Mittels Ortsbegehungen haben die Gemeinden die Bedürfnisse der älteren Bevölkerung ermittelt – hier in Neunkirch (SH).

Sieben Gemeinden sind jetzt altersfreundlicher

08.10.2023
10 l 2023

Ein Jahr lang arbeiteten sieben Schaffhauser Gemeinden intensiv an ihrer Altersfreundlichkeit. Der erste Durchgang des «Programms altersfreundliche Gemeinde» endete mit einem breiten Fächer an alterspolitischen Massnahmen.

Der Kanton Schaffhausen ist besonders von der demografischen Entwicklung im Alter geprägt. So lag beispielsweise der Altersquotient im Jahr 2020 bei 36,2 im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt von 30,7. Dem Kanton und den Gemeinden kommt bei der Gestaltung der Altersfreundlichkeit deshalb eine grosse Bedeutung zu. Die Gesundheitsförderung des Kantons hat zu diesem Zweck ein entsprechendes «Programm altersfreundliche Gemeinde» in Kooperation mit der Fachstelle Alterspolitik von Gerontologie CH ausgeschrieben.

«Die Ausschreibung des Kantons hat mich dazu bewogen, neben dem Umbau des Schulhauses auch Massnahmen für und mit der älteren Bevölkerung zu entwickeln», sagte Niklaus Scheerer, Gemeinderat aus Gächlingen zur Fördermassnahme des Kantons. Ziel des Programms war es, gesundheitsfördernde und altersgerechte Rahmenbedingungen in Gemeinden zu schaffen und mit partizipativen Elementen die ältere Bevölkerung zu aktivieren. Im Jahr 2022 haben sieben Gemeinden teilgenommen, aktuell läuft das Programm in drei Gemeinden.

«Die Ausschreibung des Kantons hat mich dazu bewogen, neben dem Umbau des Schulhauses auch Massnahmen für und mit der älteren Bevölkerung zu entwickeln.»

Niklaus Scheerer, Gemeinderat Gächlingen (SH)

Partizipative Elemente aktivieren viele zum Mitmachen

Das Programm besteht aus fünf Prozessschritten und basiert auf dem Modell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der altersgerechten Umfelder. Kernstück sind partizipative Ortsbegehungen mit der älteren Bevölkerung.

Programmablauf: in fünf Schritten zu mehr Altersfreundlichkeit

1. Erstes Vernetzungstreffen der teilnehmenden Gemeinden

2. Standortbestimmung (Kennzahlen und Selbsteinschätzung des Entwicklungsstands der kommunalen Alterspolitik in den Dimensionen Steuerung, Ressourcen, Vernetzung und Partizipation)

3. Schulung Ortsbegehung und Vernetzung

4. Durchführung Ortsbegehung mit der älteren Bevölkerung

5. Entwicklung Massnahmenkatalog und Präsentation

In einzelnen Gemeinden konnten für diese Ortsbegehung 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre aktiviert und Interessierte in die Umsetzung der Massnahmenkataloge eingebunden werden. Sie schufen eine Grundlage für die Bildung von nachhaltigen Mitwirkungsgefässen wie Alterskommissionen oder Seniorenräten. Ebenfalls gross war die Beteiligung freiwilliger Helferinnen und von Akteuren aus dem Altersbereich, was die Vernetzung und die Motivation aller Beteiligten weiter förderte. Sibylle Germann, Gemeinderätin aus Merishausen, sagt dazu erfreut: «In unserer Gemeinde hat das Programm viele Menschen bewegt und neue Ideen generiert. Eine Gruppe Freiwilliger ist beispielsweise daran, ein Konzept für die Umnutzung eines leer stehenden Gebäudes zu entwickeln.»

Im Rahmen von Begehungs- und Ergebnisanlässen wurde der Bevölkerung ein umfassendes Bild von Altersfreundlichkeit vermittelt. Der Dialog verbesserte auch das Verständnis für Gemeindepolitik und -projekte.

«In unserer Gemeinde hat das Programm viele Menschen bewegt und neue Ideen generiert. Eine Gruppe Freiwilliger ist beispielsweise daran, ein Konzept für die Umnutzung eines leer stehenden Gebäudes zu entwickeln.»

