Die Chortradition in Freiburg entstand im 19. Jahrhundert und ist noch heute sehr lebendig.

Wenn die Musik das Dorf zusammenbringt

10.08.2023
7-8 l 2023

Im Kanton Freiburg gibt es mehr als 200 Chöre – eine Tradition die dort besonders gepflegt wird. Einst vereinte das Singen die Gesellschaft. Heute sind die Chöre im Umbruch, doch sie sind weiterhin in vielen Gemeinden zentral.

Die rund 6000 Sängerinnen und Sänger im Kanton Freiburg führen eine lange Tradition weiter: Jene des Chorwesens, das im Westschweizer Kanton besonders ausgeprägt ist. In fast jeder Gemeinde gibt es einen Chor, der an Feiertagen auftritt – zum Beispiel am ersten August.

«Die Tradition der Chöre in Freiburg reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert», weiss Carl-Alex Ridoré. Er ist Präsident der Freiburger Chorvereinigung und singt selbst in verschiedenen Formationen. Als ehemaliger Oberamtmann des Freiburger Saanebezirks kennt er auch die Welt der Gemeinden gut. Was sind die Gründe, weshalb die Chöre in Freiburg solch eine wichtige Stellung haben? Carl-Alex Ridoré sagt, dass die in Freiburg lange sehr präsente katholische Kirche eine wichtige Rolle gespielt habe. In der Kirche wurde gesungen – aber ebenso in der Schule. Lehrerinnen und Lehrer hatten früher auch immer eine Gesangsausbildung.

Einzelne wichtige Persönlichkeiten haben die Freiburger Chorwelt massgeblich geprägt, allen voran Abbé Joseph Bovet (1879–1951), ein Pfarrer, Lehrer und Chordirigent, der das Chorwesen in Freiburg stark förderte. Er war in verschiedenen Teilen des Kantons aktiv, und dirigierte auf dem Land, aber auch in der Stadt Freiburg. Sowieso ist das Chorwesen im Kanton nicht allein eine ländliche Tradition. Auch in den Städten wie Freiburg und Bulle sind über die Jahre sehr viele Chöre entstanden. «Sie waren gerade früher sehr wichtig für die Gesellschaft, weil sie die verschiedensten Alter und Schichten zusammenbrachten.»

Chöre im Wandel

Und wie ist das heute? Die Zahlen belegen, dass das Chorwesen in Freiburg immer noch sehr aktiv ist: Mehr als 215 Formationen gibt es im ganzen Kanton. Alle vier bis fünf Jahre treffen sich die Sängerinnen und Sänger am grossen Gesangsfest «Tutticanti», und auch daneben gibt es zahlreiche Festivals für Chöre. Dennoch: Die Welt der Chöre ändert sich. Einige Formationen tun sich schwer damit, neue Mitglieder zu finden. «Heute gibt es viel mehr Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten, als früher», gibt Carl-Alex Ridoré zu bedenken.

«Chöre waren gerade früher sehr wichtig für die Gesellschaft, weil sie die verschiedensten Alter und Schichten zusammenbrachten.»

Carl-Alex Ridoré, Präsident der Freiburger Chorvereinigung

Auch die Covid-Pandemie war ein schwerer Schlag für viele Chöre. Monatelang konnten sie weder proben noch auftreten. Einige Sängerinnen und Sänger haben nach dem Ende der Schutzmassnahmen nicht mehr zurück zu den Chören gefunden – teils auch altersbedingt. «Die Pandemie hat manche Entwicklungen beschleunigt», so Ridoré.

Darum sei es nun umso wichtiger, den Nachwuchs zu pflegen. «Kinder- und Jugendchöre haben relativ viel Zulauf», sagt der Präsident der Chorvereinigung. Auch Kirchenchöre und gemischte Chöre mit älteren Mitgliedern erfreuten sich an Beliebtheit. «Was fehlt, ist ein Angebot dazwischen, für junge Erwachsene.» Carl-Alex Ridoré beobachtet allerdings, dass immer mehr neue, kleinere Formationen mit vier bis zehn Sängerinnen und Sängern entstehen, die moderne Musik wie Jazz interpretieren.

Finanzielle und ideelle Unterstützung

Die Freiburger Chöre werden von verschiedenen Seiten unterstützt. Seit die musikalische Ausbildung in der Schule einen weniger grossen Raum einnimmt, ist das Freiburger Konservatorium eingesprungen. Dank Beiträgen der Loterie Romande kann es Kurse für Jugendliche organisieren. Neu bietet das Konservatorium auch spezifische Ausbildungen für ganze Chöre an und nicht nur für einzelne Sängerinnen und Sänger. «Das Interesse daran ist sehr gross», so Carl-Alex Ridoré.

Wie wichtig die Stellung der Chöre in Freiburg ist, zeigt auch die finanzielle Unterstützung des kantonalen Kulturamts. Pfarreien und Gemeinden ihrerseits stellen Chören Räumlichkeiten für Proben und Auftritte zur Verfügung und fördern die Chorkultur auf diese Weise. «Für viele Gemeinden ist der Chor eine wichtige Institution im Dorf; eine, auf die man stolz ist», sagt Carl-Alex Ridoré. So treten die Chöre denn auch oft an Anlässen der Gemeinden auf und sorgen für die musikalische Begleitung. Umgekehrt sei es für die Chöre wichtig, dass sich der Gemeinderat an ihren Konzerten zeige. Das sei eine zentrale ideelle Unterstützung.

«Singen ist wie atmen»

Die Freiburger Chorvereinigung, die Carl-Alex Ridoré präsidiert, fördert den Austausch zwischen den Chören, aber auch zwischen den Chören und den politischen Behörden sowie dem Bistum. «Während der Covid-Pandemie stellten wir zudem den Informationsfluss zu den Chören sicher», ergänzt Ridoré.

Er ist überzeugt, dass die Freiburger Chöre noch lange weitermusizieren werden. Ihm selbst jedenfalls gibt das Singen im Chor vieles: «Singen ist für mich wie atmen. Der eigene Körper ist das Instrument, das ist das Spezielle daran. Und im Chor muss man sich mit den anderen Menschen abstimmen, aufeinander hören. Das macht Spass – und tut gut.»

Nadja Sutter
Chefredaktorin «Schweizer Gemeinde»