Der Inseli Park in Luzern wird heute tagsüber dank einer Buvette von einem gemischten Publikum aufgesucht.

Unorte beleben, um Lebensqualität zu steigern

22.11.2021
11 | 2021

Das Gefühl, sich in der eigenen Gemeinde angstfrei bewegen zu können, ist ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität. Mit Ursachenforschung, Vernetzung und Mut finden Gemeinden Massnahmen, um aus Unorten erlebbare, sichere Räume zu machen.

Ob Bahnhof, Park, Schulhaus-, Sport- oder Spielplatz: Öffentliche Plätze haben oft verschiedene Nutzformen und werden intensiver und länger genutzt als früher. Ungewollte Begleitfolgen können Littering, Vandalismus, Ruhestörungen oder sogar Gewalt sein und die Lebensqualität der Bevölkerung einschränken. Die Gemeinden stehen unter Druck, diese Probleme (schnell) zu lösen. Um die richtigen Massnahmen zu finden, sind Gemeinden gut beraten, sich in einem ersten Schritt Zeit für eine Ursachenforschung vor Ort zu nehmen.

Ursachenforschung vor Ort hilft

In den letzten Jahren sind Freiräume (vor allem für Jugendliche) zunehmend rar geworden. Die Brache, auf der man früher Fussball gespielt hat, wurde überbaut. Neben dem Park, wo man unbeobachtet das erste Bier getrunken hat, stehen neue Wohnhäuser. Solche Entwicklungen sind mit ein Grund, dass Schulhausplätze und Grünanlagen zunehmend anders und auch intensiver genutzt werden.

Um wirkungsvolle Massnahmen gegen negative Effekte dieser Entwicklung zu finden, müssen Gemeinden die Ursache für das Problem erkennen. Durch Ortsbegehungen wird das Bild geschärft: Wer hält sich warum und in welchem Bereich auf? Besteht ein Problem an einem Ort, oder sind es mehrere (kleinere) Probleme in einem Gebiet?

Ein neutraler Aussenblick ist hilfreich für eine objektive Problembeurteilung. Das folgende Beispiel zeigt, wie sich Lösungsansätze bereits vor Ort erkennen lassen.

In einer Schwyzer Gemeinde gab es Lärmklagen wegen junger, lauter Biertrinkender auf dem Spielplatz. Ein Augenschein vor Ort hat gezeigt, dass die Kombination mit einer Gruppe Autoposern auf dem angrenzenden Parkplatz problematisch war. Die konsequente Durchsetzung des bestehenden Fahrverbots mit baulichen Massnahmen und Kontrollen trug bereits viel zur Verbesserung der Situation bei.

Vernetzen und gemeinsames Planen

Oft sind die Ursachen für Konflikte komplexer als im obigen Beispiel beschrieben. Dann ist die Zusammenarbeit der direkt und indirekt betroffenen Akteure entscheidend. Als Gemeinde lädt man alle Akteure ein und klärt, wer in welchen Bereichen welche Kompetenzen und Ressourcen hat. Gemeinsam bespricht man das Problem und entwirft eine Zielvorstellung. Nur wenn ein gemeinsames Verständnis, gemeinsam entwickelte Massnahmen und gegenseitige Unterstützung bei der Umsetzung vorhanden sind, kann eine positive Veränderung gelingen, wie das folgende Beispiel zeigt:

In Luzern am See war der kleine, schöne Inseli Park lange Jahre abends und nachts wegen Strassenprostitution sowie Jugendgangs ein Angstraum. Das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung litt. Die Arbeitsgruppe Sicherheit der Stadt beschloss, dass die Stadtgärtnerei zwecks Einsehbarkeit die Hecken schneidet, das Strasseninspektorat die Beleuchtung verbessert, die Reinigung intensiviert und die Polizei ihre Präsenz erhöht. Nachhaltig verbessert hat sich die Situation vor allem durch eine Buvette im Park. Die bis Mitternacht geöffnete Bar hat neues Publikum angezogen, das den Park belebt und durchmischt hat. Heute steht im hinteren Teil des Inselis eine zweite Buvette, und der Park erfreut sich grosser Beliebtheit bei der Bevölkerung und den Gästen.

Geeignete Massnahmen finden

Um wie in Luzern geeignete Massnahmen zu finden, können Gemeinden das Mercedes-Prinzip anwenden:

Gestaltung: Die Gestaltung öffentlicher Räume ist auf Langlebigkeit ausgerichtet. Die Gesellschaft verändert sich hingegen dynamisch. Was heute gefragt ist, kann morgen schon wieder passé sein. Geprüft werden sollten Anpassungen an der baulich-planerischen Gestaltung, den Grünanlagen, der Ausstattung oder der Beleuchtung.

Management: Um einen Ort funktionstüchtig zu halten, sollte er gereinigt und gepflegt werden. Eine Analyse kann helfen, herauszufinden, wie oft dies erfolgen muss.

Nutzungsverantwortung: Gemeinden können die Verantwortung für einen Ort aktiv oder passiv delegieren. Bei Spielplätzen etwa fühlen sich tagsüber die Eltern verantwortlich. Abends und nachts fehlt diese soziale Kontrolle. Hier kann ein Barbetreiber oder ein Verein mit einem Freizeitangebot die Lücke füllen.

Sichere Räume sind möglich

Die Erfahrungen zeigen, dass mit sorgfältiger Ursachenforschung, mit der Zusammenarbeit aller Akteure und mit zielgerichteten Massnahmen Gemeinden aus Unorten wieder erlebbare, sichere Räume machen können. Dabei kann von den Erfahrungen aus anderen Gemeinden profitiert werden, aber es braucht auch Mut zu Neuem! Welche Gemeinde wagt den Versuch und stellt auf dem Schulhausplatz eine vom Dorfverein betriebene Buvette auf?

 

Maurice Illi
Soziologe und Berater für urbane Sicherheit. Seit diesem Jahr ist er zudem im EU-Projekt Cutting Crime am Kompetenzzentrum für Urbane Sicherheit des Landeskriminalamtes Niedersachsen tätig. Von 2007 bis 2020 war er Sicherheitsmanager der Stadt Luzern.
Basler und Hofmann Zürich