Eine Aufnahme des Kirchhofes von Mumpf um 1900. Diese Fotografie und viele andere sind auf WikiMumpf digitalisiert.

Mumpf blickt zurück – dank der Digitalisierung

16.11.2022
11 | 2022

Die Gemeinde Mumpf (AG) beleuchtet auf einer eigens geschaffenen Website namens WikiMumpf ihre eigene Geschichte. Ein kleines Team will mit dem Onlinelexikon den Einwohnerinnen und Einwohnern die Vergangenheit näherbringen.

Kennen Sie Mumpf? Das Dorf im Kanton Aargau hat ungefähr 1500 Einwohnerinnen und Einwohner und liegt rund 30 Kilometer östlich von Basel am Hochrhein, gleich an der Grenze zu Deutschland. Von Mumpf geht der Blick über den Rhein nach Bad Säckingen und in die Hügel des Schwarzwaldes. Bahnlinie und Autobahn führen durch das Dorf; die gute öV-Anbindung hat in den letzten Jahrzehnten viele Zuzüger angezogen.

Der Verkehr spielt schon lange eine Rolle in Mumpf: Das Dorf war einst eine wichtige Pferdewechselstation auf der Strecke von Basel nach Brugg beziehungsweise Zürich und eine von vier Poststellen zwischen Basel und dem Bodensee. Bis zum frühen 19. Jahrhundert war Mumpf habsburgisch, bevor es 1803 zum Kanton Aargau und damit zur Eidgenossenschaft kam. Das Dorfrecht besitzt der Ort schon seit dem Mittelalter; ein Dokument mit der Erneuerung des Dorfrechts von 1535 zeugt davon.

Eine Chronik und ein Museum

«Mumpf hat historisch einiges zu bieten», sagt Gerhard Trottmann. Der pensionierte Reallehrer und Wikipedia-Autor hat ein Buch zur Geschichte von Mumpf verfasst. Momentan arbeitet er daran, die Bädergeschichte des Dorfes genauer zu erforschen. Denn Mumpf war bis ins späte 20. Jahrhundert hinein auch ein Kurort. Nur: Viele Einwohnerinnen und Einwohner wissen wenig bis gar nichts über das reiche historische Erbe.

Vor der Jahrtausendwende gab es einige Mumpfer, die das ändern wollen. Im Jahr 1999 wurde die Kulturkommission gegründet, welche die Jahreschronik «Mumpfer Fähri» ins Leben rief. Darin informierte sie nicht nur über Historisches, auch aktuelle Anlässe wie Schullager wurden beleuchtet. Bald entstand auch die Idee eines Dorfmuseums, das 2012 im alten Dreschschopf unter der Autobahnbrücke eröffnet wurde – eine Gruppe von 17 Mumpfern engagierte sich freiwillig dafür.

«Das Zusammentragen der Ausstellungsgegenstände war ziemlich einfach», erinnert sich Gerhard Trottmann. «Wir haben einen Aufruf gemacht, und die Einwohnerinnen und Einwohner haben uns alte Gegenstände vorbeigebracht.» Und das waren nicht wenige: Im Museum sind auf zwei Etagen alte Werkzeuge, Karren, Körbe, Kleider, Fischereiutensilien, Schreibmaschinen, Uhren, Töpfe, Bilder und vieles mehr ausgestellt. Ein Prachtexemplar ist der alte, sorgfältig restaurierte Feuerwehrwagen. Oder die alte Bahnhofsuhr von Mumpf vom Ende des 19. Jahrhunderts. «Leider läuft sie nicht mehr», bedauert Gerhard Trottmann.

Gerhard Trottmann im Museum von Mumpf.

Wer den QR-Code bei den ausgestellten Gegenständen scannt, erfährt mehr darüber.

Vor dem Museum sind alte Wasserleitungen ausgestellt, die in Baumstämme eingelassen waren.

Blick ins Museum mit dem alten Feuerwehrwagen.

Kunst und Alltagsgegenständige: Im Museum hat vieles Platz.

Moderne Mittel

2018 feierte Mumpf das 800-jährige Bestehen mit einer Spezialausstellung. «Wir konnten so das Erbe weitertragen», erinnert sich Gerhard Trottmann. Es wurde aber auch klar: Um die Leute zu erreichen, braucht es moderne Mittel. Das zeigt sich auch im Museum, wo diverse Ausstellungsgegenstände mit einem QR-Code versehen sind. Wer diese mit dem Smartphone scannt, kann virtuelle Beschreibungen dazu lesen.

Und auch das neuste Projekt ist rein digital: WikiMumpf, das Onlinelexikon zur Gemeinde. Als Wikipedia-Autor war die Idee für Gerhard Trottmann naheliegend. Gerade auch, weil die Chronik «Mumpfer Fähri» seit einigen Jahren nicht mehr gedruckt wird. «Es war uns ein Anliegen, einen Ersatz für die ‹Fähri› zu schaffen.» Seit Oktober 2021 ist WikiMumpf online. Betreut wird es von einem vierköpfigen Redaktionsteam, bestehend aus Gerhard Trottmann, der Historikerin Barbara Bolliger, der Lehrerin Doris Hänggi und Gemeindeschreiber Reto Hofer.

