Blick auf Gonten im Appenzellerland.

Wohnraum in Gonten: wenn die Statistik trügt

08.11.2025
11 l 2025

In Gonten gibt es laut Bundesamt für Statistik keine freie Wohnung. Von einer Wohnungsnot will der regierende Bezirkshauptmann Urban Fässler aber nichts wissen. Denn im kleinen Dorf im Appenzellerland werden frei werdende Wohnungen selten beworben, sondern über Beziehungen vermittelt.

Gonten ist eine kleine Gemeinde im Kanton Appenzell Innerrhoden. 1470 Menschen leben hier, eingebettet in eine Landschaft aus sanften Hügeln, satten Wiesen und alten Bauernhöfen mit Blick auf den Säntis. Wer in Gonten eine Wohnung sucht, braucht Geduld. Denn gemäss Bundesamt für Statistik gibt es in der Gemeinde keine freie Wohnung. Seit mehreren Jahren liegt die Leerwohnungsziffer bei 0,0 Prozent. Trotzdem möchte der regierende Bezirkshauptmann Urban Fässler nicht von einer Wohnraumknappheit sprechen. «Es gibt noch freie Wohnungen bei uns», sagt er und erklärt, dass die Statistik nur jene Wohnungen erfasse, die seit weniger als zwei Jahren leer stehen und aktiv beworben werden.

In Gonten wird Wohnraum jedoch kaum klassisch auf dem Markt angeboten – weder online noch über Inserate. «Bei uns läuft vieles über Beziehungen», sagt Fässler, der seit 2017 im Bezirksrat sitzt und die Gemeinde seit 2021 als Hauptmann führt. «Man kennt sich im Dorf und weiss, wo etwas frei wird.» Allerdings muss auch er einräumen: «Die Zahl der leer stehenden Wohnungen hat in den vergangenen Jahren stetig abgenommen.» Im Jahr 2022 waren es noch 22 Wohnungen, 2025 sind es gerade einmal zwei.

Nicht berücksichtigt sind dabei Wohnungen und Bauernhäuser, die seit mehr als zwei Jahren leer stehen. Aufgrund der Vorgaben des Bundesamtes für Statistik werden diese als Zweitwohnungen aufgeführt, und davon gibt es in Gonten einige. 116 an der Zahl, meist traditionelle Bauernhäuser, die teilweise dem heutigen Wohnstandard nicht mehr entsprechen. Manche Gebäude werden sporadisch genutzt, andere stehen ganz leer. «Ein Umbau oder gar Neubau ist bei solchen Häusern oft schwierig», sagt der Bezirkshauptmann. «Das liegt an den gesetzlichen Grundlagen, etwa am Denkmalschutz oder an baurechtlichen Einschränkungen.» Viele dieser Liegenschaften liegen ausserhalb der Bauzone oder gelten als schützenswert, was Sanierungen teuer und aufwendig macht. «Richtige Zweitwohnungen im Sinne von Ferienwohnungen gibt es bei uns nur wenige.»

«Wir wollen nicht gross wachsen»

Gebaut wurde in Gonten in den vergangenen Jahren in überschaubarem Rahmen. Zwischen 2019 und 2025 ist der Wohnungsbestand der Gemeinde um rund 30 Einheiten gewachsen. Neue Mehrfamilienhäuser, Umbauten und sanierte Altliegenschaften haben den Bestand leicht erhöht. Dieser wird in nächster Zeit weiter wachsen. Im Gebiet «Schwarzenberg» sind derzeit vier Doppeleinfamilienhäuser geplant, und auch im Dorfzentrum tut sich einiges. Der grösste Bau ist das kürzlich eröffnete Wellnesshotel. Gleichzeitig entstehen auf demselben Areal barrierefreie Wohnungen für über 50-Jährige sowie drei Häuser mit Serviced Appartements und Wohnungen.

Von einem Bauboom kann aber keine Rede sein. Und das ist durchaus im Sinne der Gemeinde. «Wir wollen nicht gross wachsen, aber ein bisschen müssen wir schon», sagt Fässler. Es gehe darum, Schule und Geschäfte im Dorf am Leben zu erhalten. Die Primarschule stehe gut da und habe stabile Schülerzahlen. Für die Oberstufe wechseln die Jugendlichen dann nach Appenzell. Der Bezirkshauptmann ist sich bewusst, dass einige junge Leute für Ausbildung, Arbeit oder Studium wegziehen. «Viele von ihnen kommen aber später, wenn sie eine Familie gründen oder gegründet haben, wieder in die Heimat und finden in der Regel eine Wohnung, auch wenn diese selten auf Immobilienplattformen ausgeschrieben sind.»

«Wir wollen nicht gross wachsen, aber ein bisschen müssen wir schon.»

Urban Fässler, Bezirkshauptmann von Gonten (AI)

Kaum Bauland mehr vorhanden

Viel ändern dürfte sich in Gonten bezüglich der Wohnraumsituation in den nächsten Jahren nicht. Die Ortsplanrevision ist zwar im Gange und wird demnächst der Standeskommission zur Vorprüfung vorgelegt. Viel Spielraum hat die Gemeinde dabei aber nicht: Bauland ist kaum mehr vorhanden, und neue Einzonungen sind in den kommenden 15 Jahren nur nach konsequenter Mobilisierung der inneren Nutzungsreserven und dem Nachweis eines Bedarfs möglich. Im neuen Ortsplan werden einzelne Parzellen von Wohn- in Freihaltezonen umgewandelt, um Grünflächen zu erhalten.

«Bisher sind wir mit unserer Boden- und Wohnpolitik gut gefahren», sagt der Bezirkshauptmann, «und wir konnten die Nachfrage nach Wohnraum mehrheitlich gut abdecken.» Aber sie seien auch nicht überrannt worden, fügt er augenzwinkernd an. Die Bevölkerung ist in den vergangenen acht Jahren leicht gewachsen – von 1440 auf 1470 Einwohnerinnen und Einwohner. Ein moderates Plus, das zeigt, dass Gonten lebendig bleibt.

Marion Loher
Freie Mitarbeiterin