Wasserleite oberhalb von Crans-Montana: Nach dem viel zu trockenen Sommer 2022 hat die Gemeinde Massnahmen ergriffen, um das kostbare Nass besser zu schützen.

Wasser: Gemeinden ringen um ihr kostbarstes Gut

15.06.2023
6 l 2023

Nach dem sehr trockenen Sommer 2022 besteht für einige Regionen erneut das Risiko einer starken Trockenheit. Wir zeigen anhand konkreter Beispiele auf, wie sich Gemeinden mit kurzfristigen Massnahmen darauf vorbereiten können.

Trotz dem regnerischen Frühling 2023: Die Trockenheit aus dem vergangenen Jahr wirkt nach. 2022 gilt als wärmstes Jahr seit Messbeginn. Der Sommer war geprägt durch eine lang anhaltende Trockenperiode mit sehr heissen Temperaturen. Verschiedentlich mussten Gemeinden die Bevölkerung zum Wassersparen aufrufen. Auch die Landwirtschaft war stark betroffen. Das Vieh musste frühzeitig von den Alpen genommen und teils sogar notgeschlachtet werden. Auch der Winter war deutlich zu warm, und der Niederschlag fiel vor allem in Form von Regen anstatt als Schnee. Davon betroffen war wiederum insbesondere der Wintertourismus.

Für den Sommer 2023 besteht das Risiko einer erneuten starken Trockenperiode. Durch die dünne Schneedecke und die fehlende Akkumulation der Gletscher fehlt Schmelzwasser für den Sommer. Ob wirklich eine Trockenperiode eintreffen wird, hängt natürlich von der weiteren Wetterentwicklung ab. Die Gemeinden sind aber auf jeden Fall ebenso wie alle anderen Akteure gut beraten, sich auf die geänderten klimatischen Verhältnisse vorzubereiten.

Für den Sommer 2023 können kurzfristige Massnahmen ergriffen werden. Gleichzeitig muss die Planung von längerfristigen Massnahmen an die Hand genommen werden. Da das Wasser nicht an der Gemeindegrenze Halt macht, braucht es dazu eine gemeindeübergreifende Wasserstrategie. In einem integrierten Wassereinzugsgebietsmanagement arbeiten alle betroffenen Akteure der Gemeinden angefangen beim Tourismus über die Energiewirtschaft, die Landwirtschaft bis hin zu Umweltorganisationen gemeinsam an Lösungsansätzen. Dazu gehören die Erneuerung der bestehenden und der Bau neuer Wasserinfrastrukturen oder die Anlage von multifunktionalen Wasserspeichern – aber nicht nur: Im Folgenden präsentieren wir drei Beispiele, wie Gemeinden auch kurzfristig auf eine drohende Wasserknappheit reagieren können.

Amriswil: Wasser sparen smart gemacht

Beim Städtchen Amriswil (TG) käme man eigentlich nicht auf die Idee, dass das Thema Wasser Anlass zur Sorge geben würde. Die Gemeinde liegt nahe am Bodensee, der über 90 Prozent des Amriswiler Wasserbedarfs deckt, wie Urban Kronenberg, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Regio Energie Amriswil (REA), sagt. Und dennoch zeigte eine Studie auf, dass Wasserknappheit just in der Region Amriswil dereinst zum Problem werden könnte. Hinzu kamen persönliche Beobachtungen von Kronenberg: Strassen, die mit Trinkwasser gereinigt wurden, oder Grünanlagen, die ungeachtet einer regnerischen Wetterprognose routinemässig bewässert wurden. Gemeinsam mit Professor Felix Nyffenegger von der Fachhochschule Ostschweiz (OST) dachte Kronenberg also darüber nach, wie das vorhandene Wasser sinnvoller eingesetzt werden könnte.