Historische Trouvaillen

Sie haben Artikel zu verschiedenen Themen und Personen aus der Geschichte Mumpfs zusammengetragen. Zum Beispiel zur Eisenbahn und zum Bahnhof, zur über die Dorfgrenzen hinaus bekannten Kunststickerin Mathilde Riede-Hurt oder zu archäologischen Funden aus Mumpf. Darüber hinaus sind historische Dokumente, Fotos, Ton- und sogar Filmaufnahmen auf der Plattform zu finden. Zum Beispiel zum Lachsfang um 1900 am unteren Hochrhein – ein Video, von dem Gerhard Trottmann nicht mehr sagen kann, wie es zum WikiMumpf-Team kam. Auch hier: Vieles wurde aus der Bevölkerung an die Redaktion herangetragen.

Schifffahrt auf dem Rhein um 1900.

Oberstufenabteilung 1935, mit Lehrer Alphons Zumsteg.

Unterschule 1927, mit Lehrer Siegfried Wunderlin.

Güterverlad zwischen Schuppen und Waage, Datum unbekannt.

Der Bahnhof von Mumpf in den 1960er Jahren. 

Die Homepage hat das gleiche Layout wie jene der Gemeinde Mumpf. «Das war uns wichtig, damit die Zugehörigkeit gleich von Anfang an klar ist», sagt Gerhard Trottmann. Gemeindeschreiber Reto Hofer sei ein wichtiger Link zur Gemeinde, erste Ansprechperson und sehr engagiert. Das sei ein grosses Glück. Ein Heimwehmumpfer kümmert sich um die Gestaltung der Homepage.

Gerhard Trottmann weiss, dass das Onlinelexikon von der ganzen Welt aus aufgerufen wird, auch von den USA, Kanada und Australien aus. Das seien teils Menschen, die von ausgewanderten Mumpfern abstammen. «Sie suchen nach ihren Vorfahren.» Und spätestens seit die SRF-Informationssendung «Echo der Zeit» über das Projekt berichtet hat, erhält Gerhard Trottmann auch aus der Umgebung viele Reaktionen.

Ähnlich geht es der Mumpfer Gemeindepräsidentin Eveline Güntert. In der Gemeinde sei das Projekt sehr gut angekommen, weshalb sie auch einen finanziellen Beitrag zur Betreibung der Homepage leiste. «Mit WikiMumpf ist der Schatz des Dorfes digital für die Zukunft aufbewahrt.» Viele der alten Dokumente, die zuvor nur in Papierform existierten, sind nun digitalisiert. Auch das Wissen der älteren Personen gehe so nicht verloren, sagt Eveline Güntert. Die digitale Form sei zudem gerade auch für Jüngere spannend.

Wer will, kann theoretisch auch selbst Beiträge für WikiMumpf verfassen, mittels eines Formulars. Diese Funktion werde aber nicht wirklich genutzt, sagt Gerhard Trottmann. Er macht sich keine Illusionen: «WikiMumpf ist wahrscheinlich nicht gerade die Tageslektüre der Mumpferinnen und Mumpfer.» Auch weil Mumpf heutzutage eine Gemeinde der Zugezogenen ist, die eher per Zufall in dem Dorf gelandet sind. «Aber es gibt Leute, die dann doch einmal ins Museum kommen und beginnen, sich zu interessieren – dann entstehen schöne Gespräche.»

Unterstützung für die Aufarbeitung der Geschichte

Die Aufarbeitung der eigenen Geschichte ist für viele Gemeinden mit zahlreichen Herausforderungen verbunden: Wie findet man eine geeignete Fachperson? Wie hoch sind die Kosten? Wie stellt man sicher, dass das Projekt unabhängig und gemäss wissenschaftlichen Standards durchgeführt wird? Und wie sorgt man am besten für die Verbreitung der Ergebnisse? Diese und ähnliche Fragen bringen Gemeindeverwaltungen oft an ihre Grenzen.

Die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte (SGG) berät Gemeinden, die ihre Geschichte aufarbeiten lassen möchten. Die SGG ist die Fachvereinigung der Historikerinnen und Historiker in der Schweiz und hat im Bereich der historischen Auftragsforschung zentrale Standards und Best Practices definiert. Sie verfügt über das erforderliche Wissen und die nötigen Kontakte, um Gemeinden bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte beraten zu können. Die Dienstleistungen der SGG umfassen die Ausschreibung des Projekts in den Kanälen der SGG, die Schaffung von idealen Rahmenbedingungen für das Projekt sowie die Beratung und Begleitung in allen Projektphasen.