«Sobald es hektisch wird, schauen nicht unbedingt die besseren Lösungen heraus»
Seit 2013 präsidiert Thomas Iten die Gemeinde Ostermundigen. Persönlich kann ihm die Digitalisierung nicht schnell genug gehen – doch er weiss auch, dass dies nicht für alle gilt.
Corona, Ukraine, Energie – die Krisen scheinen nicht enden zu wollen. Thomas Iten, war das Jahr 2022 für Sie als Ostermundiger Gemeindepräsident anspruchsvoller als sonst?
Thomas Iten: Das Jahr 2022 habe ich wie eine grosse Berg- und Talfahrt erlebt. Anfang Jahr haben wir uns noch mit Massentests und Schulschliessungen auseinandergesetzt. Dann dieser schreckliche Krieg. Gleichzeitig fanden im Sommer Anlässe statt, die zuvor zwei Jahre abgesagt wurden. Es war auf jeden Fall ein Wechselbad der Gefühle.
Im Zuge des Ukrainekriegs flüchteten Zehntausende Ukrainer/innen in die Schweiz – und damit in die Schweizer Gemeinden. Haben Bund und Kanton die Gemeinden ausreichend unterstützt?
Zu Beginn hat es etwas gedauert, bis «der Motor gelaufen ist». Seither klappt es aber sehr gut. Wir erhalten beispielsweise einen Newsletter des Kantons mit allen Informationen, die für die Gemeinden wichtig sind.
In der Schweiz droht die Energie knapp zu werden. Hat Ihre Gemeinde Sparmassnahmen beschlossen?
In einem Schulhaus haben wir die Heizradiatoren mit intelligenten Sensoren ausgerüstet, sodass die Klassenzimmer optimal beheizt werden. Zudem haben wir bei zwei kommunalen Liegenschaften Zweistoffanlagen vorbereitet, und ein Gebäude wird nun rascher als ursprünglich geplant an einen Wärmeverbund angeschlossen.
Die Pandemie könnte wieder aufflammen, die Ukrainekrise akuter werden. Mit welchen Gefühlen sehen Sie dem neuen Jahr entgegen?
Ob Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur: Wir alle sind gefordert, diese Themen mit dem nötigen Respekt anzugehen. Wie die Erfahrung gezeigt hat, ist es wichtig, Ruhe zu bewahren: Sobald es hektisch und nervös wird, schauen nicht unbedingt die besseren Lösungen heraus.
Viele Gemeindeverwaltungen klagen über einen Fachkräftemangel. Spüren Sie diesen auch in Ostermundigen?
Der Fachkräftemangel ist überall ein Thema. Wir gehen diesen an, indem wir etwa ein neues Besoldungssystem eingeführt haben. Bei schwierig zu besetzenden Stellen können wir mit einem höheren Lohn auf die Marktsituation reagieren. Auch das klassische «Kreuzlibogen-Mitarbeitergespräch» wird modernisiert, hin zu einem echten Dialog.
Wo steht Ihre Gemeinde in Sachen digitale Verwaltung und E-Government?
Unser grösster Digitalisierungsschritt erfolgte während der Pandemie. Zudem haben wir übergeordnete Projekte von Bund und Kanton implementiert, zum Beispiel den E-Umzug. Nun führen wir sukzessive weitere Tools ein. Mir persönlich kann das nicht schnell genug gehen. Aber man muss auch berücksichtigen, dass rund die Hälfte unserer Mitarbeitenden eher selten mit der digitalen Welt im Arbeitsalltag in Berührung kommt.
Wenn Sie in Ihrer Funktion als Gemeindepräsident einen Wunsch frei hätten: Welcher wäre das?
Wir sollten uns auf unsere Werte besinnen, Probleme wieder vermehrt gemeinsam am Tisch diskutieren und dabei den Mut haben, auch einmal etwas Neues auszuprobieren.