Wie Förderung von inklusivem Wohnraum aussehen kann
Das Projekt «Wohnen mit Vielfalt» fördert inklusive sozialraumnahe Wohnmöglichkeiten für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung. Es wurden Checklisten erarbeitet zu Themen der Wohnungssuche und Wohnen im Sozialraum.
Inklusiven Wohnraum zu fördern, ist das Ziel des Projekts «Wohnen mit Vielfalt». Auf der Projektwebsite sind viele spannende Praxisbeispiele aufgeschaltet, so unter anderem auch das Beispiel des Vereins für Sozialpsychiatrie Baselland (VSP). Dieser Verein bietet ambulante Wohnbegleitung in den beiden Halbkantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft an. Heute sind es rund 260 Personen, die in ihrer eigenen Wohnung oder in einer der rund 160 VSP-Wohnungen mit ambulanter Wohnbegleitung die Leistungen in unterschiedlichster Intensität und sehr individuell nutzen.
45 ausgebildete Fachpersonen mit rund 33 Vollzeitstellen aus den Bereichen der Sozialen Arbeit, Psychiatrie und Gesundheit unterstützen die Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger darin, dass sie in ihrem Wohnquartier bestehen können. Im Konkreten geht es um das Einkaufen in der Wohnumgebung, die Freizeitgestaltung (zum Beispiel in einem Sport- oder Musikverein) sowie das Knüpfen und Pflegen von sozialen Kontakten im persönlichen Lebensumfeld (zum Beispiel an einem Quartierfest). Die begleiteten Menschen leben, wenn immer möglich, wie alle anderen Mieterinnen und Mieter in einem Wohnhaus und benutzen den Lift, die Waschküche, holen etwas aus dem Keller oder leeren den Briefkasten und stellen den Abfall vor das Haus.
Verein mietet selbst Wohnungen zu
Der Verein für Sozialpsychiatrie mietet an verschiedenen Standorten Wohnungen, die er dann untervermietet. So ist gewährleistet, dass die Hausverwaltungen einen regelmässigen Mietzins bekommen und bei Schwierigkeiten auch einen verlässlichen Partner haben. Denn oft sind Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen bereits vorbelastet, haben schlechte Erfahrungen gemacht und finden von daher nur schwer selbst eine eigene Wohnung. Die Angst seitens der Verwaltungen, dass sie keinen Zins bezahlt bekommen oder Sachschaden entsteht, überwiegt.
Marco Baumgartner-Eberle, Leitung Ambulante Wohnbegleitung VSP, erklärt, dass es die normalen Brennpunkte im Zusammenleben gibt, wie dies die meisten wahrscheinlich auch aus dem eigenen Mietverhältnis kennen. So können Konflikte an verschiedenen Orten auftauchen, zum Beispiel in der Waschküche, im Treppenhaus oder auch durch Lärm- oder Geruchsemissionen. Ebenfalls kann spezielles oder ungewohntes Verhalten, wie extrem lautes Sprechen, Herumtanzen, oder zwanghaftes Verhalten die Nachbarn irritieren.
Unterstützung auch für Nachbarn
An einem dieser Punkte knüpft das Projekt «Wohnen mit Vielfalt» an und bietet hier auch Unterstützung für Nachbarn, Hauswarte oder Menschen im sozialen Umfeld. Mit dem Projekt «Wohnen mit Vielfalt» möchten die Verbände Insos und Youvita sowie Anthrosocial sozialraumnahen Wohnraum für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen fördern und unterstützen. Damit können Entwicklungen in Richtung von mehr gesellschaftlicher Partizipation und Selbstbestimmung von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung unterstützt werden, wie dies auch das Übereinkommen der UNO über die Rechte von Menschen mit Behinderungen fordert, das 2014 von der Schweiz ratifiziert wurde. Das Projekt wird durch das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (EBGB) mitfinanziert. Besonders erwähnenswert ist, dass im Projekt eine Projektsteuergruppe installiert wurde, die sich aus Fachpersonen und Experten aus Erfahrung zusammengesetzt hat.
Das Projekt wurde in zwei Handlungsfelder aufgeteilt. Im ersten Handlungsfeld geht es um die Wohnungssuche, im zweiten geht es um das Wohnen im Sozialraum. Zu diesen zwei Handlungsfeldern sind 13 Informationsblätter und Impulse erarbeitet worden, die rund um das Thema Wohnen viele Inputs liefern. Die Informationsblätter stehen allen Interessierten auf der Website zur Verfügung und können dort gratis heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Gerade auch für Gemeinden können dies hilfreiche Dokumente sein für Hausverwaltungen oder die Sozialdienste, um so innerhalb der Gemeinde die Sensibilität zum Thema psychische Beeinträchtigung zu unterstützen. So gibt es dort im Speziellen ein Informationsblatt für Hauswartspersonen, das Hinweise darauf gibt, wie die Begegnungen gelingend und wohlwollend gestaltet werden können, ebenfalls gibt es ein Informationsblatt für Begegnungen im Quartier, das eine kurze Übersicht über die wichtigsten psychischen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf den Alltag gibt.
Neben den Informationsblättern gibt es vier Impulse, wovon ein Impuls für Nachbarschaften erarbeitet worden ist. In diesem Impuls wird aufgezeigt, was Sie als Nachbarin oder Nachbar oder als beschäftigte Person im Quartier – beispielsweise als Hauswartsperson oder Angestellte im Quartierladen – zu gelingenden Begegnungen beitragen können.
Transparenz ist wichtig
Denn es gibt, wie das Beispiel aus der Praxis des VSP zeigt, ebenfalls einen Mehrwert für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen im ambulanten Wohnsetting. Die soziale Integration kann das Selbstvertrauen bestärken, und die Mieterinnen und Mieter können wieder Vertrauen fassen in das Leben, dies losgelöst von einer stationären Unterbringung. Marco Baumgartner-Eberle sagt, dass es ein grosser Vorteil ist, wenn die Transparenz gegenüber der Hausverwaltung und den Hauswartspersonen gegeben ist. Nicht dass persönliche Details der Mieterinnen und Mieter weitererzählt werden, sondern dass diese wissen, wer als Hauptmieter (in diesem Fall der VSP) auch Ansprechperson bei auftauchenden Problemen und Herausforderungen ist. So sind einerseits die Anonymität und der Datenschutz gewährleistet, anderseits kann die Hausverwaltung oder können die Hauswartspersonen sich bei auftauchenden Schwierigkeiten an eine konkrete Stelle wenden.
Auch erleben Menschen, die mit psychischen Beeinträchtigungen zu tun haben, oft Vertrauensverluste und Verletzungen, indem sich das Umfeld abwendet und sie kategorisiert und schubladisiert werden, erklärt Marco Baumgartner-Eberle weiter. Darum ist es umso wichtiger, eine gegenseitige Vertrauensbasis aufzubauen. Dafür benötigt es Verständnis, Transparenz und Offenheit im Umgang miteinander.
Zum Projekt
«Wohnen mit Vielfalt» ist ein Projekt des Aktionsplanes der Föderation Artiset mit ihren Branchenverbänden Curaviva, Insos und Youvita sowie Anthrosocial. Die Branchenverbände setzen sich für die Anliegen der Dienstleister für Menschen mit Behinderung ein. Das Projekt wurde durch das Eidgenössische Büro für Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (EBGB) unterstützt.