Daraus hervorgegangen ist das Projekt «Smart Water», das Sensordaten mit Wetterprognosen und Pflanzenmodellen verknüpft. Konkret erheben Messstationen verschiedene Daten wie Niederschlagsmenge, Boden- und Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Luftdruck und Sonneneinstrahlung. Parallel dazu berechnete die Fachhochschule OST anhand von Simulationen, welche Pflanzen unter welchen Bedingungen wie stark bewässert werden müssen bzw. wie viel Wasser sie mindestens benötigen, um nicht zu welken. «So wissen die Landwirte oder Gemeindemitarbeiter zum Beispiel, ob sie ihre Obstplantagen oder die Verkehrsinseln bewässern müssen, wenn für morgen so und so viel Grad gemeldet werden und für übermorgen Regen angesagt ist», sagt Kronenberg.

Zeitgleich wurden auch Sensoren in die städtischen Leitungen eingebaut, die dem Brunnenmeister Daten über den Echtzeitverbrauch liefern. Er wiederum meldet dies den umliegenden Gemeinden, die von Amriswil Wasser beziehen. Beziehen sie zu viel, wird eine Strafgebühr fällig. Im Gegensatz zu früher können die umliegenden Gemeinden aber nun darauf reagieren und das Tagessoll nicht überschreiten, indem sie nicht dringend benötigte Wasserverbraucher herunterfahren. So, sagt Kronenberg, hätten die Gemeinden nun mehr Planungssicherheit.

Wie viel Wasser durch das Projekt «Smart Water» tatsächlich eingespart werden kann, lässt sich laut Kronenberg zwar nicht genau quantifizieren. «Aber es hat sich auf jeden Fall gezeigt, dass ein gezielterer Einsatz von Wasser möglich ist.»

«Es hat sich auf jeden Fall gezeigt, dass ein gezielterer Einsatz von Wasser möglich ist.»

Urban Kronenberg, Vorsitzender der Geschäftsleitung Regio Energie Amriswil

Crans-Montana: Bewässern nach festem Stundenplan

«Unser Gemeindegebiet zählt 25 Quellen, und wir waren eigentlich immer gut mit Wasser versorgt», erzählt Laurent Bagnoud, Gemeinderat der Mittelwalliser Gemeinde Crans-Montana. «Doch im letzten Sommer führten einige dieser Quellen plötzlich kein Wasser mehr. Wir mussten uns eingestehen, dass es so nicht weitergehen kann.»

Prompt machte sich der Gemeinderat daran, eine Wasserstrategie auszuarbeiten. Mittelfristig soll das Problem durch den Bau neuer und die Sanierung bestehender Infrastrukturen gelöst oder zumindest gelindert werden. Kurzfristig spart die Gemeinde Wasser, indem sie klare Regeln zum Wasserverbrauch aufgestellt hat. So darf die Bevölkerung Crans-Montanas ihre Gärten und Wiesen seit dem 1. Juni nur noch dreimal pro Woche wässern. Dazu haben Bagnoud und seine Mitarbeitenden die Gemeinde in verschiedene Sektoren eingeteilt, die jeweils an anderen Tagen wässern dürfen oder eben nicht. Ziel ist es, Spitzen zu brechen und einen möglichst gleichmässigen, planbaren Wasserverbrauch zu verzeichnen.

Zudem ist das Bewässern nur zwischen 18 Uhr abends und 8 Uhr morgens erlaubt. «Weil bei Hitze bis zu 40 Prozent des ausgespritzten Wassers verdunsten, bevor es überhaupt den Boden berührt», erklärt Laurent Bagnoud. Und er fügt an: Während der bevorstehende Sommer vor allem dazu dienen soll, Erfahrungen zu sammeln und die Bevölkerung zu sensibilisieren, müsse man spätestens im Sommer 2024 strenger werden und allenfalls auch Bussen aussprechen.

Indes ziehen die drei grössten Wasserverbraucher in der Gemeinde – Landwirte, Winzer und die Betreiber des Golfplatzes – ohnehin an einem Strang. Dies auch, weil Bagnoud die Massnahmen vorgängig mit ihnen abgesprochen hat. «Der Wert des Wassers ist hier jedem bewusst», sagt er.

