
Städte und Gemeinden übergeben Deklaration an Bundesrat Beat Jans
Die Städte und Gemeinden sehen ihren Handlungsspielraum zusehends beschränkt. Um daran zu erinnern, dass die Gemeindeautonomie mit dem Artikel 50 seit 25 Jahren in der Bundesverfassung verankert ist, setzten Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalebene Ende September ein Zeichen. Sie haben Bundesrat Beat Jans eine Deklaration übergeben, mit dem Appell, die verfassungsrechtliche Autonomie der dritten Staatsebene zu achten.
Rund 50 Vertreterinnen und Vertreter von Städten und Gemeinden sind am 24. September im Bundeshaus zusammengekommen, um gemeinsam das 25-Jahr-Jubiläum des Artikels 50 der Bundesverfassung zu feiern. Der Artikel 50 ist auch als sogenannter Gemeinde-Artikel bekannt: Er verpflichtet den Bund, in seinem Handeln auf die kommunale Ebene Rücksicht zu nehmen. Zu diesem Anlass haben der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) und der Schweizerische Städteverband (SSV) an ihren jeweiligen Generalversammlungen die Deklaration «Die Städte und Gemeinden im Bundesstaat» verabschiedet. An der Feier im Bundeshaus übergaben SGV-Präsident Ständerat Mathias Zopfi und SSV-Präsident Hanspeter Hilfiker diese Deklaration an Bundesrat Beat Jans.
Damit erinnerten der SGV und der SSV den Bund symbolisch an seine Pflicht, auf die Städte und Gemeinden Rücksicht zu nehmen. Denn wie Philipp Kutter, Nationalrat und Co-Präsident der Parlamentarischen Gruppe Kommunalpolitik, zu Beginn des Anlasses sagte: «Der Umstand, dass wir heute hier sind, und meine Erfahrung als Stadtpräsident von Wädenswil zeigen mir, dass die Interessen der Gemeinden und Städte zum Teil immer noch stiefmütterlich behandelt werden.»
Tempo 30 und Sparpaket
Konkrete Beispiele dafür kamen an der Podiumsdiskussion zur Sprache, mit den SGV-Vorstands- und Nationalratsmitgliedern Michael Götte und Priska Seiler Graf, SSV-Vorstandsmitglied und Stadtpräsident von Freiburg Thierry Steiert sowie Bundesrat Beat Jans. Die Moderatorinnen Claudia Kratochvil-Hametner, SGV-Direktorin, und Monika Litscher, SSV-Direktorin, sprachen das Thema der Stunde an: die Motion Schilliger, die Tempo 30 innerorts grundsätzlich verbieten möchte. Für Priska Seiler Graf ein klarer Verstoss gegen den Artikel 50: «Ich hoffe, dieses Beispiel macht nicht Schule, denn dann ist die Gemeindeautonomie gefährdet.»
Ein weiteres heisses Eisen: das Entlastungspaket des Bundes. Justizminister Beat Jans erinnerte daran, dass diese Sparübung wegen zweier unvorhersehbarer Krisen nötig wurde: der Pandemie und des Krieges in Europa. Der Freiburger Stadtpräsident Thierry Steiert störte sich indessen daran, dass die Städte und die Gemeinden insbesondere im Asylbereich konsultiert würden wie beliebige andere Partner. «Die Kosten im Asylbereich sind sehr hoch für die Städte.» Nationalrat Michael Götte, der auch Gemeindepräsident von Tübach (SG) ist, erinnerte an das Prinzip «Wer zahlt, befiehlt». «Wo die Gemeinden zahlen, müssen sie auch entscheiden können.»
Für eine gute tripartite Zusammenarbeit
Bundesrat Beat Jans appellierte in seiner Rede an die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Staatsebenen. Er gab aber auch zu: «Zu unserem Föderalismus gehört, dass sich jede der Ebenen in der schlechtmöglichsten Situation wähnt.» Frei nach dem Motto: «Den Letzten beissen die Hunde.» Ob nun aber die Gemeinden oder die Bundesinstitutionen die Letzten seien, sei nicht immer so klar – und das sei auch gut so. Klar sei hingegen, dass die Gemeinden als Staatsebene am nächsten bei der Bevölkerung seien.
«Was ich am Föderalismus so schätze, ist, dass er Ideenreichtum fördert.»
Jans lobte die Städte und Gemeinden für ihren Innovationsgeist: «Die Gemeinden sind viel mehr als nur Vollzugsorgane. Was ich am Föderalismus so schätze, ist, dass er Ideenreichtum fördert.» In diesem Sinne sprach er sich dafür aus, dass in den Gemeinden gemacht werden soll, was in den Gemeinden gemacht werden könne. Autonomie heisse aber auch, Verantwortung zu übernehmen. Und es gebe Themen, die nicht jede Gemeinde allein angehen müsse, wie die Digitalisierung, der Asylbereich oder die Klimapolitik – insbesondere da sei die Zusammenarbeit zwischen den Staatsebenen sehr wertvoll. Der SGV und der SSV sorgten dafür, dass die Stimmen und die Position der Gemeinden dabei gehört werden.
Partnerschaft auf Augenhöhe
SGV-Präsident Mathias Zopfi betonte in seiner Rede denn auch, wie wichtig es sei, dass die Städte und Gemeinden im Gesetzgebungsprozess mit einer kommunalen Stimme auftreten. Und er appellierte an den Bund, «die kommunale Ebene nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen, sondern ihr als staatlich gleichwertige Partnerin die Möglichkeit zu geben, sich bereits frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess einzubringen». SSV-Präsident Hanspeter Hilfiker bezeichnete indes die Einführung des Artikels 50 als grossen demokratischen Fortschritt. «Dank Artikel 50 haben wir Mitsprache und Zusammenarbeit systematischer aufbauen können.»