Pflegende Angehörige entlasten das Gesundheitssystem.

Pflegende Angehörige: Gemeinden fordern klare Rahmenbedingungen

06.12.2025
12 l 2025

Pflegende Angehörige leisten einen wichtigen Beitrag an die Gesundheitsversorgung. Ihre Anstellung durch Spitex-Organisationen belastet allerdings die Gemeindefinanzen. Die Gemeinden fordern deshalb klare, schweizweite Rahmenbedingungen. Der Bundesrat hält dies allerdings für unnötig, wie er in einem neuen Bericht festhält. Der Kanton Zürich hat derweil in Zusammenarbeit mit den Gemeinden eigene, kantonale Rahmenbedingungen definiert.

Pflegende Angehörige sind eine wertvolle Stütze für das Gesundheitssystem. Durch ihren Einsatz werden Spitex-Organisationen entlastet und Heimeintritte  verzögert. Doch die pflegenden Angehörigen zahlen dafür einen Preis, denn ihr Engagement bedingt, dass sie ihre Erwerbsarbeit reduzieren oder ganz aufgeben. In den letzten Jahren sind Spitex-Organisationen in die Bresche gesprungen, indem sie pflegende Angehörige anstellen und ihnen einen Lohn zahlen.

Das hat die Gesundheitsausgaben vieler Gemeinden in den vergangenen Jahren stark belastet – was die Politik auf den Plan gerufen hat. Ständerat Hannes Germann, ehemaliger Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes, monierte in einer Motion von 2023: «Die privaten Firmen kassieren dabei für die Anstellung einen wesentlichen Teil der Einnahmen und zahlen teilweise lediglich einen kleineren Teil den angestellten Familienangehörigen für ihre Dienste aus.» Als problematisch wird auch empfunden, dass pflegende Angehörige laut einem Bundesgerichtsurteil von 2019 keine pflegerische Ausbildung benötigen. Die Frage kommt auf, ob so die pflegerische Qualität noch sichergestellt werden kann.

Bericht des Bundesrates enttäuscht Hoffnungen

Die Spitex Schweiz, aber auch private Spitex-Organisationen fordern vom Bund seit Längerem, klare Rahmenbedingungen für pflegende Angehörige festzulegen. Die Gemeinden unterstützen dies. Doch der Bundesrat hat im Oktober in einem Bericht diese Hoffnungen erst einmal enttäuscht. Er sieht keinen grundsätzlichen Handlungsbedarf auf Bundesebene und begründet dies damit, dass die verantwortlichen Akteure bereits über die Instrumente verfügten, um unerwünschten Auswirkungen der Anstellung von pflegenden Angehörigen begegnen zu können.

Der Bund nehme sich hiermit aus der Verantwortung, kritisieren der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) und der Schweizerische Städteverband (SSV) in einer gemeinsamen Stellungnahme zuhanden der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit SGK. «Im Interesse der pflegenden und betreuenden Angehörigen sowie der öffentlichen Hand fordern der Gemeindeverband und der Städteverband vom Bund klare Rahmenbedingungen bezüglich Definition, Qualität, Transparenz, Anstellungsbedingungen und Höhe der Abgeltung.»

So sei insbesondere die Qualität der Angehörigenpflege mit einem Kurs in der Pflegehilfe oder einer gleichwertigen Ausbildung sicherzustellen. Zudem sei es unabdingbar, dass diplomierte Fachpersonen die Angehörigen unterstützten und bei Ausfällen geeignete Stellvertretungen zur Verfügung stellten. SGV und SSV fordern überdies vom Bund, schweizweit minimal einheitliche Standards zur Vergütung von pflegenden Angehörigen festzulegen. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates ist Mitte November diesen Forderungen einen Schritt entgegengekommen, indem sie einstimmig beantragt hat, eine Motion (23.4281) zur verbindlichen Regelung der Pflege durch Angehörige anzunehmen. 

Kantonale Regelung in Zürich

Im Kanton Zürich tritt 2026 eine kantonale Regelung in Kraft. Die rund 130 Mitgliedergemeinden der Gesundheitskonferenz Zürich haben gemeinsam mit der kantonalen Gesundheitsdirektion und den Spitex-Verbänden an einer Lösung gearbeitet. Im August kommunizierte die Gesundheitsdirektion die neuen Rahmenbedingungen: So müssen die Spitex-Organisationen in ihren Abrechnungen an die Gemeinden ab 2026 separat ausweisen, wie viele Stunden Pflegeleistungen von Angehörigen erbracht wurden.

Zudem wurde die Kostenstruktur angepasst: Weil bei der Angehörigenpflege oft tiefere Kosten entstehen, führt der Kanton Zürich ab 2026 ein separates Normdefizit für diese Leistungen mit 15.75 Franken pro Stunde ein, abzüglich Patientenbeteiligung. So erhalten die Gemeinden eine realistischere Grundlage für die Restfinanzierung, während die Leistungen der Spitex-Organisationen weiterhin, so hofft die Gesundheitskonferenz, angemessen vergütet werden.

Mark Wisskirchen, Präsident der Gesundheitskonferenz Zürich und Stadtrat von Kloten, begrüsst dieses Vorgehen. «Die Gemeinden beteiligen sich damit weiterhin an den Kosten der Pflegeleistungen, die durch angestellte pflegende Angehörige erbracht werden, aber die Möglichkeit für eine hohe Gewinnabschöpfung durch die Spitex-Organisationen zulasten der Steuerzahlenden wird deutlich reduziert. Es war uns aber auch ein wichtiges Anliegen, dass zum Schutz der Angehörigen und der gepflegten Personen kantonal verbindliche Qualitätsanforderungen festgelegt wurden.»

Mark Wisskirchen würde eine nationale Lösung, wie sie die Kommunalverbände fordern, begrüssen. «Für die Gemeinden ist es wichtig, dass sie sich auf eine gesetzliche Grundlage abstützen können.»

«Für die Gemeinden ist es wichtig, dass sie sich auf eine gesetzliche Grundlage abstützen können.»

Mark Wisskirchen, Präsident der Gesundheitskonferenz Zürich und Stadtrat von Kloten

Nadja Sutter
«Schweizer Gemeinde»
Chefredaktorin