Franz Klopfenstein hört den Menschen in Thun zu und ist überzeugt, dass aktives Zuhören vieles zum Positiven verändern könnte.

Thunerinnen und Thuner hören sich die Sorgen von Mitmenschen an

07.06.2022
6 | 2022

Franz Klopfenstein ist ein begnadeter Zuhörer. Das weiss er, weil Freunde und Bekannte bei ihm häufig ihren Kropf leeren. Diese Gabe des Zuhörens teilt er mit anderen Menschen in Thun. Zusammen engagieren sie sich freiwillig als Zuhörerinnen und Zuhörer.

«Angefangen hat eigentlich alles bei mir zu Hause auf dem Sofa. Immer wieder haben mir Freunde und Bekannte, die zu Besuch waren, erzählt, was sie gerade so beschäftigt, und ihren Kropf bei mir geleert. Mit der Zeit begann ich, mich zu fragen: Weshalb ist das so? Offenbar konnte ich etwas ganz gut, nämlich zuhören. Da kam mir zum ersten Mal die Idee, dass ich das Zuhören nach draussen verlegen könnte – auf eine Bank, irgendwo in der Stadt.

Meine erste ‹Bänklisitzung› fand in Thun an der Aare in der Nähe des Schwäbisbads statt. Also ziemlich im Zentrum. Ich hatte eine ganze Liste mit Notfallnummern, etwa der Suchtberatung, dabei, da ich keine Ahnung hatte, was mich erwarten würde. An der Bank befestigte ich ein Schild mit folgendem Hinweis: Möchtest Du etwas erzählen? Ich höre Dir zu! So einfach das alles tönt: Es braucht Mut, sich mit diesem Schild auf eine Bank zu setzen und abzuwarten, was passiert – oder nicht passiert. Bei meiner ersten Aktion blieb es denn auch sehr ruhig, doch kurz bevor ich diese abbrechen wollte, setzte sich eine Frau zu mir. Sie war an diesem Tag von Basel nach Thun gereist, um herauszufinden, ob sie wieder in die Stadt ziehen wollte, in der sie schon einmal gelebt hatte. Von dem Moment an war mir klar: Ich will weitermachen!

Ein ganzes Team engagiert sich 

Seit dieser Begegnung sind ein paar Jahre vergangen, und mittlerweile hat sich das ‹Zuhörbänkli› in Thun etabliert. Ich bin nun nicht mehr der einzige Zuhörer. Wir sind ein ganzes Team, das, verteilt über die Woche, den Menschen zuhört. Das Projekt wird jetzt vom Verein Generationentandem und mir gemeinsam geführt.

Wir Zuhörerinnen und Zuhörer engagieren uns freiwillig. Einen therapeutischen Anspruch haben wir nicht. Vielmehr geht es darum, Menschen, die etwas zu berichten haben, zuzuhören, ohne das Erzählte zu werten, ohne Ratschläge zu erteilen und ohne sich selbst in den Vordergrund zu stellen. Das tönt jetzt einfacher als es ist. Viele Menschen können sich heute nicht mehr zurücknehmen und sich vorurteilsfrei anhören, was jemand anderes zu sagen hat. Ich bin überzeugt, dass es auf unserer Erde anders aussehen könnte, wenn man sich besser zuhören, das Eigene mal hintanstellen würde. Mit jemandem in Kontakt zu sein, heisst heute für viele, eine ‹Gefällt mir›-Angabe auf einen Social-Media-Beitrag zu erhalten.

Viele einsame Menschen

Trotz Social Media sind viele Menschen einsam. Für sie bietet das ‹Zuhörbänkli› die Möglichkeit, endlich wieder mit jemandem reden zu können. Zu mir setzt sich beispielsweise oft und lange derselbe Mann. Andere Begegnungen sind kürzer. Alle diese Kontakte sind stets bereichernd.

In Thun stehen bald zwei ‹Zuhörbänkli›. Eines befindet sich in der Bahnhofshalle, das andere soll dann hinter dem Rathaus zu stehen kommen. Das eine ‹Bänkli› war im vergangenen Jahr in Bern. Es gab viele engagierte Zuhörerinnen und Zuhörer. Die Bank hat dann aber einem Plaudertisch Platz gemacht. Nun ist das ‹Bänkli› wieder zurück in Thun, wird aufgefrischt und ist dann bereit für neue Begegnungen.»

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