Schöne Ortseingänge: Der erste Eindruck zählt
Viele Gemeinden der Schweiz verschönern ihre Dorfeingänge mit Kunst und Natur. Wer den schönsten Dorfeingang sein Eigen nennen darf, ist schwer zu bestimmen. Folgende vier Gemeinden haben sicher eine Würdigung verdient.
An Aufmerksamkeit und Medienpräsenz mangelt es Brienz/Brinzauls (GR) im Grunde genommen nicht. Das 130-Seelen-Dorf gehört zur Gemeinde Albula/Alvra und hat in den letzten Monaten vor allem wegen des starken Hangrutsches und eines befürchteten Bergsturzes national für Schlagzeilen gesorgt. Dabei hat das Dorf, auf einer Sonnenterrasse im Albulatal auf 1100 Metern über Meer gelegen, auch anderes zu bieten – zum Beispiel die schönen Dorfeingänge. Im Zusammenhang mit dem Kulturkonzept, aus dem unter anderem ein Kulturweg entstanden ist, erhielt Brienz/Brinzauls zwei Skulpturen am Dorfeingang. Diese wurden durch den einheimischen Metallkünstler Roman Platz aus Alvaneu erstellt. «Wir machten uns damals grundsätzlich Gedanken darüber, wie wir unser Dorf verschönern könnten», erzählt der ehemalige Gemeindepräsident Rico Liesch. Dabei sei man auf die Idee gekommen, die Dorfeingänge speziell zu gestalten. «Viele Dörfer stellen irgendetwas an ihren Eingängen auf. Wir wollten etwas, das den Leuten in Erinnerung bleibt.»
Dreiteilige Skulptur
In Zusammenarbeit mit Roman Platz entstand die Idee einer Skulptur aus Stahl und Holz. Die Skulptur setzt sich aus drei typischen Elementen zusammen, die das Dorf widerspiegeln: der restaurierten Burgruine Belfort, der Sonne – die Gemeinde erhielt 1991 als erste der Schweiz den Schweizer Solarpreis – und schliesslich den Baumstämmen, die das Dorf vor Bergrutschen schützen. Bevor Roman Platz mit der Umsetzung starten konnte, musste die Bevölkerung dem Kredit an der Gemeindeversammlung zustimmen. Ausserdem benötigte das Vorhaben laut Rico Liesch die Bewilligung vom Amt für Raumentwicklung und vom kantonalen Tiefbauamt, da die Skulpturen ausserhalb der Bauzone und an der Kantonsstrasse liegen. «Es braucht einen entsprechenden Abstand vom Strassenrand, damit genügend Platz für die Schneeräumungsfahrzeuge und LKWs vorhanden ist», erklärt Rico Liesch.
Die 2 Meter hohe und 1 Meter 40 breite Skulptur schmückt seit 2013 die beiden Dorfeingänge von Brienz. Wie der ehemalige Gemeindepräsident erklärt, haben die Skulpturen nur positive Reaktionen ausgelöst. «Sie schaffen für die Einheimischen eine Identifikation mit dem Dorf und sorgen gleichzeitig für einen gewissen Wow-Effekt.» Davon profitiert übrigens auch die Partnergemeinde Brienz im Kanton Bern: Sie erhielt ein Miniaturmodell dieser Skulptur als Geschenk überreicht.
Weinberge und Jurahügel
Keine Skulpturen, dafür eine harmonische Einbettung in die umliegenden Weinberge und Jurahügel mit Hecken und Obstbäumen. So präsentieren sich die Dorfeingänge von Schinznach-Dorf wie auch von Oberflachs, das seit Januar 2014 zu Schinznach-Dorf gehört. Laut Christine Neff, Geschäftsleiterin des Juraparks Aargau, besitzt Schinznach-Dorf einen der schönsten Dorfeingänge der Schweiz. Beide Orte sind stark vom Rebbau geprägt. Als Mitglieder seit zehn Jahren des Juraparks Aargau wird zudem grosser Wert auf die Vernetzung von Ökonomie und Ökologie gelegt. Davon zeugen zum Beispiel die sanierten Trockensteinmauern rund um das Schloss Kasteln und am Rebhang.
Die Weinbautradition geht laut Gemeindeammann Urs Leuthard bereits auf das 17. Jahrhundert zurück. Mit insgesamt 50 Hektaren besitzen Schinznach-Dorf und Oberflachs das grösste Rebbaugebiet im Kanton Aargau. Neben einer Weinbaugenossenschaft sind acht selbstständige Kelterer in der Gemeinde aktiv. Das Ortsbild gilt als national schützenswert. Die historischen Gebäude entlang der Dorfstrasse sind als Strassenzeile denkmalgeschützt. Nur alle vier Jahre putzt sich das Dorf an seinen Ortseingängen ganz besonders heraus: Anlässlich des traditionellen Jugendfestes werden grosse Bögen aufgestellt und mit Tannenästen, Blumen und Bildern geschmückt – je nach Motto des Jugendfests.
