Damit ein Mensch bis zum Lebensende zu Hause bleiben kann, braucht es Unterstützung von verschiedenen Seiten. 

Wie die Gemeinde am Lebensende unterstützen kann

04.02.2024
1-2 l 2024

Wenn Menschen am Lebensende bis zuletzt zu Hause bleiben möchten, braucht es ein ganzes Dorf, das hilft. Alters- und Gesundheitspolitik, aber auch Kultur, Bildung oder Planung kommen dabei zum Tragen.

Die meisten Menschen möchten am Lebensende bis zuletzt zu Hause bleiben. Für die wenigsten Menschen geht der Wunsch jedoch in Erfüllung. Knapp ein Viertel der Bevölkerung verstirbt zu Hause, für die meisten sind Pflegeheim oder Spital die letzten Stationen. Es ist in der Regel das Verdienst von Angehörigen, dass man noch etwas länger zu Hause bleiben kann. Sie begleiten, betreuen und manchmal pflegen sie auch. Angehörige brauchen ihrerseits Unterstützung, denn sie erleben die Tätigkeit zwar als erfüllend, aber auch als belastend. Sie sind auf Hilfe in der Nachbarschaft, im Freundeskreis und von Fachpersonen angewiesen, damit sie trotz Belastung gesund bleiben. Auch die Gemeinde kann einen wichtigen Beitrag leisten.

Gemeinsame Unterstützung am Lebensende

Die mitfühlende Gemeinde oder auf Englisch Compassionate City ist ein ausländisches Modell, das erklärt, wie gemeinschaftliche Sorge am Lebensende in Gemeinden und Städten gestaltet werden kann. Grundgedanke ist, dass Sterben, Tod und Trauer Themen sind, die nicht ausschliesslich an spezialisierte Einrichtungen wie Pflegeheime oder Spitäler delegiert werden können. Sie gehören mitten ins Leben und mitten in die Gesellschaft. Studien zufolge verbringen Menschen am Lebensende tatsächlich die meiste Zeit mit ihrer Familie, mit Menschen aus der Nachbarschaft oder aus dem Freundeskreis, mit den Haustieren oder alleine. Die Compassionate City fokussiert deshalb auf das Zusammenspiel von Fachpersonen und Laien, damit sich formelle und informelle Hilfen geschickt ergänzen und so schwerkranke Menschen und ihre Angehörigen in ihrem Umfeld gut aufgehoben sind.

Besser bekannt als Compassionate Cities sind in der Schweiz Caring Communities oder Sorgende Gemeinschaften. Beide Modelle betonen, wie wichtig es für Menschen in Krisen ist, bei Bedarf auf eine Vielzahl von Organisationen und Personen zählen zu dürfen. Im Gegensatz zu den Caring Communities, welche die gesamte Lebensspanne im Blick haben, befassen sich Compassionate Cities jedoch ganz gezielt mit dem letzten Lebensabschnitt.

«Bärn treit»: ein Netzwerk von Organisationen und Personen

Inspiriert vom Gedanken der Compassionate City, kamen in der Stadt Bern vor ein paar Jahren Organisationen der spezialisierten Palliative Care, der Kirchen, der Stadtverwaltung und der Hochschulen zusammen. Es entstanden das Netzwerk «Bärn treit» und eine Charta für ein gemeinsam getragenes Lebensende. Man vernetzt professionelle Organisationen und Freiwillige und führt regelmässig öffentliche Veranstaltungen durch, die Gespräche über das Lebensende anregen. Die Bevölkerung zu sensibilisieren und alle Lebensbereiche in einer Gemeinde zu involvieren, von spezialisierten Organisationen über die Verwaltung bis hin zu Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern oder Schulen, ist das erklärte Ziel von «Bärn treit».

Von Alters- bis Kulturpolitik

In der Schweiz wie in Europa sind die meisten Menschen im hohen Alter, wenn sie in die letzte Lebensphase kommen. Möchte man ermöglichen, dass diese selbstbestimmt gestaltet werden kann, braucht es eine Alterspolitik, die das Lebensende explizit aufgreift. Die Unterstützung von betreuenden Angehörigen ist dabei ein zentrales Handlungsfeld, jedoch nicht das einzige, wie der Blick in bestehende Altersleitbilder verrät. Die Gemeinden im Berner Oberaargau etwa haben in ihrem Altersleitbild ein Ziel zum Lebensende verankert. Darin ist festgehalten, dass es eine Anlaufstelle braucht, dass Angebote der Palliative Care in der Bevölkerung bekannt zu machen und dass Merkblätter und Checklisten für die Vorsorge und Todesfallregelung zu erarbeiten sind.

Auch wenn Menschen meist im hohen Alter sterben, so sind Sterben, Tod und Trauer doch Themen, die alle Altersschichten betreffen. Aus dieser Überzeugung heraus entstand in der Stadt Zürich das Festival «Hallo Tod». Das Festival will den Tod mitten ins Leben holen und einladen, der eigenen Vergänglichkeit kreativ zu begegnen. Initiiert wurde es vom Verein Kulturbande, einem Netzwerk von Zürcher Kunst- und Kulturschaffenden. Bereits zweimal durchgeführt, fanden während mehrerer Tage kulturelle Veranstaltungen zum Lebensende statt. Die Sozial- und die Kulturpolitik der Stadt Zürich unterstützten das Festival, viele Menschen besuchten es, Radio, Fernsehen und Zeitungen berichteten ausführlich darüber.

Die drei genannten Beispiele aus Bern, Oberaargau und Zürich zeigen, dass vielfältige Wege beschritten werden, um Menschen am Lebensende zu unterstützen und die Endlichkeit ins öffentliche Bewusstsein zu tragen. In der Kultur- oder Bildungspolitik, im Gemein- und Sozialwesen, am Arbeitsplatz und in der Schule können wertvolle Beiträge geleistet werden, dass es den Menschen im letzten Abschnitt so gut wie möglich geht. Die Gemeinde, die unterschiedliche Politikbereiche in vielfältiger Weise koordiniert, kann einen wertvollen Beitrag für ein gutes Lebensende leisten.

Workshop zur Unterstützung am Lebensende

Das internationale Netzwerk Public Health Palliative Care vernetzt weltweit Forschung und Praxis zu Compassionate Cities und Communities. Der nächste 4-tägige Kongress (22. bis 25. Oktober 2024) wird in Bern unter dem Motto «Brücken bauen» durchgeführt. Am Nachmittag des 24. Oktobers findet dort ein Workshop zum Thema «Wege zu einer Compassionate City oder Community» statt. Personen der Politik und Verwaltung tauschen sich darüber aus, wie man strategisch und praktisch Unterstützung am Lebensende leisten kann.

Mobile Ausstellung zum Thema «Zuhause sterben»

Eine mobile Ausstellung mit dem Titel «Zuhause sterben» dient dazu, das Lebensende und die gemeinschaftliche Sorge in Phasen von Sterben, Tod und Trauer in der Gemeinde zu thematisieren. Die von der Gesundheitsförderung Schweiz und weiteren Stiftungen geförderte Ausstellung kann bei der Berner Fachhochschule ausgeliehen und vor Ort aufgestellt werden. Wenn Sie Interesse haben, so finden Sie Informationen unter Informationen für Gemeinden (bfh.ch), Kontaktperson ist claudia.michel@bfh.ch.

Claudia Michel
Institut Alter
Berner Fachhochschule