Sibylle Germann, Gemeinderätin Merishausen (SH)

Breiter Fächer alterspolitischer Massnahmen entwickelt

In den sieben teilnehmenden Gemeinden wurden als Resultat vielfältige Massnahmenkataloge in den Bereichen Behörde (Steuerung, Ressourcen, Vernetzung, Partizipation), räumliches Umfeld, soziales Umfeld und gemeindenahe Dienstleistungen entwickelt, die jetzt umgesetzt werden. So konnten zum Beispiel Mitwirkungsgefässe und Anlaufstellen aufgebaut, Anpassungen im öffentlichen Raum vorgenommen (Standorte von Bänken, Beleuchtung oder Strassenübergänge), Begegnungsorte geschaffen, selbst organisierte Gruppen gegründet, die Freiwilligenarbeit verstärkt oder Altersleitbilder initiiert oder angepasst werden. Hier ein Auszug von Massnahmen aus den sieben Gemeinden:

Beringen (ca. 5000 Einwohnerinnen und Einwohner [EW]): Aufbau eines Seniorenrats

Gächlingen (ca. 900 EW): Grundlagen für ein Wohnprojekt auf Grundstück der Gemeinde

Hemishofen (ca. 400 EW): Umnutzung einer alten Schulanlage

Merishausen (ca. 800 EW): Start eines Generationenprojekts und Wiederbelebung eines brachliegenden Gebäudes der Gemeinde

Neunkirch (ca. 2500 EW): Konzept einer Reparier-Bar im Sinne eines Begegnungsortes

Ramsen (ca. 1500 EW): neue Anlaufstelle im Alterszentrum

Thayngen (ca. 5500 EW): Durchführung eines Marktplatzes für Seniorinnen und Senioren

Die mediale Abdeckung und damit die Wirkung über die einzelnen Gemeinden hinaus war über das ganze Jahr hinweg gross.

Vernetzung der Gemeinden und Akteure verbessert

Die Akteure in den Gemeinden sowie die teilnehmenden Gemeinden sind besser vernetzt und haben mehr Wissen über Alterspolitik. Sie möchten die aufgebaute Vernetzung weiterführen und Massnahmen künftig absprechen oder gemeinsam umsetzen. Linda Stoll, Gemeinderätin aus Hemishofen, fasst ihre Erkenntnisse aus dem Programm so zusammen: «Der Austausch mit anderen Gemeinden und dadurch zu realisieren, dass bereits kleine Ideen viel zu einer Verbesserung beitragen können, war wertvoll.» Der Kanton unterstützt dies mit einem neuen Projektbudget für Coaching und jährliche Vernetzungstreffen. Auch die Kosten für die zweite Durchführung, 10 000 Franken pro Gemeinde, werden wieder zu 75 Prozent vom Kanton Schaffhausen finanziert.

«Für mich war die Dynamik sehr erfreulich; wir konnten in kurzer Zeit in den Gemeinden sehr viel bewegen und unterschiedlichste alterspolitische Projekte auf den Weg bringen.»

Michaela Hänggi, Beauftragte Gesundheitsförderung und Prävention, Kanton Schaffhausen

Erkenntnisse auf kantonaler Ebene

Die Erkenntnisse aus den Gemeinden führen auch zu Handlungsfeldern, die auf kantonaler Ebene bearbeitet werden müssen. Dies sind beispielsweise die Aktualisierung der konzeptionellen Grundlagen, die Förderung der Zusammenarbeit der Akteure, die Unterstützung der Gemeinden sowie die Verankerung der integrierten Versorgung. Michaela Hänggi, Beauftragte Gesundheitsförderung und Prävention beim Kanton Schaffhausen, sagt dazu abschliessend: «Für mich war die Dynamik sehr erfreulich; wir konnten in kurzer Zeit in den Gemeinden sehr viel bewegen und unterschiedlichste alterspolitische Projekte auf den Weg bringen.»

Alina Bühler
Gerontologie CH
Co-Leiterin Fachstelle Alterspolitik
Simon Stocker
Gerontologie CH
Co-Leiter Fachstelle Alterspolitik