Der Boden, der hier lagert, wird in einigen Monaten auf den Feldern ausgebracht.

Rettungsaktion für den Boden im Limpachtal

05.02.2023
1-2 l 2023

Im Seeland senkt sich der Boden immer mehr ab. Um die Landwirtschaftsfläche zu erhalten, wird Bodenmaterial von Baustellen aufgeschüttet. In Fraubrunnen (BE) läuft derzeit eines der schweizweit grössten Projekte.

Über den Feldern des Limpachtals in der Gemeinde Fraubrunnen (BE) liegt an diesem Wintertag eine graue Hochnebeldecke. Hier wachsen Kartoffeln, Zuckerrüben, Mais und Weizen. Doch in den letzten Jahren wurde der Anbau immer schwieriger, weil der Boden immer wieder unter Wasser stand, wie Landwirt Urs Bürgi erzählt. Die Landwirte gingen auf Spurensuche. Die Drainagen, die in den 1980er-Jahren gelegt worden waren, waren grundsätzlich in einem guten Zustand. Doch der Boden hat sich stark abgesenkt, was zu den Überschwemmungen führt. Die Drainagen liegen nicht mehr 50 bis 60 Zentimeter unter der Oberfläche, sondern stellenweise noch 30 Zentimeter.

Absenkung um einen Zentimeter pro Jahr

Die Bodenabsenkung ist in vielen Regionen der Schweiz ein Thema und insbesondere im Drei-Seen-Land am Jurasüdfuss. Das Gebiet, zu dem auch das Limpachtal zählt, stellt einen gewichtigen Teil der Nahrungsmittelversorgung der Schweiz sicher. In Fraubrunnen sind die Landwirte wichtige Arbeitgeber, rund 90 gibt es in der 5400-Einwohner-Gemeinde, wie Gemeindepräsident Urs Schär sagt.

Das Areal im Limpachtal war ursprünglich sumpfiges Gebiet, das während des Zweiten Weltkriegs trockengelegt und nutzbar gemacht wurde. Solch trockengelegte Gebiete weisen sehr fruchtbaren, stark torfhaltigen Boden auf. Doch das Problem: Liegt der Torfboden nicht mehr unter Wasser, sondern an der Luft, zersetzt er sich, und CO2 wird frei. Um rund einen Zentimeter pro Jahr sinkt der Boden ab. Die Folge: Die Humusschicht, in der Ackerfrüchte und Gemüse wachsen können, wird immer kleiner. Zudem bilden sich Dellen und Mulden in den Feldern, wo sich das Wasser sammelt.

Boden muss wiederverwertet werden

Um dem entgegenzuwirken, laufen diverse Bemühungen zur Bodenverbesserung. Auf Bundesebene ist gesetzlich festgehalten, dass geeigneter Boden aus Bauprojekten wiederverwertet und zur Bodenverbesserung eingesetzt werden muss. Im Kanton Bern ist dies ab einem Volumen von 500 Kubikmetern Pflicht. Die Gemeinden, welche die Baubewilligung vergeben, prüfen bei kleineren und mittleren Bauprojekten die Verwertung des abgetragenen Bodens. Bei grösseren Projekten leiten sie die Deklaration zur Verwertung von abgetragenem Boden zur Prüfung an die Fachstelle Boden des kantonalen Amts für Landwirtschaft und Natur weiter, wie es auf der Homepage eben dieses Amtes heisst.

Genau so ein Bodenverbesserungsprojekt wird nun auch im Limpachtal realisiert. Die Initiative kam von den Landwirten, wie Urs Bürgi sagt. «Die Drainagen zu ersetzen, wäre sehr teuer und langwierig geworden, zudem sind sie grundsätzlich noch in einem guten Zustand.» Darum entschieden sich die Landwirte dafür, den Boden aufzuschütten und so zu verbessern. Die Landwirte arbeiten dafür mit der privaten Firma EcoTerra zusammen.

80 000 Kubikmeter Erde

Die Bodenverbesserung ist ein grosser Eingriff, wie Peter Wyss, Geschäftsleitungsmitglied von EcoTerra, sagt. Wyss und EcoTerra-Projektleiter Daniel Gürber erklären, wie der Prozess funktioniert. Zunächst machen sie eine Bestandesaufnahme und erstellen ein Computermodell der betroffenen Fläche. Anschliessend modellieren sie es digital: Wo müssen Dellen aufgefüllt werden, wo braucht es welche und wie viel Erde? Dies unterscheidet sich je nach Bodenbeschaffenheit sogar innerhalb einer Parzelle.

