
Mehr Natur mitten im Dorf
Die Revitalisierung des Sevelerbachs zeigt, wie Gemeinden ein ökologisches Vorzeigeprojekt realisieren können, von dem Bevölkerung und Natur gleichermassen profitieren. Ursula Wunder Novotny und Thomas Sturzenegger vom Gemeinderat in Sevelen im St. Galler Rheintal teilen ihre Erfahrungen – und machen anderen Mut, ein ähnliches Projekt umzusetzen. Aqua Viva unterstützt das Projekt im Rahmen von «Lebendiger Dorfbach» mit Finanzierung, Fachwissen und Öffentlichkeitsarbeit.
Was entsteht, wenn sich eine engagierte Gemeinde und eine erfahrene Naturschutzorganisation zusammenschliessen? In Sevelen (SG) ist das Resultat ein naturnaher Bachlauf, der das Ortszentrum aufwertet, neuen Lebensraum schafft und nicht nur für viele Kinder zum Lieblingsplatz geworden ist.
Der stark verbaute Sevelerbach lief über Jahrzehnte schnurgerade durch das Dorfzentrum. Die Ausgangslage für eine Aufwertung war günstig: Die Gemeinde pflegt gute Beziehungen zum mehrheitlichen Grundeigentümer einer Bachseite, mit dem sie rasch einen Nutzungsvertrag abschliessen konnte. Weitere Parzellen gehören der Gemeinde selbst. Dies half, um konstruktiv mit den Anwohnenden der anderen Bachseite zu verhandeln, die dem Projekt mehrheitlich positiv gegenüberstanden. «So entstand die Idee, die baulichen Entwicklungen mit einer ökologischen Aufwertung des Bachabschnitts zu verbinden», erinnert sich die Gemeinderätin Ursula Wunder Novotny.
«Wenn man die Chance hat, mitten im Dorf einen Bach zu revitalisieren, sollte man sie nutzen.»
Ein Partner, der den ersten Schritt möglich machte
Bereits zu Beginn des Projekts spielte «Lebendiger Dorfbach», ein Projekt der Umweltorganisation Aqua Viva, eine entscheidende Rolle. Es finanzierte die Vorstudie, den ersten Schritt von der Idee zur konkreten Planung. Zudem unterstützte Aqua Viva die Gemeinde fachlich während des gesamten Prozesses. «Für uns war es das erste Revitalisierungsprojekt – da war es Gold wert, einen erfahrenen Partner an der Seite zu haben», betont Thomas Sturzenegger, der das Projekt mit der Übergabe des Ressorts für Umwelt von Ursula Wunder Novotny übernommen hatte.
Gerade bei komplexen Fragen, etwa in der Zusammenarbeit mit kantonalen Stellen, war die Expertise von Aqua Viva zentral. Hinzu kam die kommunikative Begleitung mit Infotafeln und regelmässigen Foto- und Videoaufnahmen. Dadurch wurde die lokale Bevölkerung informiert und das Projekt über die Gemeinde hinaus sichtbar gemacht.
«Ich habe als neuer Gemeinderat enorm von dieser Unterstützung profitiert», sagt Thomas Sturzenegger. «Man merkt, dass da Menschen mit Herzblut und Erfahrung am Werk sind.»
Finanzierung mit breiter Abstützung
Die Revitalisierung des rund 300 Meter langen Abschnitts kostete insgesamt rund 750 000 Franken inklusive Planungsleistungen durch das Ingenieurbüro. Rund 35 Prozent der Kosten wurden durch Bundesmittel gedeckt. Weitere Beiträge kamen von Dritten, den Rest trug die Gemeinde.
Die Organisation vor Ort lag bei der Umwelt- und Naturschutzkommission Sevelen. Von der Idee bis zur Umsetzung vergingen rund fünf Jahre, geprägt von vielen Gesprächen, Abklärungen und auch Rückschlägen. «Gerade die Zusammenarbeit mit kantonalen Behörden war zeitintensiv», so Ursula Wunder Novotny. «Manchmal fühlte es sich an wie ein ständiges Auf und Ab – auf ein Ja folgte ein Problem, dann wieder ein Fortschritt. Aber rückblickend hat es sich gelohnt.»
«Für uns war es das erste Revitalisierungsprojekt – da war es Gold wert, einen erfahrenen Partner an der Seite zu haben.»
Ein neuer Lern- und Lebensraum
Kiesinseln, Strömungsvielfalt und Sträucher machen aus dem früher monotonen Kanal einen naturnahen Wasserlauf – genau zwischen zwei Schulhäusern. «Wir wollten auch einen ausserschulischen Lernort schaffen», erklärt die ehemalige Präsidentin der Umwelt- und Naturschutzkommission.
Und dieser wird genutzt: Spaziergänger, spielende Kinder und Schulklassen beleben den neuen Uferraum. «Bilder wie diese gab es früher nicht», sagt Thomas Sturzenegger. «Ein kleines Naherholungsgebiet mitten im Dorf – das ist in unserer Region einzigartig.»
Wirkung, die über den erfreulichen Anblick hinausgeht
Aqua Viva begleitet das Projekt nach der baulichen Umsetzung weiter – mit einer ökologischen Erfolgskontrolle. «Es geht uns nicht nur um einen optisch schöneren Bach», erklärt der Gewässerökologe Dominic Tinner, Projektleiter von «Lebendiger Dorfbach», «sondern um ein funktionierendes Ökosystem, von dem Mensch und Natur langfristig profitieren.»
Auch in der Bevölkerung kam die Aufwertung gut an, kritische Stimmen blieben klar in der Minderheit. «Ich bin stolz, dass wir gemeinsam mit den Anwohnerinnen und Anwohnern diese Aufwertung realisieren konnten», so Thomas Sturzenegger. «Viele wollten der Natur wieder mehr Raum geben – das war entscheidend.»
Rückblickend würden Ursula Wunder Novotny und Thomas Sturzenegger anderen Gemeinden ein ähnliches Projekt uneingeschränkt empfehlen. «Die grösste Herausforderung ist meist nicht das Geld – sondern die Einbindung aller Beteiligten», betont Ursula Wunder Novotny. Dafür brauche es Zeit, Geduld und eine Vision. «Wenn man die Chance hat, mitten im Dorf einen Bach zu revitalisieren, sollte man sie nutzen.»
Das Projekt «Lebendiger Dorfbach»
Ob bei der Planung, bei der Suche nach Drittmitteln oder der Öffentlichkeitsarbeit: Aqua Viva begleitet die Gemeinden partnerschaftlich und mit grosser Erfahrung. Ziel ist es, die ökologische Qualität von Dorfbächen zu verbessern und gleichzeitig neue Erholungsräume für die Bevölkerung zu schaffen. Das Angebot richtet sich an Gemeinden in der ganzen Schweiz.
Informationen und Kontakt:
Dominic Tinner, Projektleiter «Lebendiger Dorfbach»