig erhalten bleiben können, gab die Impuls-Landschaftsberatung.

Landschaftliche Werte in der Gemeinde erkennen

06.02.2023
1-2 l 2023

In der Ortsplanung spielt die landschaftliche Entwicklung eine wichtige Rolle. Gemeinden erkennen und berücksichtigen mit Unterstützung von Fachpersonen die Besonderheiten ihrer Landschaft.

«Landschaft ist ein abstraktes Konzept. Alle sprechen darüber. Wie konkret damit umzugehen ist, weiss aber niemand genau.» Mit dieser Meinung steht Thierry Morotti, Bürgermeister von Agno im Malcantone (TI), nicht alleine da. Vielen Gemeinden geht es ähnlich: Sie wissen um den Wert einer unverbauten Aussicht, eines bedeutenden Baumbestandes oder einer das Ortsbild prägenden Grünanlage. Diese Werte im Zuge einer baulichen Entwicklung zu erhalten, stellt jedoch viele Gemeinden vor eine grosse Herausforderung. Allzu schnell ist der Blick in die Berge zugebaut, der wertvolle Einzelbaum gefällt oder die Grünfläche dezimiert.

«Landschaft ist ein abstraktes Konzept. Alle sprechen darüber. Wie konkret damit umzugehen ist, weiss aber niemand genau.»

Thierry Morotti, Bürgermeister Agno (TI)

Fachberatung kann in dieser Situation helfen. Deshalb hat der Bundesrat im Landschaftskonzept Schweiz ein strategisches Ziel der Sensibilisierung und Beratung gewidmet. Zur Umsetzung dieses Ziels hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) gemeinsam mit den Kantonen, dem Gemeinde- und dem Städteverband sowie relevanten Berufsverbänden das Pilotprojekt Impuls-Landschaftsberatung entwickelt. Das Angebot richtet sich an kleine und mittlere Gemeinden und ermöglicht es ihnen, bei konkreten Fragestellungen Beratungen in Anspruch zu nehmen. Expertinnen und Experten helfen den Gemeinden, landschaftliche Werte zu erkennen, Fragen im Spannungsfeld von Raumplanung und Landschaftsentwicklung zu klären und mögliche Handlungsachsen zu skizzieren.

Konkrete Grundlagen

Ausgangspunkt für die Beratung in Agno war ein 2020 erstelltes Leitbild für eine Strategie der Siedlungsentwicklung. Da das Thema Landschaft darin zu kurz gekommen war, beauftragte Bürgermeister Morotti die Landschaftsberaterin Alma Sartoris, der Gemeinde einen Überblick über landschaftliche Werte, mögliche Konflikte und Potenziale zu verschaffen sowie denkbare Strategien vorzuschlagen. Die Geografin mit eigenem Beratungsbüro diskutierte die Fragestellungen mit dem Gemeindepräsidenten und dem Leiter des Planungsamts, studierte vorhandene Unterlagen und die Begebenheiten vor Ort und fasste die gewonnenen Erkenntnisse in einem kurzen Bericht zusammen.

Ihr Fazit: Die Gemeinde im Einzugsgebiet der Stadt Lugano verfügt über eine breite Palette an landschaftlichen Perlen – vom attraktiven Seeanstoss über vielfältige Waldzonen bis hin zu den die Landschaft prägenden Weinbergen. Zu Fuss und per Velo gut an den Siedlungsraum angebunden, spielen die Landschaftsräume nicht zuletzt für die Naherholung eine wichtige Rolle. Sartoris ist überzeugt, dass dieser Qualität bei einer baulichen Verdichtung und Weiterentwicklung Rechnung getragen werden muss. Bürgermeister Morotti ist zufrieden mit dem Resultat der Beratung: «Der Bericht gibt uns konkrete Grundlagen in die Hand, auf die wir uns bei künftigen Arbeiten abstützen können.»

Unterstützung für Revision der Ortsplanung

Zufrieden mit der in Anspruch genommenen Beratung ist auch Claudio Simonet, Präsident von Medel (GR). Die Gemeinde unweit des Lukmanierpasses besteht aus mehreren Weilern und Dörfern in der Ebene des Val Medel. Die anstehende Revision der Ortsplanung gab hier Ausschlag für den Beizug des Landschaftsberaters Kenneth Dietsche. Die vom Kanton vorgegebene Reduktion der Wohnzonen ist vor allem für das grösste Dorf, Curaglia, eine Herausforderung. Als Entscheidungsgrundlage für die nötigen Auszonungen wollte die Gemeinde mehr über die landschaftlichen Werte vor Ort wissen. Eine Diskussion zur Schärfung der Fragestellungen sowie ein Augenschein vor Ort bildeten die Grundlage für die Erarbeitung eines Berichts samt Konzeptplan.

Dietsche verweist darin auf die räumlichen Bezüge zwischen historischem Dorfkern, landschaftlichem Kontext und der die Siedlung prägenden Hauptstrasse. Einen Fokus setzt er auf die Siedlungsränder und ihre Verzahnung mit der offenen Landschaft. Davon leitete er Handlungsansätze für die weitere bauliche Entwicklung des Dorfes ab. Seine Erkenntnisse unterstützen die Gemeinde bei der Umsetzung der geforderten Anpassung der Bauzonen. Die Arbeiten entstanden in engem Austausch mit der für die Gemeinde zuständigen Raumplanerin. Alle Parteien werteten den Prozess als bereichernd: «Die Landschaftsberatung erlaubte einen frischen Blick auf das Thema der Auszonung – eine Fragestellung, mit der viele Gemeinden zu tun haben», fasst Gemeindepräsident Simonet zusammen.

«Die Landschaftsberatung erlaubte einen frischen Blick auf das Thema der Auszonung – eine Fragestellung, mit der viele Gemeinden zu tun haben.»

Claudio Simonet, Gemeindepräsident Medel (GR)

Überzeugt von der Wichtigkeit des Angebots ist auch Daniel Arn, der das Pilotprojekt im Bafu leitet. «Die Impuls-Landschaftsberatungen helfen den Gemeinden, ihre spezifischen Landschaftsqualitäten zu erkennen, Defizite zu identifizieren und Ansätze zu deren Behebung zu erarbeiten.» Das Ziel sei, bei einer Beschränkung auf einen Umfang von maximal vier Arbeitstagen Denkanstösse zu geben. Die Gemeinden werden animiert, die landschaftlichen Aspekte in einem nächsten Schritt zu vertiefen oder in künftigen Planungen von Beginn an zu berücksichtigen.

Impuls-Landschaftsberatung

Den Gemeinden stehen ausgewiesene Landschaftsfachleute aus allen Sprachregionen der Schweiz für eine Landschaftsberatung zur Verfügung. Die Expertinnen und Experten kennen kommunale Problemstellungen, sind in der Ortsplanung erfahren und beschäftigen sich in ihrem Planungsalltag auf unterschiedlichen Massstabsebenen mit dem Thema Landschaft. Während der Testphase sind die Beratungen für die Gemeinden kostenlos. Detaillierte Informationen zum Angebot sind abrufbar unter: www.bafu.admin.ch/landschaftsberatung

Das Beratungsangebot unterstützt Gemeinden dabei, die Ziele des Landschaftskonzepts Schweiz (LKS) (admin.ch) zu berücksichtigen. Das Konzept gemäss Art. 13 des Raumplanungsgesetzes definiert die Leitplanken für eine qualitätsvolle Entwicklung der Landschaft in der Schweiz.

Claudia Moll
Abteilung Biodiversität und Landschaft
stv. Chefin Sektion Landschaftspolitik
Bundesamt für Umwelt