Die Plakate beim Stadtbüro in Reinach (BL).

Respekt-Kampagne in Reinach: grosser Effekt mit kleinem Aufwand

10.06.2025
6 l 2025

In Reinach (BL) haben Beschimpfungen und Drohungen gegen das Gemeindepersonal zugenommen – wie in anderen Gemeinden auch. Um ihre Mitarbeitenden zu schützen, hat die Gemeinde nun reagiert. Mit Plakaten weist sie Besucherinnen und Besucher darauf hin, respektvoll gegenüber dem Personal aufzutreten. Bisher mit grossem Erfolg.

«Die Leute haben sich zum Teil gar nicht mehr gespürt», sagt Thomas Sauter, Geschäftsleiter der Baselbieter Gemeinde Reinach. Wüste Beschimpfungen mussten die Mitarbeitenden des Stadtbüros in den letzten Monaten über sich ergehen lassen, gar Drohungen im Stile von  «Wartet nur – ich komme zurück, und dann werdet ihr schon sehen!»

Thomas Sauter fügt an: «Wir beobachten schon länger, dass die Reizbarkeit der Bevölkerung zugenommen hat, besonders aber seit der Coronapandemie.» Kritik an den Behörden habe es zwar schon immer gegeben und werde es immer geben – die Hemmschwelle für Beschimpfungen und Drohungen sei aber deutlich gesunken. In Reinach traten Anfang 2025 zwei Massnahmen in Kraft, die diese Reizbarkeit der Bevölkerung offenbar noch erhöhten. Einerseits führte die Gemeinde eine neue Parkplatzbewirtschaftung ein, und andererseits wurde die Grünabfuhr kostenpflichtig.

Nicht mehr auszuhalten

Daraufhin war die Situation für die Angestellten des Stadtbüros – in anderen Gemeinden ist das die Einwohnerkontrolle – nicht mehr auszuhalten. «Wir schulen die Mitarbeitenden für den Umgang mit schwierigen Kundinnen und Kunden, aber die Beschimpfungen erreichten ein unerträgliches Mass», so Thomas Sauter. Die Gemeinde hat selbstverständlich ein Sicherheitsdispositiv, und die Mitarbeitenden können in brenzligen Situationen oder bei medizinischen Notfällen einen Notfallknopf drücken, wodurch sie stillen Alarm auslösen und ein Interventionsteam aufbieten können.

Doch der Gemeinde war klar: Es braucht mehr Prävention. Denn: «So macht die Arbeit keine Freude mehr – diese Anfeindungen machen etwas mit den Mitarbeitenden, das lässt einen nicht kalt», sagt Thomas Sauter. Zum Schutz der Mitarbeitenden musste etwas geschehen. Eine Gruppe Gemeindeangestellter setzte sich zusammen, um Lösungen zu finden. «Einige kreative Mitarbeitende aus der Kommunikation haben die Idee entwickelt und selbst umgesetzt», erzählt Thomas Sauter. Die Kampagne hat die Gemeinde denn auch kaum etwas gekostet ausser einige Arbeitsstunden und die Kopien der Plakate.

«Wir sind nicht Ihr Sündenbock»

Diese Plakate haben zum Beispiel die Aufschrift «Anstand steht Ihnen am Besten»,  «Wir sind nicht Ihr Sündenbock» oder ganz einfach «Respekt!» und den Zusatz «Danke, dass Sie uns nicht bedrohen». Die Gemeinde hat sie im Stadtbüro und auch bei der Schulverwaltung aufgehängt.

«Wir möchten mit den Plakaten Bewusstsein dafür schaffen, dass die Mitarbeitenden des Stadtbüros auch Menschen sind», sagt Thomas Sauter. Die Plakatkampagne, die Ende März gestartet wurde, zeigt Erfolg. «Wir erhalten sehr viele positive Reaktionen», so der Geschäftsleiter. «Einige Personen kommen und fragen ganz verwundert, ob es denn wirklich so schlimm sei.» Und wenn es doch zu einer unangenehmen Situation komme, helfe ein Verweis auf die Plakate, um das Ganze zu entschärfen. «Wenn die Leute nur einen Moment innehalten und das Plakat lesen, bevor sie die Mitarbeitenden ansprechen, hilft das bereits.»

Die Kampagne entlaste die Mitarbeitenden sichtlich. Sie zeige ihnen aber auch die Wertschätzung ihres Arbeitgebers: «Wir haben die Sorgen der Mitarbeitenden ernst genommen und in Zusammenarbeit mit ihnen innert kurzer Zeit Massnahmen umgesetzt.»

«Wir haben die Sorgen der Mitarbeitenden ernst genommen und in Zusammenarbeit mit ihnen innert kurzer Zeit Massnahmen umgesetzt.»

Thomas Sauter, Geschäftsleiter von Reinach (BL)

Grosses Echo

Die Kampagne weckte Aufmerksamkeit über Reinach hinaus, sogar das nationale Radio berichtete, und in den sozialen Medien entstanden Diskussionen. Thomas Sauter erhielt auch einige Rückmeldungen aus anderen Gemeinden. «Wir haben mit dieser Kampagne wohl den Zeitgeist getroffen», sagt Sauter, angesprochen auf das grosse Echo. Beschimpfungen und Drohungen seien leider in vielen Gemeinden ein bekanntes Phänomen.

Er rät diesen, genau das gleiche zu tun wie Reinach. «Wir haben mit wenig Aufwand eine sehr positive Entwicklung auslösen können.» Sauter würde sich sogar freuen, wenn die Idee aus Reinach kopiert werden würde.

Reinach selbst lässt die Plakate denn auch vorerst hängen. Es gibt sogar Ideen, diese auf eine generelle Kampagne für mehr Respekt im ganzen Dorf auszuweiten. «Wir von der Gemeindeverwaltung sind nicht die einzigen, die beschimpft werden – sondern zum Beispiel auch das Gesundheitspersonal.»

Auch der Schweizerische Gemeindeverband setzt sich für mehr Respekt im Umgang mit Behörden ein. So nahm er beispielsweise Ende 2023 an einem runden Tisch zum Thema «Hate Speech» teil, organisiert von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.

Nadja Sutter
«Schweizer Gemeinde»
Chefredaktorin