Dann braucht es vor allem eines – Erde. Rund 80 000 Kubikmeter sind für die 37 Hektaren im Limpachtal nötig. «Wir versuchen, möglichst Material von Bauprojekten in der Nähe zu übernehmen, um hohe Kosten und Emissionen bei langen Transporten zu vermeiden», sagt Peter Wyss. Eine Bodenschutzfachperson begleitet das Projekt eng, um sicherzustellen, dass nur geeignete Erde verwendet und diese korrekt eingebaut wird.

Schonender Aufbau

Ist der Boden trocken genug, wird das Material ausgebracht. Im Limpachtal ist das noch nicht geschehen: Derzeit ist es zu nass, und das Material liegt auf einem Feld. Wenn es so weit ist, wird ein Traktor mit Raupen statt Rädern das Material verteilen, um den Boden zu schonen. Mit möglichst humushaltigem Oberboden werden zunächst die Dellen ausnivelliert, anschliessend kommt eine Mischung aus mineralischem Oberboden und Unterboden auf das Feld – rund 10 bis 30 Zentimeter hoch. Danach wird die neu ausgebrachte Erde mit der darunterliegenden Bodenschicht vermischt. Der Boden wird so weniger torfhaltig, was den Abbau der organischen Substanz stoppen soll.

Ist der Boden trocken genug, kann das gelagerte Material ausgebracht werden.

Traktor und Anhänger fahren mit Raupen statt Rädern, damit der Druck auf den Boden nicht zu gross ist und dieser nicht zu stark belastet wird.

Nach dem Ausbringen des Materials wird der Boden vermischt.

Bis wieder Kartoffeln und Zuckerrüben wachsen, dauert es aber eine Weile. In den ersten zwei bis drei Jahren nach der Aufwertung sollten die Landwirte tief wurzelnden Klee oder Luzerne pflanzen, um den Boden zu stabilisieren und Mikroorganismen anzusiedeln. «In diesem Stadium sind Regenwürmer wichtige Mitarbeiter, denn sie sorgen dafür, dass der Boden Luft erhält», erklärt Wyss. In der Folge empfehlen die Experten, zunächst Getreide und anschliessend Hackfrüchte anzubauen. Denn für den Getreideanbau braucht es weniger Überfahrten mit schweren Maschinen, was den Boden weniger stark beansprucht. «Ziel ist es, längerfristig das Absinken des Bodens aufzuhalten und somit die Ertragsfähigkeit des Bodens nachhaltig zu stärken», erklärt Daniel Gürber.

Win-win-Situation

Das Projekt in Limpach wird über Deponiegebühren finanziert. Auch die Landwirte leisten einen Beitrag; Gelder der öffentlichen Hand werden jedoch nicht verwendet. Die Gemeinde Fraubrunnen hat das Projekt als Bewilligungsbehörde begleitet und die Baubewilligung im vergangenen Sommer erteilt. Gemeindepräsident Urs Schär und der stellvertretende Bauverwalter Marc Eggimann betonen, dass das Projekt im Sinne der Gemeinde sei. «Die Erhaltung der Fruchtfolgeflächen ist ein raumplanerisches Ziel im Sinne der Sicherstellung der Ernährungssicherheit», sagt Marc Eggimann.

In Fraubrunnen wird auch rege gebaut. In den letzten Jahren sind über 100 neue Wohnungen entstanden. «Wir machen die Bauherren auf die Verwertungspflicht sowie auf das Projekt im Limpachtal aufmerksam», so Urs Schär. So bleibt der abgetragene Boden im Idealfall in der Gemeinde.

Schweizweite Bemühungen

Der Boden senkt sich ab: Das ist nicht nur im Limpachtal in Fraubrunnen ein Thema, sondern überall dort, wo Moore einst trockengelegt und nun landwirtschaftlich genutzt werden. Schweizweit existieren mehrere Projekte zur Bodenverbesserung. Im Seeland ist der Verein Pro Agricultura aktiv. Ziel der Interessengemeinschaft ist es, die landwirtschaftlichen Flächen zu erhalten. Dazu hat sie unter anderem ein Bodenverbesserungsprojekt gestartet. «Es sollen Bodenverbesserungsmassnahmen und entsprechende Folgebewirtschaftungen gemäss einem klar definierten Schema auf verschiedenen Betrieben ausgetestet werden», wie es auf der Homepage von Pro Agricultura heisst.

Nadja Sutter
Chefredaktorin «Schweizer Gemeinde»