Ein «Mattegumper» am Dorfeingang
Gelangt man von Chall her zum Dorfeingang, treibt der «Mattegumper» in Röschenz (BL) sein Unwesen. Zumindest sorgt er für eine gewisse Aufmerksamkeit bei all jenen, die an ihm vorbeifahren oder -gehen. Der «Mattegumper» ist ein Grashüpfer und gleichzeitig der Übername für die Röschenzer. Laut Gemeindepräsident Holger Wahl wurden sie so genannt, weil die Bauern des Dorfes früher in den umliegenden Gemeinden Land dazupachteten und so wie eben die «Mattegumper» sehr beweglich sein mussten, um die weit auseinander liegenden Felder zu bewirtschaften. Davon hat sich der einheimische Künstler Daniel Weber inspirieren lassen, als er von der Gemeinde den Auftrag erhielt, eine Skulptur für den Dorfeingang zu kreieren. Entstanden ist eine Grashüpferskulptur aus Stein und Stahl, die zum Schmunzeln einlädt.
Aber auch die anderen zwei Dorfeingänge wurden verschönert. «Zusammen mit einigen Einwohnern entstand die Idee, unsere Gemeinde, die ja je einen Anschluss Richtung Laufen, Kleinlützel und Metzerlen hat, an diesen Eingängen aufzuwerten», berichtet Holger Wahl. Dabei wollte man nicht einfach nur ein Willkommensschild aufstellen, sondern den Charakter des Dorfes abbilden. «Da Röschenz ein altes Steinhauerdorf ist, sollten Steinhauer aus dem Dorf insgesamt drei Skulpturen gestalten.»
Aus Naturstein und Stahl
Alle drei Röschenzer Künstler hatten bei ihren Ideen freie Hand. Neben dem «Mattegumper» von Daniel Weber schuf Stefan Schnell, dessen Firma in Nenzlingen daheim ist, eine Skulptur aus Naturstein und Stahl. Sie stellt mit den symbolisch dargestellten Blättern und Bäumen den Bezug zur Natur und zum Wald her. In der Nacht wird diese Stehle beleuchtet. Die dafür benötigte Stromleitung wurde laut Holger Wahl letztes Jahr im Rahmen der Erneuerung der Kantonsstrasse gelegt. Die Gebrüder Thomann Natursteinwerke in Liesberg schliesslich entschieden sich für eine Skulptur aus Kalkstein, die gleichzeitig Elemente aus dem Gemeindewappen übernimmt – die Rose und die Welle des Baches Lützel – als auch den Sonnenhügel symbolisiert. Dieses Kunstwerk steht am Dorfeingang, wenn man von Kleinlützel her kommt.
Alle drei Skulpturen wurden am Banntag am 30. Mai 2018 mit einem grossen Fest eingeweiht. Über 200 Personen nahmen daran teil. Die Skulpturen stossen auf positive Resonanz: «Wir haben dieses Projekt vor allem für unsere Einwohner umgesetzt. Die Skulpturen sollen ein ‹Heimkommen› ermöglichen und die Identifikation mit unserem schönen Dorf stärken», ergänzt Holger Wahl.
Drehscheibe als Magnet
Beim Ortseingang von Appenzell, dem Innerrhoder Kantonshauptort, erregen gleich zwei Installationen die Aufmerksamkeit der Passanten. Es soll sogar Leute geben, die reisen eigens für diese Kunstwerke nach Appenzell, wie Guido Buob, Geschäftsführer von Appenzellerland Tourismus AI, berichtet. Doch worum handelt es sich denn?
Der international bekannte Appenzeller Künstler Roman Signer, ein wichtiges Aushängeschild für die ganze Region, realisierte für den Bezirk Appenzell nahe des Hauses, in dem er aufwuchs, zwei Werke, die für Bewegung sorgen. Da wäre zum einen die sich im Boden drehende Scheibe auf dem Adlerplatz, am Eingang der Hauptgasse und Fussgängerzone gelegen. Die Scheibe mit einem Durchmesser von drei Metern dreht sich in drei Minuten einmal um sich selbst. Wer will, kann sich auf die Scheibe stellen und dabei den Blick 360 Grad wandern lassen: von der historisch-farbigen Hauptgasse hinüber zur Burgruine Clanx, zum augenfälligen Bergpaar Kamor und Hoher Kasten zurück ins Dorfzentrum. Im Rahmen von Ortsführungen werden auf der Drehscheibe Apéros durchgeführt. Weil auch Autos oder Lastwagen zeitweise über die Drehscheibe fahren, muss sie aufgrund der Gewichtsbelastung hin und wieder repariert werden, wie Guido Buob sagt.
Ein nasses Spektakel
Das zweite Kunstwerk von Roman Signer bewegt sich ebenfalls und bringt zudem noch das Wasser mit ins Spiel. Genauer gesagt geht es hier um einen Metalltisch direkt am Ufer der Sitter, aus dessen vorderen Beinen alle drei bis vier Minuten ein Wasserstrahl herausschiesst. Durch den hohen Druck des Wassers hebt sich der Tisch in einem Winkel von 45 Grad, und das Wasser spritzt in einem schönen Bogen in die Sitter. Dieses Spektakel kann vom Strassenrand aus mitverfolgt werden. «Beide Kunstwerke sind zu Magneten geworden und sprechen insbesondere ein kunstaffines Publikum an», beobachtet Guido Buob. Dass sich das Appenzellerland mit zeitgenössischer Kunst präsentiere, sei jedoch eher untypisch und als Nische zu betrachten. Denn normalerweise stehen Tradition und Brauchtum im Zentrum der Appenzeller Kultur.
Informationen: