
Öffentliches Engagement für die örtliche Beizenkultur
Dass Gemeinden Gastronomiebetriebe erwerben und verpachten, ist immer weniger ein Tabuthema. Im Gegenteil: Zahlreiche Gemeinden entscheiden sich bewusst für diesen Weg, damit die Beiz im Dorf bleibt. So zum Beispiel Flims (GR) und Altnau (TG). Bevor eine Gemeinde ein Restaurant kauft, gilt es aber, einiges zu beachten – es ist ein Entscheid, der gut durchdacht sein will, wie ein Experte sagt.
Nach einem Jahr Bauzeit sind im Dezember 2024 auf dem Gelände am Caumasee im Erdgeschoss das neue Selbstbedienungsrestaurant «Terrassa La Cauma» und im Obergeschoss das bediente Restaurant «Ustria La Cauma» realisiert worden. «Der Caumasee ist das Aushängeschild von Flims (GR) und spielt für den Tourismus eine zentrale Rolle», sagt Gemeinderat Guido Casty. Das Restaurant wie auch die Umgebung rund um den See sind Eigentum der Gemeinde. «Ein eigenes Restaurant zu führen, ist zwar nicht die Kernaufgabe einer Gemeinde, doch aufgrund der Bedeutung dieses Ortes sollen das Restaurant und der Caumasee im Besitz der Gemeinde bleiben», betont Guido Casty.
Der knapp acht Millionen teure Neubau des Restaurants sei ein wichtiger Meilenstein für die 2862-Seelen-Gemeinde, die den Betrieb verpachtet. Neben dem Restaurant am Caumasee ist Flims auch Eigentümerin der Berghäuser Bargis, Foppa und Naraus. «Diese Häuser spielen für den Tourismus in Flims ebenfalls eine wichtige Rolle. Weil die bisherigen Eigentümer zum Teil keine Möglichkeit sahen, die Betriebe weiterzuführen, wollten wir durch den Kauf verhindern, dass die Gebäude irgendwann zu privaten Zwecken umgenutzt würden», begründet Guido Casty den Entscheid.
Restaurant Krone im denkmalgeschützten Gebäude
Von Flims nach Altnau: Am 26. November 2020 genehmigten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Thurgauer Gemeinde am Bodensee den Rahmenkredit für das Areal Krone mit einer Gesamtsumme von 6,65 Millionen Franken. In nur zehn Monaten wurde der Restaurantneubau als Pavillon neben dem denkmalgeschützten Gebäude von 1810, das gleichzeitig im Rahmen des Kredites totalsaniert wurde, erstellt und 2022 eröffnet.
«Wir haben das Gebäude bereits 2008 erworben, um das Land zu sichern, schliesslich befindet sich die Krone an zentraler Lage», berichtet Gemeindepräsident Hans Feuz. Als Herausforderungen nennt er den Spagat zwischen den unterschiedlichsten Ansprüchen aufseiten der Gemeinden und den Anforderungen an einen modernen Gastronomiebetrieb, der einen Gewinn abwerfen und die Investitionen in rund 15 Jahren amortisieren soll. Im Pachtvertrag ist bei einem Umsatz von 1,4 Millionen Franken eine Grundpacht von 8,5 Prozent vorgesehen, darüber 6,0 Prozent. «Wir ziehen eine positive Bilanz, das Projekt hat sich besser entwickelt als ursprünglich erwartet», freut sich Hans Feuz.
Experte: Abwärtsspirale entgegentreten
Stefan Bruni, Co-Leiter am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie der Hochschule Luzern, sieht die Entwicklung im Zusammenhang mit dem Abbau von Dienstleistungen vor allem in ländlichen Gemeinden. Mit dem Kauf der Dorfbeiz trete eine Gemeinde der Abwärtsspirale entgegen und verhindere einen weiteren Attraktivitätsverlust.
Das Engagement der Gemeinde für die lokale Beizenkultur ist gemäss Stefan Bruni dann sinnvoll, wenn der Erhalt eines Restaurants durch die Gemeinde einem klaren Bedürfnis der Bevölkerung entspricht. Zudem sollte der Erwerb eines Restaurants zur Strategie der Gemeinde passen. Wenn es sich um das letzte Restaurant im Dorf handle oder diese Lokalität über einen grossen, für das Vereinsleben wichtigen Saal verfüge, könne dies den Kauf eines Gastronomiebetriebs durch die Gemeinde zusätzlich legitimieren. Manchmal lohnen sich grosse Säle aus wirtschaftlichen Gründen wegen ihrer hohen Unterhalts- und Energiekosten nicht. «Hier kann die Gemeinde zum Beispiel mit Leistungsaufträgen den Betrieb eines Saales finanziell unterstützen oder auch zusätzliche Leistungen bestellen, beispielsweise für einen Mittagstisch für die Kinder», so Stefan Bruni.
«Man sollte ein Gastronomieprojekt nicht nebenbei machen, sondern sich durch eine externe Beratungsperson begleiten lassen.»
In jedem Fall tue die Gemeinde gut daran, sich zu überlegen, welche Bedürfnisse und Kosten mit einem Kauf verbunden sind – und ob die Gemeinde diese Herausforderungen annehmen will und kann. «Die Übernahme und Renovation einer alten Liegenschaft bedeutet nicht nur hohe und oftmals unbekannte Zusatzkosten, es gilt ja auch, dem Betrieb wieder Leben einzuhauchen und einen geeigneten Pächter oder eine Pächterin zu finden», gibt Bruni zu bedenken.
Die Gemeinde müsse die Konsequenzen eines Kaufs gut abschätzen können. Dies gelte auch für den politischen Prozess sowie die klare Regelung der Verantwortlichkeiten. «Da viele Gemeinderätinnen und -räte meistens zeitlich stark gefordert sind, sollte man ein Gastronomieprojekt nicht noch nebenbei machen, sondern sich durch eine externe Beratungsperson begleiten lassen», empfiehlt der Experte. Sinnvoll sei zudem ein Austausch mit anderen Gemeinden, die ähnliche Projekte führen.