Dies gilt natürlich auch für die Gemeinde selbst: Stolze 80 Millionen Franken investiert Crans-Montana (inklusive Subventionen von Bund und Kanton) in den nächsten vier Jahren in die Wasserversorgung. Der Ausbau und die Erneuerung der Infrastrukturen – gemeinsam mit den Nachbargemeinden Noble-Contrée, Lens und Icogne – sollen gewährleisten, dass in Zukunft so wenig Wasser wie möglich verloren geht. Zu den wichtigsten Projekten gehören die Sanierung von 15 der 25 Quellen, die Erweiterung des Fassungsvermögens beim Stausee Lac de Chermignon, der Bau zweier Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die Modernisierung der Kläranlage sowie die Installation eines Tröpfchenbewässerungssystems in den Rebbergen.

«Wir mussten uns eingestehen, dass es so nicht weitergehen kann.»

Laurent Bagnoud, Gemeinderat Crans-Montana

Tessin: Eine Trockenheitstabelle für die Gemeinden

Trockenperioden kennt natürlich auch das Tessin. Dort haben der Kanton und die Gemeinden in den letzten 20 Jahren bereits Millionenbeträge in den Ausbau der Infrastruktur investiert. Dennoch mussten seit diesem Frühjahr bereits rund 20 Gemeinden, vor allem im Mendrisiotto und im Sopraceneri, zum Wassersparen aufrufen, nachdem beispielsweise das Südtessin im vergangenen Jahr 50 Prozent weniger Niederschlag als normal verzeichnet hatte und einige Gemeinden vor ernsthaften Versorgungsproblemen gestanden waren. Aber eben: Mit baulichen Massnahmen lässt sich im Tessin nicht mehr allzu viel optimieren. «Deshalb geht es jetzt vor allem darum, den Wasserverbrauch zu reduzieren», sagt Maurizio Barro.

Barro ist Präsident der Associazione Acquedotti Ticinesi (AAT), der Vereinigung der Tessiner Wasserversorger, in der fast alle Gemeinden des Kantons vertreten sind. Um die Bevölkerung zum Wassersparen zu animieren, stellt die AAT auf ihrer Homepage Merkblätter mit einfachen Tipps zur Verfügung. Darunter auch solche, an die man im ersten Moment vielleicht nicht denkt. So etwa, dass der Rasen nicht zu kurz gemäht werden sollte, da lange Halme nachts mehr Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen können und dank ihrem Schattenwurf die Bodentrocknung verringern.

Vor allem aber hat die AAT eine Tabelle mit den Trockenheitsstufen eins bis drei erarbeitet. Diese können die Tessiner Gemeinden bei ihren Sparappellen oder beim Aussprechen von Verboten zurate ziehen. So wäre etwa das Befüllen von Schwimmbädern für Privatpersonen bereits bei Trockenheitsstufe eins untersagt, für öffentliche Schwimmbäder würde dies erst ab Stufe drei gelten. Dabei folgt die AAT einer leicht verständlichen Priorisierung. So hat beispielsweise der Gemüsegarten Vorrang vor dem normalen Garten, da er es ermöglicht, Lebensmittel zu erzeugen, und die Bewässerung von Sportplätzen ist länger erlaubt als das Waschen von Fahrzeugen, um den Menschen Zugang zu wichtigen Freizeitinfrastrukturen zu bieten.

Verbindlich ist die Trockenheitstabelle für die Gemeinden aber nicht. Denn nicht alle seien gleichermassen von dem Problem betroffen, und jede Gemeinde könne ihre Situation selbst am besten einschätzen, sagt Maurizio Barro. Aber auch für ihn ist klar: «Wir gelten zwar als Wasserschloss Europas. Aber wenn es nicht regnet, wirds auch hier schwierig. Deshalb müssen wir Wasser sparen – auch in der Schweiz.»

«Wir gelten zwar als Wasserschloss Europas. Aber wenn es nicht regnet, wirds auch hier schwierig. Deshalb müssen wir Wasser sparen – auch in der Schweiz.»

Maurizio Barro, Präsident Associazione Acquedotti Ticinesi

Thomas Egger
Direktor Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB)
Fabio Pacozzi
Leiter Kommunikation SGV